Zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Orte an Rhein und Erft heftig umkämpft. Unsere Serie beleuchtet die Ereignisse vor 80 Jahren.
Vor 80 JahrenBomben auf Brühl, Panzerschlacht bei Elsdorf, Kerpen in US-Hand

Kriegsende im Kreis Bergheim: Die 87. US-Infanteriedivision rückt in Kerpen ein.
Copyright: Stadtarchiv Kerpen
Die Bilder der Vernichtung aus der Ukraine und dem Gazastreifen sind uns allen präsent, wir beklagen sie und hoffen auf baldigen Frieden. Aus Bergheim, Stommeln, Liblar, Wesseling und anderen Städten des heutigen Kreisgebiets gibt es ähnliche Bilder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Nur noch wenige Zeitzeugen können davon aus eigenem Erleben berichten. Die Bilder drohen, in Vergessenheit zu geraten. Am 8. Mai 1945 kapituliert die Wehrmacht bedingungslos.
„Ein Tag der Befreiung“, formulierte es der Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1920-2015) im Jahr 1985 anlässlich des 40. Jahrestag des Kriegsendes. Der Zeitzeuge Albert Esser aus Erftstadt, heute 90 Jahre alt, erinnert sich: „Man hatte zur damaligen Zeit keinerlei Gedanken daran verschwendet, ob man befreit oder besiegt worden war, die Gärten zu bestellen war wichtiger!“
Kriegsende im Kreis: Die Erft wird zum umkämpften Fluss
Richard von Weizsäcker hat damals eine Diskussion angestoßen, die in Teilen bis heute andauert. Seine Worte haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt: „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“
Anfang 1945 ist der Krieg eigentlich längst entschieden. Bei der Konferenz von Jalta Anfang Februar haben die USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion über die Nachkriegsordnung beraten. Sowjetische Truppen nähern sich von Osten, die Alliierten dringen über Italien und Nordfrankreich nach Deutschland vor. Der Rhein stellt eine nicht leicht zu überwindende geografische Grenze dar, aber auch die Erft soll sich als umkämpfter Fluss herausstellen.

1944 wurden Teile Brühls durch Bombeneinschläge zerstört.
Copyright: Repro: Bernd Woidtke
Im Sommer und Herbst 1944 gab es heftige Luftangriffe auf Orte im Kreis: Am 29. Oktober 1944 fielen Bomben auf Lechenich, am 30. November auf Erp, am 28. Dezember auf Friesheim. Die Bahnlinie und die Grubenindustrie waren die Ziele. Im Juli 1944 vernichtete ein Bombenangriff Teile von Wesseling. Die Menschen flüchteten aufs Land. Die Einwohnerzahl Wesselings sank von 12.025 Anfang 1944 auf 4301 am Ende des Jahres. Es herrschte Not und Verzweiflung, vor allem, was die Ernährung anging. Brot wurde gestreckt, den Eiweißbedarf deckte man mit Fröschen und Schnecken.
Am 31. Oktober und 1. November 1944 fand ein Luftangriff auf Hürth-Efferen statt. 92 Prozent des Ortes wurden zerstört. Bei diesem Angriff stürzte auch ein Jagdflieger ab, um den sich in der Nachkriegszeit viele Legenden ranken. Mal war er Amerikaner, mal Kanadier, mal Brite. Mal wurde er misshandelt, mal umgebracht von der aufgebrachten Bevölkerung. Angeblich sei diese Misshandlung das Motiv der Alliierten gewesen, einen weiteren Luftangriff auf Efferen zu fliegen.
Die Hürther Stadthistoriker fanden den Namen des Mannes heraus: William McElhare. Er stammte aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania und war 22 Jahre alt als er abgeschossen wurde. Karin Johnson, selbst gebürtige US-Amerikanerin hat mit dem Sohn des Fliegers gesprochen. Michael McElhare erzählte, dass sein Vater tatsächlich in Efferen von einheimischen Bauern bedroht worden sei, er hätte sogar schon eine Schlinge um den Hals gehabt, als in Angehörige der deutschen Luftwaffe in Gewahrsam nahmen.
Nach Kriegsende blieb er bei der US-Air Force und diente im Korea-Krieg (1950-1953). Später lebte er in Florida und starb 1988 mit 66 Jahren – zeitlebens blieb ein passionierter Flieger. Seinem Sohn gegenüber sprach William McElhare nicht von Misshandlungen, was nicht ausschließt, dass es solche gegeben habe, so Johnson. Ob das aber ein Motiv für den Luftangriff auf Efferen gewesen sei, kann nicht nachgewiesen werden. Am 28. Dezember 1944 fiel Brühl einem vernichtenden Bombenangriff zum Opfer.

Der US-Pilot William McElhare wurde 1944 über Efferen abgeschossen
Copyright: Repro: Bernd Woidtke
Diese Zeitung berichtete zum 80. Jahrestag des Angriffs: „Der Tag gilt als einer der schwärzesten der Stadtgeschichte. Es war ein grauer diesiger Wintertag. Die Alliierten waren an der Westfront in jener Zeit bereits bis in die Nähe von Düren vorgedrungen. Dann gab es gegen Mittag Luftalarm im südlichen Teil des damaligen Landkreises Köln. Diesmal ging es im Anflug auf Brühl. Nicht alle Brühler schafften es rechtzeitig in die Luftschutzkeller. Der Angriff dauerte nur wenige Minuten, hinterließ aber schlimme Verwüstungen. Dutzende Tote lagen unter den Trümmern. Insbesondere der Süden der Stadt bis hoch nach Pingsdorf war betroffen. Wohn- und Geschäftshäuser, das Amtsgericht und die Schlosskirche wurden zerstört, das Marienhospital so schwer getroffen, dass die Patienten in den Schlosskeller evakuiert werden mussten. Rund 160 Menschen verloren ihr Leben.“ Die entscheidenden Gefechte im Kreis fanden im Frühjahr 1945 statt.
Die Stadt Elsdorf informiert auf ihrer Website sehr ausführlich über die Kämpfe in Elsdorf, Oberembt, Grouven und Heppendorf. Am 20. Februar versuchte die 99. US-Infanteriedivision einen Vorstoß in Richtung Bergheim. Allerdings trafen sie auf hartnäckigen deutschen Widerstand und zogen sich auf die Linie Zieverich-Widdendorf-Heppendorf zurück. Dort stießen sie auf weniger Gegenwehr und durchbrachen beim Haus Tanneck die deutsche Linie.
Kriegsende an der Erft: In Elsdorf kämpfen die Panzer
Am 23. Februar wurde Oberembt Schauplatz einer Panzerschlacht. Die Angelsdorfer Schulchronik beschreibt die Vorgänge eindrucksvoll: „30 Panzer waren in den Gärten aufgefahren und schickten den Angreifern ein mörderisches Feuer entgegen. Dieser antwortete mit einem heftigen Bombardement unter starkem Einsatz von Flugzeugen. 3800 Granaten (...) gingen auf das Dorf nieder.“
Im Elsdorfer Ortsteil Tollhausen kamen die Menschen glimpflicher davon: Die Einwohner ergaben sich kampflos und verdeutlichen dies mit dem Hissen der weißen Fahne. Entsprechend gab es dort keine großen Zerstörungen. Ganz im Gegensatz zu Grouven: Eine deutsche Einheit leistete erbitterten Widerstand. Die Alliierten beschossen den Ort mit ihrer Artillerie und zerstörten wesentliche Teile, vor allem an der Burg Grouven.
Die Bevölkerung hatte sich in Luftschutzbunkern versteckt und war eigentlich bereit, die weiße Flagge zu zeigen, aber ein Offizier der deutschen Einheit drohte damit, jeden zu erschießen, der die Aufgabe signalisieren wollte. Nachdem ein deutscher Panzer von einem alliierten Artilleriegeschoss zerstört worden war, zog sich die Wehrmachtseinheit in Richtung Bergheim zurück. Die Spitze des Heppendorfer Kirchturms wurde durch ein Geschoss zerstört.

US-Soldaten musizieren in einem Keller in Kerpen.
Copyright: Stadtarchiv Kerpen
Am 27. Februar 1945 wurden Heppendorf und Sindorf nach schwacher Gegenwehr eingenommen. Die US-Truppen umfassten Kerpen, und in der Nacht konnten amerikanische Panzer in die Stadt eindringen. Am Morgen des 28. Februar war Kerpen in amerikanischer Hand.
Angelsdorf und Esch hatten Glück im Unglück: Die deutsche Einheit hatte sich frühzeitig zurückgezogen, die amerikanischen Infanteristen zogen am 28. Februar ein. Pfarrer Wilhelm Sommer, nun von den Besatzern als neuer Bürgermeister eingesetzt, beschrieb die Lage in Angelsdorf: „Die Schäden an den Häusern sind glücklicherweise nicht allzu groß. Meistens sind es Dachschäden und zersplitterte Fenster. Leider sind zwei Menschenleben zu beklagen.“
Auch Quadrath-Ichendorf geriet in den Fokus heftiger Kämpfe. Die stark geschwächten deutschen Truppen errichteten an der Köln-Aachener-Straße, damals Adolf-Hitler-Straße, auf der Sandstraße und an der Marienburg Panzersperren und Barrikaden. Die Bevölkerung harrte in Stollen aus, zum Beispiel an der Rote-Kreuz-Straße, am Bahnhof, in der Beisselsgrube.
Am 1. März 1945 sprengten deutsche Truppen den Brückenbogen der Eisenbahn an der Straße Im Rauland, um den Alliierten diese wichtige Infrastruktur nicht in die Hände fallen zu lassen. Der Dorfbewohner Theo Büsgen hat die weiße Fahne in der Hand, als er den Amerikanern entgegengeht und die Aufgabe des Ortes anzeigt. 48 deutsche Soldaten, die Quartier auf Schlenderhan bezogen hatten, sowie 300 Zivilisten, die ebenfalls im Schloss Zuflucht gesucht hatten, wurden gefangen genommen.

US-Gefreiter E. Hammond aus Pennsylvania leitet vom Turm von St. Martinus aus das Artilleriefeuer auf Mödrath.
Copyright: Stadtarchiv Kerpen
An der Köln-Aachener Straße/Ecke Fischbachstraße hatten Amerikaner eine Stellung errichtet und beschossen deutsche Verbände, die sich in Häusern verschanzt hatten. Die andauernden Kämpfe kosteten 15 Soldaten das Leben. Amerikanische Einheiten blieben noch vier Wochen in Quadrath-Ichendorf, ihre Einsatzleitung hatte Quartier in Schloss Frens bezogen.
Karl Pagenstecher aus Orr war Ortskommandant des Volkssturms, er war ein verbissener Nazi und schätzte die militärische Lage falsch ein. Am 2. März 1945 schickte Pagenstecher zehn Mann Richtung Sinthern, um zu verteidigen, aber die deutsche Front löste sich im Chaos auf. In Brauweiler sollte der Volkssturm die Straße nach Königsdorf als MG-Trupp verteidigen, aber es gab keine MGs mehr.
Die US-Armee überquerte die Erft am 1. März 1945 an drei Stellen: bei Glesch, zwischen Zieverich und Bergheim sowie bei Sindorf. In Paffendorf und Bedburg wurden weitere Behelfsbrücken errichtet. Damit war der Weg Richtung Köln frei. Am 6. März 1945 beginnt um 4 Uhr morgens der alliierte Angriff auf die Kölner Innenstadt. Am Nachmittag erreichen die US-Truppen den Dom, das linksrheinische Köln ist befreit.