Vor zehn Jahren konnten sich Arbeitgeber aussuchen, welche Bewerber sie ausbilden. Heute ist das oft nicht mehr der Fall.
AusbildungsmarktWie Unternehmen in Rhein-Erft Azubis für sich gewinnen
Den Wunschberuf suchen, kurz vorstellen, Lebenslauf abgeben. Eigentlich sind Ausbildungsmessen für Menschen gedacht, die nach einer Ausbildungsstelle suchen. Das trifft aber immer weniger zu. Tatsächlich ist sie mittlerweile eher eine letzte Chance für Unternehmen. Eine letzte Chance, die vielen freien Ausbildungsstellen zu besetzen. Zwei Unternehmen aus dem Kreis erklären, was sie heute tun müssen, um Auszubildende zu gewinnen.
„Zu uns kommen Bewerber ohne Lebenslauf, die sagen: Ruf mich einfach an, wenn du Interesse hast“, sagt Rolf-Martin Randecker. Randecker ist Leiter der Personalentwicklung der Großbäckerei „Klein's Backstube“, die ihren Sitz in Hürth hat. Er und seine Kollegin Claire Raue warben zuletzt auf einer Last-Minute-Ausbildungsmesse in Kerpen um Nachwuchs. Das Interesse an einer Ausbildung als Konditor, Fachverkäufer oder Bäcker war aber gering. Gerade mal zwei Interessenten haben sich bis zum späten Nachmittag gemeldet.
Bäckerei-Azubis gehören zu den Topverdienern
„Es gibt viele Vorurteile über unsere Arbeit. Dass wir früh anfangen, Wochenendschichten haben, dass die Arbeit hart ist“, erläutert Raue. Doch das entspreche nicht mehr der Realität: Die Inhalte seien gleich geblieben, die Arbeitsbedingungen nicht. „Wir haben flexible Modelle eingeführt, zum Beispiel für Mütter“, sagt Raue.
Auch am Geld liegt es nicht. Die Bäckereikette bietet ihren Auszubildenden 1000 Euro im ersten Lehrjahr. Das entspricht fast dem, was Auszubildende in der gut bezahlten Chemiebranche verdienen. Mit „Social Recruiting“ und „Infotainment“ will Randecker in Zukunft auf die Bewerber zugehen. Das heißt: Klein's setzt auf Sozialmedien, um Nachwuchs zu gewinnen.
Beim Bergheimer Computergroßhändler Siewert & Kau ist die Stimmung eine ganz andere. 13 verschiedene Ausbildungsberufe bietet das Unternehmen an. Auf der Messe in Kerpen waren die Bergheimer deutlich erfolgreicher als die Großbäckerei. 27 Bewerberinnen und Bewerber haben sich gemeldet. „Wir sind in einer guten Situation und können uns noch immer die Auszubildenden aussuchen“, sagt Liridona Rexha, eine der Ausbilderinnen.
Bewerber in Rhein-Erft bevorzugen Chemiebranche und Handel
Siewert & Kau betreibt viel Aufwand, um potenzielle Auszubildende zu gewinnen: Es gibt Betriebsausflüge, Begrüßungswochen und Vergünstigungen. Das Verhältnis von Auszubildenden und Ausbildern ist mit 36 zu 16 vergleichsweise gut. Seit Kurzem belohnt das Unternehmen auch gute Leistungen in der Berufsschule. Doch Rexha beobachtet, dass sich immer mehr Interessenten mit falschen Vorstellungen bewerben. „Eigen- und Fremdwahrnehmung stimmt bei vielen nicht. Sie sind selbstbewusst, haben aber eine ganz falsche Vorstellung davon, was sie in kaufmännischen Berufen leisten müssen.“
Der Zehn-Jahres-Vergleich der Brühler Agentur für Arbeit belegt, wie sich der Ausbildungsmarkt gewandelt hat. 2013 waren in Brühl 3390 Bewerber und 1670 Ausbildungsstellen gemeldet. 2023 herrschte mit 2130 Bewerbern und 2060 Stellen fast Gleichstand. Manche Branchen trifft das besonders hart. Etwa den Hochbau — hier gibt es doppelt so viele freie Ausbildungsstellen wie Bewerber. Vier Ausbildungsberufe sind bei Bewerbern beliebt: Chemikant, Bürokaufmann oder -frau, medizinischer Fachangestellter und Kfz-Mechatroniker. Unbesetzt bleiben vor allem Stellen als Verkäufer und Lagerlogistiker.
Die nächste Ausbildungsmesse ist in Hürth
Zwei Merkmale zeichnen den Großteil der Bewerber aus: Sie sind jünger als 20 Jahre und haben einen Realschulabschluss. Viele Ausbildungsberufe sind männlich dominiert. Doppelt so viele Männer wie Frauen im Kreis beginnen eine Ausbildung.
Schon am 7. September steht die nächste Messe an, auf der Arbeitgeber ihr Glück bei der Azubi-Suche versuchen können. Dann findet von 17 bis 19 Uhr der Markt der Möglichkeiten auf dem Bolzplatz an der Hürther Sudetenstraße statt.