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Drastische MaßnahmenWie sich Jäger in Rhein-Erft auf einen Ausbruch der Schweinepest vorbereiten

Lesezeit 4 Minuten
Ein Wildschwein.

Der Weg in den Rhein-Erft-Kreis ist für die afrikanische Schweinepest nicht mehr weit.

Wenn die Tierseuche den Rhein-Erft-Kreis erreicht, greifen drastische Maßnahmen. Unter anderem werden große Gebiete eingezäunt.

Hohes Fieber, Mattigkeit, Durchfall, Erbrechen, Atemnot, Blutungen und schließlich der Tod. Gegen die Afrikanische Schweinepest gibt es weder Impfstoff und noch Therapie, Tiere, die sich mit dem Virus infizieren, sterben fast immer binnen weniger Tage. Die hochansteckende Krankheit kommt näher. Die gute Nachricht: Sie befällt ausschließlich Schweine, für andere Tiere und Menschen ist sie ungefährlich. Die schlechte: Bricht sie aus, müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden.

Mitte Juni sind infizierte Schweine im hessischen Groß-Gerau gefunden worden, Anfang Juli hat die Seuche den Rhein überschritten und ist in Rheinland-Pfalz angekommen. Der Weg in den Rhein-Erft-Kreis ist nicht mehr weit. Zumal Fachleute sagen, das Virus wandere schneller, als die Wildschweine es verbreiten könnten. Will sagen: Meist ist es der Mensch, der die Krankheit einschleppt.

Vor sechs Jahren gab es Fälle der Schweinepest in Belgien

2018 war die Seuche schon einmal gefährlich nahegerückt, damals war sie in Belgien aufgetreten. Doch die Verbreitung konnte gestoppt werden. Diesmal könnte es schwieriger sein. Denn im rheinland-pfälzischen Seuchengebiet gibt es wenig Wald, die Schweine finden im Schilf am Flussufer Deckung. Dort werden Kadaver nicht gefunden, es besteht die Gefahr, dass sie stromabwärts treiben.

Wenn bei einem Wildschwein in Nordrhein-Westfalen das Virus nachgewiesen wird, tritt die Wildseuchen-Vorsorge-Gesellschaft mbH (WSVG) auf den Plan. Das Land hatte die Aufgabe der Wildtierseuchenbekämpfung ausgeschrieben, das Unternehmen mit Sitz in Hamm ist nun ausführender Dienstleister im Auftrag des betroffenen Kreises.

Die Wildtierseuchen-Vorsorge GmbH trainiert für den Fall, dass die Schweinepest  ausbricht.

Die Wildtierseuchen-Vorsorge GmbH trainiert für den Fall, dass die Schweinepest ausbricht.

Es hält das nötige Material und, in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, auch Personal vor, um umzusetzen, was als Goldstandard in der Bekämpfung der Seuche gilt. An mehreren Standorten im Land gibt es Lager mit riesigen Mengen an Zäunen. Denn wenn ein Seuchenherd erkannt ist, wenn also ein oder mehreren infizierte Tiere gefunden worden sind, wird das Gebiet eingezäunt. Und zwar so, dass kein Schwein mehr rein- oder rauskommt.

Diese Kernzone kann einen Radius von drei bis fünf Kilometern haben – da ist man schnell bei 30 bis 50 Kilometern Zaun. Christian Stoll, einer der Geschäftsführer der WSVG, beschreibt das weitere Vorgehen. Sein Unternehmen kläre zwar, wo der Zaun sinnvollerweise verlaufen sollte, der Staat entscheide dann aber über den Bau. Grundstückseigentümer müssten dann dulden, wenn die Absperrung ihren Acker oder auch Garten durchquere.

Die Jagdeinheit NRW erlegt alle Schweine in der weißen Zone

Die in der Kernzone eingeschlossenen Schweine würden, wenn nötig, mit Futter und Wasser versorgt. Dort herrscht für Spaziergänger kein Betretungsverbot, aber sie dürfen die Wege nicht verlassen. Der Plan: Die Schweine sollen friedlich dort leben – und sterben: „In der Kernzone tötet die Seuche“, sagt Christian Stoll. Anders als im ebenfalls eingezäunten zweiten Gürtel, der „weißen Zone“.

Dort erlegen die Jagdeinheit NRW und weitere Jäger alle Wildschweine. „Wo kein Tier ist, kann keines angesteckt werden“, nach dieser einfachen Logik ist der Seuchenzug an dieser Stelle unterbrochen. Abgebaut werden dürfen die Zäune erst, wenn sechs Monate lang kein krankes oder totes Schwein gefunden worden ist. So lange herrscht dort Jagdverbot, das Veterinäramt kann ein Ernteverbot für die Landwirte verhängen.

Das Veterinäramt Rhein-Erft berät Schweinehalter

Das Veterinäramt des Rhein-Erft-Kreises berate derzeit Schweinehalter, wie sie ihre Tiere vor der ASP schützen können, berichtet Eva Schönauer. Bei Tieren, die im Freien gehalten würden, brauche es unbedingt doppelte Zäune, damit sie nicht in Kontakt mit Wildschweinen kommen könnten. Sie appelliert an alle, die ihre Schweinehaltung noch nicht angemeldet haben, das nachzuholen – auch wenn es sich nur um ein Minischwein handele. Franz-Josef Kipshagen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Rhein-Erft, erinnert sich an eine Übung zur Vorbereitung auf einen Seuchenausbruch. Da hätten Vertreter des Kreisveterinäramts, Landwirte und Jäger gemeinsam an Plänen gearbeitet, wie im Ernstfall reagiert werden könne.

Schon jetzt seien die Jäger eine wertvolle Unterstützung bei der Früherkennung der Afrikanischen Schweinepest, sagt Eva Schönauer. Von erlegten Wildschweinen werden regelmäßig Proben genommen, die nicht nur auf ASP, sondern auch auf die Klassische Schweinepest und weitere Wildkrankheiten untersucht würden. Kipshagen sieht die Jäger auch in der Pflicht, den Wildschweinbestand unter Kontrolle zu halten: „Intensiv jagen ist die Devise.“ Die Rechnung scheint aufzugehen, die Zahl der Wildschweine, die erlegt werden, sinkt kontinuierlich. 2021 haben Jäger im Kreis 1174 Stücke Schwarzwild geschossen, 2022 waren es 976, im Jahr 2023 dann 886.

Sollte die ASP in Nordrhein-Westfalen ausbrechen, kommen auch Kadaversuchhunde zum Einsatz. Der Landesbetrieb Wald und Holz hatte die erste Einheit der Hundestaffel aufgestellt, mittlerweile besteht sie aus 21 Mensch-Hund-Gespannen, wie das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz mitteilt. Die Hunde durchlaufen eine sechsmonatige Ausbildung, ähnlich der eines Schweißhundes, der nach verletztem Wild sucht. Der entscheidende Unterschied: Der Kadaversuchhund soll vom toten Schwein Abstand halten. Er trägt ein „Bringsel“ am Halsband. Wenn er das im Maul zurückbringt, weiß sein Führer, dass der Hund ein Stück Wild gefunden hat.

Warum die Tierseuche mit so viel Aufwand bekämpft wird, ist leicht zu erklären: Wenn große Mastbetriebe befallen werden, drohen Milliardenschäden. Schon jetzt gibt es Exportbeschränkungen für Schweinefleisch.