AboAbonnieren

Serie „Unser Wasser“Warum ein Krug mit Wasser aus Rhein und Erft in Wesseling verwahrt wird

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann hält einen Krug in den Händen

Der Historiker Roy Storbeck nennt das Zeugnis der Kreistaufe ein wenig scherzhaft „unseren Bembel“.

Der Frechener Bartmannskrug lagert im abschließbaren Stahlfach einer Werkbank in den Büroräumen des Wesselinger Stadtarchivs.

„Unseren Bembel“ nennt der Historiker Roy Storbeck mit einem Schmunzeln den Krug aus braunem Steinzeug, der das typische Bartmanngesicht und den Schriftzug „Rhein-Erft-Kreis“ trägt. Er lagert in den Büroräumen des Stadtarchives Wesseling im siebten Stockwerk des neuen Rathauses. Dort befindet sich der Krug in einem Pappkarton im abschließbaren Stahlfach einer Werkbank, die vor allem als Schreibtisch genutzt wird.

Die verglaste Vervielfältigung einer Urkunde zur Umbenennung des Kreises mit den Unterschriften aller Bürgermeister lehnt sich im geräumigen Fach an die Kiste an. Außerdem findet sich der Krug mitsamt „des gemischten Tropfens“, wie Tageszeitungen den Inhalt nannten, in bester Gesellschaft eines anderen Tropfens. Es ist eine Flasche „Glockemännche“, ein kräftiger Feinbitterlikör der Wesselinger Stiftsbrennerei Recht.

Krug mit Wasser aus Rhein und Erft in Wesseling verwahrt

Einmal ausgepackt, erweist sich der Krug von einigem Gewicht. Beim Schütteln gluckert deutlich vernehmbar Wasser im bauchigen Inneren. Besondere Maßnahmen zur Erhaltung von Krug und Inhalt treffe man nicht, das Archivale sei im Unterfach der Werkbank sicher verschlossen und „weder zu kalt noch zu warm“ gelagert. Zudem seien die massiven Steinzeugkrüge aus dem Rheinland seit dem 16. Jahrhundert bekannt für ihre Robustheit und als Transportmittel für allerhand Flüssigkeiten entlang des Rheins geschätzt. Frechener Bartmannkrüge habe man immerhin selbst in Australien wiedergefunden, weiß Storbeck.

Über die Qualität des Wassers im bauchigen Gefäß könne man freilich nur spekulieren. Bislang habe seines Wissens niemand das Gefäß entkorkt, sagt er. Aus der Zeit der Entnahme sei ihm keine massive Verschmutzung des Rheines bekannt. Die Wasserqualität sei zur Jahrtausendwende ja deutlich besser gewesen als noch in den 1950er Jahren, als vor Düsseldorf im Einzugsbereich der Henkel-Werke noch recht fotogene Schaumberge über den Rhein geschwommen seien. Und hätten die Honoratioren nicht von einer Entnahme abgesehen, wenn die Brühe damals „grün geblubbert“ hätte?

Über die vergangenen beiden Jahrzehnte ist auch die kleine Papierrolle mit etwas Text unangetastet geblieben. Mit Tesafilm ist sie im Knoten eines gedrillten roten Geschenkbands am Hals des Kruges befestigt. Zu erkennen ist längs des Zettelrands nur eine wellenförmige Linie, ähnlich dem Logo der Stadt Wesseling. Was auf dem Papier steht, weiß der Neuzeithistoriker nicht. Er habe es nicht gelesen. Denn beim Herauslösen der Rolle drohe das Papier zu zerreißen, außerdem verändere man das Relikt der jüngeren Geschichte wohl unwiederbringlich beim erneuten Fixieren, meint der Fachmann. Vordringliche Aufgabe des Archivares sei es schließlich, Dokumente unbeschadet über die Zeitläufte zu retten.


Eine abenteuerliche Reise

Als „Kuriosität“ des Wesselinger Archives hatte die Stadtarchivarin Martina Zech den Bartmannkrug zum Archivtag des LVR Mitte Juli dieses Jahres erwähnt. Es ist einer von zehn kleineren Krügen, gefertigt vom Frechener Töpfermeister Manfred Zimmermann in Bartmanntradition. Der damalige Landrat Werner Stump hatte den Krug anlässlich der Feier der Umbenennung des Erftkreises in Rhein-Erft-Kreis mit einem Gemisch aus Rhein- und Erftwasser befüllt.

Am Freitag, 31. Oktober 2003 begann die Tour des Landrates durch die Kommunen. Mit dem damaligen Bürgermeister Günter Ditgens und Jugendlichen der Fröbel-Schule schöpfte Stump von der Fähre „Marienfels“ zehn Liter Rheinwasser zur Befüllung zweier großer Bartmannkrüge. Am 1. November vermählten der Landrat und Bedburgs Bürgermeister Willi Harren das Rheinwasser in Altkaster mit Wasser aus der Erft und verteilten es.

Zwei Männer füllen Wasser in Krüge.

Die gewünschte Mixtur von Rhein- und Erftwasser stellten Landrat Werner Stump (l.) und Bedburgs Bürgermeister Willi Harren vor Ort her.

Die Reise von Kommune zu Kommune unternahm der Landrat mit den Krügen im Gepäck auf ganz unterschiedliche Weise. Mal war er in einem Bus der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft unterwegs, mal im Rosengart-Oldtimer oder als Chef der Polizei in einem Streifenwagen. Skater und Radsportathleten transportierten die Krüge weiter. In Brühl gab es Bier und Jazz zum Empfang, in Bergheim musste Stump zwei Uniformierten der KG Torwache Zoll entrichten. In der Kerpener Stiftskirche erteilte Kreisdechant Gerhard Dane dem Rhein-Erft-Kreis-Wasser kirchlichen Segen, in der evangelischen Kirche, dem Klümpchen, fand das Wasser gar den Weg ins Taufbecken.

Einer der Transportkrüge hat einen festen Platz im Kreishaus in Bergheim, der zweite befindet sich im Familienbesitz Werner Stumps. Kleine Krüge gingen an die zehn Städte des Kreises. Noch 2001 war Stumps Idee, den Rhein in den Namenszug des Erftkreises zu integrieren, um ihn auch international hoffähig zu machen, an den Sozialdemokraten im Kreistag gescheitert. Nachahmer fand die Idee in Rheinland-Pfalz, der Landkreis Ludwigshafen benannte sich im Dezember 2003 in Rhein-Pfalz-Kreis um.

Als eine von rund 29 800 Archivalien in den Magazinräumen des neuen und des alten Rathauses ist der Bartmannkrug im Besitz der Stadt Wesseling. Neben der Aktendokumentation für die Stadtverwaltung bilde man auch das umliegende Leben ab, heißt es im Archiv. Zur jährlich wachsenden Sammlung zählen 920 Karnevalsorden, zu den wertvollsten Archivalien zähle das Fotoarchiv der Union Kraftstoff. (otr)