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HandwerkskunstBäckerei Stümper aus Seelscheid überstand eine schwere Krise

Lesezeit 3 Minuten
Dietmar Stümper mit seiner Lebensgefährtin Brita Lobas im Verkaufsraum

Ein Team, das zusammenhält: Bäckermeister Dietmar Stümper und seine Lebensgefährtin Brita Lobas.

Im Notfall backen in der Bäckerei Stümper in Seelscheid alle mit. Das zeigte sich, als der Bäckermeister Dietmar Stümper erkrankte.

Fast wäre eine mehr als 125-Jährige Familiengeschichte sang- und klanglos zu Ende gegangen. Als Dietmar Stümper im vergangenen Herbst plötzlich schwer erkrankte, sprangen drei Frauen in der Backstube ein, keine vom Fach, erzählt Brita Lobas: „Wir hatten uns zum Glück vorher viel abgeguckt.“

Das ganze Team arbeitete zudem kürzer, alle verzichteten auf Lohn. „Sonst hätten wir dichtmachen müssen“, sagt Lobas und verdrückt ein paar Tränchen vor Rührung. Der Bäckermeister drückt die Hand seiner Lebensgefährtin: „Auch wenn das Brot mal krumm war, die Kunden hatten Verständnis.“

Fünf Monate dauerte die Durststrecke. Das Sortiment wurde verkleinert, die Öffnungszeiten wurden eingeschränkt. Ein großes Plakat im Schaufenster an der Bergstraße klärte über die Notlage auf. Auch in den sozialen Medien wurde die Information zur Kundschaft transportiert.

Stümpers Lebensgefährtin und die Mitarbeiterinnen schmissen den Laden

Lobas, eigentlich zuständig für den Verkauf, wirbelte mit der gelernten Konditorin Elke Kern und Mitarbeiterin Bianca Kalff nachts in der Backstube, setzte Teige an, formte Brot und Brötchen und schob sie in den Ofen. Zu allem Unglück habe kurz zuvor die Gesellin überraschend gekündigt, erzählt sie. Aber die restlichen acht Beschäftigten, die bei Stümper teils seit Jahren und Jahrzehnten in Lohn und Brot stehen, hielten fest zusammen.

Bäckerei Stümper aus Seelscheid

Das Ladenlokal in Seelscheid liegt etwas abgelegen – die Kunden stört das nicht, sie kommen auch von weit her.

Sie fuchsten sich ein. Mehl und Saaten mussten bestellt, die Buchhaltung musste erledigt werden. Außerdem war Ware auszuliefern zum Altenheim und zur Schulmensa nach Neunkirchen; da sprangen die „Schusterjungen“ ein, eine Gruppe Ehrenamtler, die sich in Seelscheid unter anderem um das denkmalgeschützte Schusterhäuschen kümmern. Dietmar Stümper gehört dazu.

Kurz nach Karneval stand der 63-Jährige endlich wieder in der Backstube. „Ich habe immer Sport gemacht, Fußball gespielt, war auch Trainer, das hat mir wohl geholfen.“ Schon als kleiner Junge liebte er den Duft von frischem Gebäck, wollte dem Vater zur Hand gehen zwischen Mehl und Milch. Dass er die Familientradition mal fortsetzt, das war keine Frage.

„In 25 Jahren wird es wohl kaum noch Handwerksbäcker geben“

Dietmar Stümper ging nach der neunten Klasse zwei Jahre zur Berufsfachschule für Ernährung, erlernte das Handwerk ab 1976 bei Faßbender in Siegburg, war dort der erste Bäckerlehrling, hängte noch eine zweijährige Konditorausbildung bei Pohl in Troisdorf dran, kam zurück, machte 1986, mit 26 Jahren, seinen Meister. Er übernahm 1999 den elterlichen Betrieb, belieferte zeitweilig das Café der Schwester in Seelscheid und betrieb am Ortseingang auf der Zeithstraße einige Jahre eine Filiale.

Die Bäckerei im Dorf Seelscheid liegt etwas abgelegen. Kein Problem, sagt Stümper, er habe seine Nische gefunden, setze auf Qualität. Er sei der letzte, der im Ort mit der Hand produziert. Die Kunden kämen gezielt zu ihm, teils von weit her. Auch wegen der alten Rezepte, der zeitaufwendigen Teigführung, dem Salz-Sauer-Verfahren des Urgroßvaters, das das Backwerk bekömmlicher macht. „In der Industrie geht alles rubbeldikatz, das ist viel billiger.“

Dietmar Stümper denkt noch lange nicht ans aufhören. Auch weil kein Nachfolger in Sicht ist. Den letzten Lehrling bildete er vor zehn Jahren aus: „Die Arbeitszeiten schrecken wohl ab.“ Mit ihm werde die Familientradition vermutlich enden. Leider kein Ausnahmefall: „In 25 Jahren wird es wohl kaum noch Handwerksbäcker geben.“

Bäckerei Stümper, Bergstraße 33, Seelscheid, geöffnet dienstags bis donnerstags 6.30 bis 15 Uhr, freitags 6.30 bis 16 Uhr, samstags 6.30 bis 13 Uhr, sonntags 8 bis 12 Uhr.


Aus der Geschichte

1895 machte sich sein Urgroßvater Johann Wilhelm Stümper im Alter von 30 Jahren selbstständig. Er heiratete Rosalia Schmitz, übernahm die kleine Backstube ihres Onkels, der bis dahin nur Schwarzbrot und Blatz herstellte, und erweiterte das Angebot.

Johann Wilhelm Stümper mit Ehefrau Rosalia im Jahr 1895

Johann Wilhelm Stümper, Bäckermeister und Firmengründer, mit Ehefrau Rosalia im Jahr 1895

Ende der 1920er Jahre übernahm dessen Sohn Friedrich zusammen mit Ehefrau Maria die Bäckerei.

Fritz Stümper, Bäckermeister um 1927, damals in der zweiten Generation.

Die zweite Generation: Friedrich Stümper (rechts) mit der Familie, um 1927. Das Ladenlokal trägt noch den Namen des Vaters.

1962 stieg die dritte Generation ins Geschäft ein: Enkel Fritz und dessen Frau Christa. Das Haus erhielt einen Anbau, Stümpers brachten das Brot auch in die Dörfer und verkauften zusätzlich Lebensmittel des täglichen Bedarfs.