Der Rhein-Erft-Kreis hätte mehr tun müssen, um den Fahrer des geblitzten Autos zu ermitteln, entschied das OVG.
Urteil in MünsterGericht: Rhein-Erft-Kreis hätte Fahrtenbuch nicht anordnen dürfen
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster (OVG) liest sich wie eine Ohrfeige für die Behörden des Rhein-Erft-Kreises: Eine Pkw-Halterin muss kein Fahrtenbuch führen, obwohl der Kreis sie nach einem Geschwindigkeitsverstoß mit ihrem Auto für zwölf Monate dazu verpflichtet hat.
In dem jetzt entschiedenen Streitfall habe die örtliche Bußgeldbehörde viel zu wenig getan, um den Fahrer des Wagens zu ermitteln, urteilten die Münsteraner Richter. Eine Fahrtenbuchauflage aber komme nur in Betracht, wenn die Täterfeststellung unmöglich sei.
Der Senat, der mit seiner Entscheidung auch der Sichtweise des Verwaltungsgerichts Köln widersprach, ließ keine Revision zu. Dagegen kann der Kreis Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.
Blitzerfoto hätte mit Personalausweisregister abgeglichen werden müssen
Die Klägerin hatte sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Ihr Wagen war am 25. Dezember 2021, frühmorgens um 2.15 Uhr, mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 Kilometern in einem Ort des Rhein-Erft-Kreises geblitzt wurde. Bis heute konnten die Behörden nicht klären, wer am Steuer des Autos saß. Obwohl auf dem „Blitzer-Foto“ gut zu erkennen war, dass es ihr Sohn war, der zudem auch noch im Haushalt der Mutter wohnte.
Dass darauf keiner gekommen ist, könne ihr doch nicht zum Nachteil gereichen, hatte die Frau vor dem Verwaltungsgericht gesagt. Und unterstellt, dass die Fahnder den Fahrer durchaus hätten finden können. Es habe sich doch „förmlich aufgedrängt“, dass es sich auf dem Foto um einen ihrer Söhne handele. Die Behörde habe „auf der Hand liegende, angemessene und zumutbare Ermittlungsmaßnahmen“ nicht ergriffen, die „mit absoluter Sicherheit zur Feststellung des Fahrzeugführers geführt hätten“. Schon „die Einholung einer Auskunft beim Melderegister“ hätte vermutlich zum Erfolg geführt.
Naheliegende Ermittlungen nicht durchgeführt
Laut Paragraph 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) können Behörden das Führen eines Fahrtenbuches anordnen, wenn nach einem Verstoß der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Diese Praxis ist auch bereits mehrfach von den höchsten Gerichten in Deutschland so bestätigt worden. Um ein Fahrtenbuch anordnen zu können, muss es sich indes „um einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß beziehungsweise einen Verstoß von einigem Gewicht“ handeln. In der Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn es sich um Vergehen handelt, für die ein Strafpunkt im Flensburger Fahreignungsregister fällig wird.
Das Führen eines Fahrtenbuches nach einem Geschwindigkeitsverstoß jedoch kann nur unter bestimmten Bedingungen angeordnet werden, betonten die OVG-Richter jetzt. „Eine Fahrtenbuchauflage kommt nach der maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift nur dann in Betracht, wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich gewesen ist“, heißt es in der Urteilsbegründung.
In Rhein-Erft indes seien „naheliegende Ermittlungsansätze“ nicht genutzt worden. Das „klare Tatfoto“ etwa sei nicht mit Lichtbildern im Personalausweisregister abgeglichen worden. „Dies wäre ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen, ist in Verfahren dieser Art regelmäßig üblich und hätte im konkreten Fall zu einem Tatverdacht gegen den Sohn der Klägerin geführt“, teilte das OVG mit.