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BauwerkWarum Ehrenamtler im Tunnel unter der Erpeler Ley Löcher in den Beton bohren

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Männer mit einer Bohrmaschine in einem nur punktuell beleuteten Tunnel.

Helfer des Vereins ad Erpelle verankern Stahlrohre im Tunnel, an denen künftig ein Handlauf befestigt wird.

Mitglieder des Vereins ad Erpelle arbeiten im Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley. Im Zeiten Weltkrieg bot er den Bürgern Schutz.

Das schummrige Licht in der 383 Meter langen Röhre, der leichte Luftzug, die kühlen Temperaturen und von weiter weg das Kreischen einer Bohrmaschine, die sich in harten Beton fräst: Es hat ein bisschen was Gespenstisches an diesem Abend im einstigen Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley. Verstärkt wird das noch, als jemand versehentlich das Licht ausschaltet und es für einen Moment ziemlich düster ist.

Es sind aber allenfalls gute Geister am Werk, also Ehrenamtler des Kunst- und Kulturkreises ad Erpelle, die sich bemühen, den ehemaligen Eisenbahntunnel wieder zu einer ganz speziellen Theater-Spielstätte zu machen. Er ist zwischen 1916 und 1918 entstanden, als die vor allem militärisch genutzte Bahnstrecke über den Rhein nach Remagen und mit ihr die Ludendorff-Brücke gebaut wurden, die am Ende des Zweiten Weltkriegs als „Brücke von Remagen“ Geschichte schrieb. Doch dazu später.

Seit 2012 ist der Kulturverein Eigentümer des Tunnels unter der Erpeler Ley

Seit 2006 hatte der Kunst-und Kulturverein ad Erpelle, der seit 2012 auch Eigentümer des Tunnels ist, mit Kultur- und vor allem Theateraufführungen in der sehr speziellen Spielstätte überregional für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch dann kam Corona. Und danach musste der Verein überraschend „gewaltige Brandschutzmaßnahmen“ ergreifen, die von der Kreisverwaltung in Neuwied gefordert wurden, wie Thomas Richard Jahn bei einem Ortstermin berichtet.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, der im Verein für die künstlerische Planung zuständig ist, führt an der Tribüne mit 150 fest installierten Plätzen im vorderen Teil des Tunnels vorbei. Zusätzlich können vor der Bühne noch 50 Stühle aufgestellt werden, sodass die Spielstätte 200 Zuschauern Platz bieten kann.

Insgesamt kamen rund 25.000 Zuschauer in das Tunnel-Theater

160 Mal war laut einer Broschüre von ad Erpelle seit 2006 vor insgesamt 25.000 Zuschauern das Stück „Die Brücke“ nach dem Roman von Rolf Palm „Die Brücke von Remagen“ aufgeführt worden. Die Regie hatte Walter Ullrich, der langjährige Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, der vor Kurzem verstorben ist.

Damals hatte die Freiwillige Feuerwehr den Brandschutz übernommen, die während der Aufführungen mit einer Brandwache und einem Löschfahrzeug vor Ort war, so Thomas Richard Jahn. Aber: „Das ist nicht mehr gestattet.“ Deshalb bohren an diesem Abend im Dezember einige Ehrenamtler Löcher in den Betonboden des Tunnels, um Eisenstangen darin zu verankern. Sie sollen am Ende den Handlauf halten, der auf der gesamten Tunnellänge entlang des Fluchtwegs zum hinteren Tunnelausgang am Bahndamm führen soll.

Alle drei Meter muss laut Jahn eine Stange eingebaut werden. Macht auf 300 Meter 100 Halterungen. Zusätzlich muss ad Erpelle für eine Notbeleuchtung sorgen, die auf die gesamte Tunnellänge die Besucher der Aufführungen ins Freie leitet. Schon eingebaut hat der Verein an beiden Tunnelenden überdimensionale Ventilatoren, die, wenn nötig, Brandrauch aus der Röhre drücken können.

Schlussendlich muss der Verein am Ausgang am Bahndamm später noch Büsche und Bäume beseitigen und beschneiden, weil der künftige Fluchtweg dort im Laufe der Jahre zugewachsen ist. Das alles sei „viel Aufwand“ für den Verein, sagt Jahn. Ad Erpelle habe 143 Mitglieder, von denen laut Jahn etwa elf regelmäßig am Ausbau der Brandschutzeinrichtungen mitarbeiten. Finanziert werde das Ganze aus Rücklagen, die ad Erpelle in den vergangenen Jahren zweckgebunden habe bilden können.

Im Zweiten Weltkrieg bot der Tunnel Schutz für die Zivilbevölkerung

Gebaut wurden Tunnel und Ludendorff-Brücke nach einem Beschluss des Reichstags 1916, um im Ersten Weltkrieg eine schnelle Verbindung nach Frankreich zur festgefahrenen Front zu schaffen. Wichtig wurde beides allerdings vor allem im Zweiten Weltkrieg. Der Tunnel aus Erpeler Sicht besonders für den Schutz der Zivilbevölkerung.

Thomas Richard Jahn zeigt auf eine Nische in der Röhre, die rund 90 Zentimeter tief ist und von denen es auf der gesamten Tunnellänge auf beiden Seiten jeweils 15 gibt. In den Fluchtnischen suchten die Menschen aus Erpel Schutz vor den Bomben und Granaten. Die Nischen wurden den Familien gezielt zugewiesen. Sie schotteten sie zu den Gleisen mit Brettern und Decken ab – die Züge fuhren ja noch dröhnend durch den Tunnel – und stellten einfache Bänke darin auf.

Blick in einen lange, nur spärlich beleuchtete Tunnelröhre.

Insgesamt 383 Meter lang: Der einstige Eisenbahntunnel unter der der Erpeler Ley.

Gefahr drohte den Erpelern nicht nur durch die Angriffe der Alliierten, sondern auch durch die Bomben der deutschen Flugzeuge. Diese sollten die Ludendorff-Brücke zerstören, nachdem ein Versuch der Wehrmacht gescheitert war, sie am 7. März 1945 zu sprengen. So war die Brücke zwar beschädigt, die amerikanischen Truppen der 9. US Panzerdivision und weitere Einheiten konnten sie aber noch nutzen und den Vormarsch über den Rhein unerwartet schnell fortsetzen.

Es gibt Schätzungen, wonach der Zweite Weltkrieg dadurch um Monate verkürzt worden ist. „Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert“, soll Leutnant General Walter Bedell Smith, der Stabschef des US-Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower, gesagt haben. Am 17. März 1945 jedoch stürzte das beschädigte Bauwerk ein, 28 amerikanische Soldaten starben, 63 wurden verletzt.

Heute stehen noch die Brückentürme. Auf Remagener Seite ist ein Friedensmuseum untergebracht. Auf Erpeler Seite machen die Türme Sorgen, weil sie marode sind. Die historischen Ereignisse um die Sprengung der Brücke hat ad Erpelle in den Inszenierungen des Tunnel-Theaters am Originalschauplatz bis 2019 darstellen können. Wann die Brandschutzauflagen aller erfüllt sind und Schauspieler wieder die Bühne im Tunnel bespielen, ist derzeit offen. „Eigentlich wollten wir 2025 fertig sein“, sagt Thomas Richard Jahn, „aber ich fürchte, dass das nicht hinhaut.“


Marode Brückentürme

Die seit vielen Jahren maroden Erpeler Brückentürme, die an der Bahntrasse und der Bundesstraße 42 stehen, sollen während der sechsmonatigen Sperrpause der rechtsrheinischen Bahnstrecke 2026 saniert werden. Das bestätigte auf Anfrage Andreas Marciniak vom Bundeseisenbahnvermögen. Die Behörde ist Eigentümerin der Türme.

Das Projekt werde so vorbereitet und getaktet, dass die Zeit der Sperrpause ausreiche. Die Kosten ließen sich derzeit noch nicht prognostizieren, würden aber wohl „im unteren einstelligen Millionenbereich“ liegen, so Marciniak. Weil sich Steine an den Türmen gelöst hatten, ist der Rad- und Fußweg neben der B 42 seit Jahren gesperrt. Während der Sperrpause soll die gesamte Bahntrasse generalsaniert werden. In Bad Honnef baut die Deutsche Bahn in der Zeit sogar einen neuen Bahnhof. (csc)