Leser erzählenMit drei Gängen am Rad zum Bodensee
- Unter dem Motto „Ferien anno dazumal“ erinnern sich Leser an besondere Urlaube.
- Die 76-jährige Edit Müller erzählt von ihrer 90 Kilometer langen Reise zum Bodensee – mit drei Gängen auf dem Rad.
- Die Tour war wunderbar und ist eine Erinnerung fürs Leben.
Neunkirchen-Seelscheid – Von meinem ersten selbst verdienten Geld habe ich mir ein Fahrrad mit einer Dreigangschaltung gekauft. Der Wunsch, damit eine größere Radtour mit einer meiner Schwestern zu machen, reifte schnell. Zum Bodensee sollte es gehen.
Die Serie
Unter dem Motto „Ferien anno dazumal“ teilen Leserinnen und Leser ihre Erinnerungen an Reisen, die sie als Kind, Jugendliche oder junge Erwachsene gemacht haben. Heute berichtet Edit Müller (76) aus Neunkirchen von einer Radtour im Sommer 1962.
Meine Schwester Renate stimmte sofort zu. Da sie kein eigenes Fahrrad besaß, durfte sie das unserer Haushälterin benutzen. Es war ein altes Rad ohne Gangschaltung. Gemeinsam haben wir die Jugendherbergsunterkünfte festgelegt. Den genauen Zeitpunkt unserer Tour weiß ich nicht mehr. Am ersten Tag fuhren wir von zu Hause in Neunkirchen los, mit Ermahnungen unserer Eltern im Gepäck.
Ziel war die Jugendherberge Ehrenbreitstein oberhalb von Koblenz. Das waren 90 Kilometer, für zwei Teenager von 18 und 20 Jahren war das mühelos zu schaffen. Wüst beschimpft wurden wir, als wir uns von einem Kirschbaum am Wegesrand ein paar Kirschen pflückten. Später, zum Niederwalddenkmal oberhalb von Rüdesheim in den Weinbergen nutzten wir nicht die Seilbahn, sondern gingen zu Fuß, da wir unser Geld gut einteilen mussten.
Gut in Erinnerung ist mir der Anstieg nach Alzey geblieben, eine Nibelungenstadt in Rheinland-Pfalz. Sie wird auch Volkerstadt genannt. Der Spielmann Volker von Alzey wurde durch das Nibelungenlied bekannt. Eine steile Fahrstraße führte in die Stadt. Das Schieben der Räder mit Gepäck war sehr schwer. Was wir unseren Eltern versprochen hatten, nämlich nie zu trampen, hielten wir nicht ein. Ein Lastwagenfahrer verfrachtete uns samt Rädern auf die Ladefläche, und so kamen wir erholt in Alzey an.
Unterwegs gab es immer wieder Begegnungen mit netten Radwanderern. Anstrengend war der Abschnitt im Schwarzwald durchs Murgtal nach Ebersteinburg. Dort besuchten wir eine Verwandte. Die Dorfbewohner sprachen Dialekt. Ich dachte, ich bin im Ausland, da ich kein Wort verstand. Von Baden-Baden ging es dann zügig Richtung Bodensee, wo wir am Hafen in Lindau vom steinernen Löwen und vom Leuchtturm empfangen wurden. Die sehr netten Herbergseltern verwöhnten uns eine Woche lang mit gutem Essen und machten auch Ausflüge mit uns in die nähere Umgebung. So verging die Woche schnell, und der Zug brachte uns zurück nach Bonn.
Diese wunderbare Tour ist eine Erinnerung fürs Leben. Und die Liebe zum Radfahren ist geblieben. Seit fünf Jahren mache ich mit meiner mittleren Tochter Radtouren von gut 400 Kilometern.
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