AboAbonnieren

„Ich bin der Dorfbäcker“Die wohl älteste Bäckerei im Rhein-Sieg-Kreis wird 150 Jahre alt

Lesezeit 3 Minuten
Es ist „Fibbes“ zu sehen, der ein großes Brot mit der Zahl 150 in die Kamera hält.

Runde 150 Jahre alt ist das Traditionsunternehmen, die wohl älteste Bäckerei im Rhein-Sieg-Kreis.

Friedhelm Funken leitet seine Bäckerei in fünfter Generation und experimentiert gern. Er beschreib sich selbst als „der Dorfbäcker“.

Opa Josef muss ein kerniger Typ gewesen sein: Wer das nach ihm benannte dunkle Brot anschneidet, entdeckt Haselnüsse. Die Großmutter stand für „Oma Mimis Seifenblasenbrot“ Pate. Der Bäckermeister lüftet das Rätsel: „Sie kam aus Düsseldorf, da ist Henkel ansässig.“ Friedhelm Funken sprudelt nur so vor Ideen. Und setzt gleichzeitig auf Tradition.

Sein Betrieb an der Marienfelder Dorfstraße ist der wohl älteste seiner Art im Rhein-Sieg-Kreis. Die Zahl 150 prangt auf dem runden Brot, das Jubiläum verging sang- und klanglos – Corona. Vielleicht gebe es eine Nachfeier unter dem Motto „Man kann’s drehen und wenden, wie man will“, sagt der 60-Jährige verschmitzt, sieht den fragenden Blick der Reporterin und ergänzt: „151. Liest sich gleich von vorn und von hinten.“

Backstube ist auch ein Versuchslabor

„Fibbes“, wie er überall im Dorf genannt wird, denkt halt gern um die Ecke. Ein kreativer Kopf, auch an der Leinwand. Beim Malen kann er entspannen, Joggen hält ihn fit, auf seiner Harley lässt er sich den Wind um die Nase wehen.

Vater und Sohn: Friedhelm (r.) lernte sein Handwerk in Siegburg und übernahm später den Familienbetrieb in Much-Marienfeld von Vater Kalli.

Vater und Sohn: Friedhelm (r.) lernte sein Handwerk in Siegburg und übernahm später den Familienbetrieb in Much-Marienfeld von Vater Kalli.

Die Backstube ist auch ein Versuchslabor, Fehlschläge inbegriffen, wie das misslungene Ciabatta: „Das hat mir in Italien so gut geschmeckt. Hier passten vermutlich das Mehl und die Lufttemperatur nicht.“ Nur etwa 40 Prozent des Sortiments blieben gleich, 60 Prozent wechselten.

Bratkartoffelbrot und „Acker-Jupp“ entstanden in der Backstube

So liegt der „Blötschkopp“, ein Hefeteilchen mit Marzipan und verdötschtem Gesicht, nur zu Karneval in der Theke. Das Seifenblasenbrot, Briochebällchen zum Ring geformt, war ein lustiges Experiment. Die „Siegsteig-Wanderrute“, ein rustikaler Knoten, gibt’s mittlerweile in mehreren Varianten, mit Cranberrys, Chili oder Bärlauch.

Der Teigkünstler hat das Bratkartoffelbrot erfunden und den „Acker-Jupp“. Das Rotkorn trägt das Kunstwort „Rio“ im Namen. Erklärung: Funken nutzt zwar Bio-Mehle aus dem sauerländischen Warstein, hat aber keine Bio-Zertifizierung (zu aufwendig, zu teuer). Da investiere er lieber Zeit in Backtechniken, er setze auf natürlichen Sauerteig, fermentiere Getreide („das baut Gluten ab“), lasse die Teige lange in der Kühlung reifen, arbeite fast ausnahmslos ohne Hefe.

Zweites Ladenlokal ausgeschlossen: „Ich bin der Dorfbäcker“

Ein zweites Ladenlokal? Habe er nie gewollt. Als Geschmacksbotschafter sieht er sich nicht: „Ich bin der Dorfbäcker.“ Den Backes im Berzbacher Bauernmuseum heizt er regelmäßig ein, unterstütze die Vereine, die Dorfgemeinschaft. Immer mit seiner Frau Sabine an der Seite, die den Familienbetrieb organisiert.

Der Sohn ist auch kreativ, tritt aber nicht in die Fußstapfen: Er ist Schauspieler, Zumba-Trainer und Physiotherapeut, „völlig okay“, meint „Fibbes“. Vielleicht werde die Nichte mal übernehmen. Zehn Mitarbeiter sind in Marienfeld in Lohn und Brot, davon vier Vollzeitkräfte. Bei zwei Helfern in der Backstube sei der Chef in einer „Vaterrolle“, verrät seine Frau.

Mutter Cilli machte in den 50ern Schlagzeilen

Sie schaffen keine Ausbildung, einer ist Autist, der andere lernbehindert, die Merkfähigkeit ist so eingeschränkt, dass sogar die Führerscheinprüfung nicht funktioniert. Funken kramt Bücher hervor, die die Familiengeschichte dokumentieren.

Seine Mutter Cäcilia, genannt Cilli, hat in den 50er-Jahren Schlagzeilen gemacht: Sie lernte beim Vater Josef Kreuzer, legte 1956 als erste weibliche Bäckerin im Regierungsbezirk Köln die Gesellenprüfung ab. Sie machte später ihren Meister und führte mit ihrem Ehemann Karl Funken, ebenfalls Bäckermeister, den Familienbetrieb.


Gegründet vom Ur-Urgroßvater

Friedhelm Funken führt den Handwerksbetrieb in fünfter Generation. Sein Ur-Urgroßvater Wilhelm Kreuzer gründete die Bäckerei in Bröl, heiratete Margarete Brambach.

Sein Sohn, Wilhelm junior (der Urgroßvater also), heiratete 1904 Maria Müller aus Ruppichteroth und verlegte um 1910 den Betrieb nach Bruchhausen.

Dessen Sohn Josef (Friedhelm Funkens Großvater) und dessen Ehefrau Wilhelmine (Mimmi) übernahmen und zogen 1950 nach Marienfeld.

Tochter Cäcilie (Cilli) führte nach Josef Kreuzers Tod 1966 die Bäckerei weiter mit ihrem Ehemann Karl Funken.

Ihr Sohn Friedhelm erlernte das Bäckerhandwerk in Siegburg und stieg danach im elterlichen Betrieb ein. (coh)