Interview mit Lerntherapeutin Ilona Dany„Viele fühlen sich hilflos“
Wesseling – Ilona Dany (52) arbeitet als Lerntherapeutin mit eigener Praxis in Wesseling. Kinder und Jugendliche unterstützt sie fachlich und psychologisch. Mit ihren Mitarbeiterinnen bietet sie Lerntherapie bei Prüfungsängsten, Motivationsproblemen, der Erarbeitung einer Lernstruktur sowie bei Legasthenie und weiteren Lernschwächen an. Mit Ilona Dany sprach Anica Tischler.
Frau Dany, wie wirkt sich das Distanzlernen auf die Kinder und Jugendlichen aus?
Dany: Ihnen fehlen vor allem konkrete prägende Erfahrungen im sozialen Schulleben. Dazu gehören zum Beispiel die Einschulung oder das Abitur, die traditionelle Mottowoche, die Klassenfahrt. Wichtige soziale Ereignisse des Schullebens laufen nun unter völlig anderen Bedingungen ab, und mit den Erinnerungen daran wird dann nur die Krise verbunden. Das ist langfristig katastrophal für die Entwicklung. Kurzfristig beeinträchtigt jetzt schon die sehr lange Kontaktarmut die psychische Gesundheit aller Menschen.
Inwiefern?
Beispielsweise fühlt sich für einen Zehnjährigen ein Jahr Pandemie an wie fünf Jahre. Das liegt daran, dass die jungen Menschen inzwischen schon einen viel zu großen Teil ihrer Lebenszeit in dieser Krisensituation verbracht haben. Das wird sich auch auf ihre Zukunft auswirken. „Geraubte Jugend“ ist da ein Begriff, der mir in den Sinn kommt und den ich durchaus vergleichbar finde.
Wer ist am stärksten betroffen?
Leider so ziemlich alle. Natürlich gibt es auch die Schülerinnen und Schüler, die während der Pandemie gut mit dem neuen Lernen zurechtkommen. Aber das ist eher eine Minderheit. Auffällig ist, dass Familien und Kinder aus allen Altersgruppen und allen Schulformen Probleme zu haben scheinen. Alle Gesellschaftsschichten sind betroffen. Auch bei Studierenden kann man Schwierigkeiten nach diesem Muster feststellen.
Wie würden Sie dieses Muster beschreiben?
Ausschlaggebend ist das unbestimmte Gefühl der Unsicherheit und in einer Dauerkrise zu stecken. Dadurch fehlt der Blick in die Zukunft, und die Zuversicht schwindet. Hinzu kommen Motivationslosigkeit, Antriebslosigkeit und natürlich dennoch der schulische Leistungsdruck. Ebenso gibt es durch das ständige Lernen zu Hause keine Distanz mehr zwischen Arbeits- und Entspannungsräumen. Wenn man diese Orte räumlich nicht mehr trennen kann, kann man sie auch gedanklich nicht mehr trennen. Das verstärkt depressive Gefühle und Gedanken. Ich sehe das an vielen Kindern, mit denen ich arbeite. Sie und ihre Familien fühlen sich hilflos.
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Was hätte schulpolitisch besser laufen können?
Ich vermute, gar nicht so viel. Das berühmte „Fahren auf Sicht“ wird oft kritisiert. Das ist nachvollziehbar. Aber ich glaube, dass es teilweise gar nicht anders laufen konnte. Dennoch wurden Fachberater bei Schulthemen erst zu spät und zu einseitig in die Gremien einbezogen. Dadurch ist vieles verzögert worden. Und es sollte inzwischen mehr als klar sein, dass effektives Lernen in der Form, wie wir sie gerade haben, unmöglich ist.