Immer teurer wird der Führerschein, immer länger brauchen junge Menschen bis zur Prüfung. Dafür gibt es viele Gründe, berichten Fahrlehrer.
Weit über 3000 EuroFührerschein-Kosten explodieren in Rhein-Sieg – Das sind die Gründe

Patrick Neukirchen aus Neunkirchen-Seelscheid und Much sieht die einzige Stellschraube für den Preis bei den Fahrschülerinnen und Fahrschülern selbst.
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Am Mittag ist es ruhig in der Neunkirchener Filiale der Fahrschule von Patrick Neukirchen. Der Raum für den theoretischen Unterricht ist leer, an einer Stange hängt eine Motorrad-Kluft, auf einer Fensterbank liegt ein zerbrochener Helm für Demonstrationszwecke. Ray und Pippilotta, Neukirchens Hunde, liegen auf zwei Kissen neben seinem Schreibtisch.
Fahrsimulator in Neunkirchen erinnert an den Schulterblick
Aus einem Nebenzimmer ertönt die Stimme aus dem Fahrsimulator. „Du hast den Schulterblick vergessen“, bekommt der Führerschein-Anwärter, der ihn gerade benutzt, zu hören. Für ihn ist der Simulator ein Segen, denn die Fahrstunde kostet am virtuellen Lenkrad nur etwa halb so viel wie eine Fahrstunde im Auto.
Einen Autoführerschein zu machen ist deutlich teurer geworden. Weit über 3000 Euro, in manchen Fällen mehr als 4000 Euro, berichtet der ADAC, seien inzwischen normal. Neben gewöhnlichen Fahrstunden kommen 12 Sonderfahrten hinzu, eine Grundgebühr, Lernmaterial sowie die Vorstellung zur theoretischen und praktischen Prüfung – das summiert sich.

In der Fahrschule Neukirchen in Neunkirchen gibt es einen Fahrsimulator, an dem die Fahrschülerinnen und Fahrschüler trainieren können. Mitarbeiterin Kiara Jakubowski hat die Ausbildung für ihren Autoführerschein noch vor sich.
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65 Euro pro Fahrstunde verlangt Neukirchen in seinen drei Filialen in Neunkirchen, Seelscheid und Much. „Das ist noch vergleichsweise günstig – andere Fahrschulen verlangen mehr“, sagt er. Eigentlich müsse auch er die Preise erhöhen, um laufende Kosten zu decken. „Die Hälfte geht für Personalkosten drauf, ich habe acht angestellte Fahrlehrer, dazu einige Mini-Jobber.“ Zu seinem Fuhrpark – hochwertige Fahrzeuge seien das Aushängeschild jeder Fahrschule – gehörten zehn Autos und sechs Motorräder.
Manche Schüler brauchen bis zu drei Jahren
„Für die Autos zahle ich jeweils 600 Euro Leasinggebühr pro Monat und nach drei bis vier Jahren muss ich sie austauschen, weil sie 240.000 Kilometer auf dem Tacho haben. Da sind die Kosten für Sprit, die Inspektion, Verschleißteile und die Versicherungen noch gar nicht mit drin“, sagt Neukirchen. Dazu komme die Miete der Räume.
Die einzige Stellschraube, um die Kosten für den Führerschein zu senken, liege aus seiner Sicht bei den Fahrschülerinnen und Fahrschülern selbst. „Wenn jemand schon auf dem Hof Traktor fahren gelernt hat, kommt der meist auch mit dem Auto gut klar. Dann sehe ich auch zu, dass der schnell fertig wird“, sagt Neukirchen. Doch bei vielen dauere es gar zwei bis drei Jahre, bis sie ihren Führerschein in den Händen hielten. „Je nach Motivation“, so der 50-Jährige.
Gerade in ländlichen Gegenden wie Neunkirchen-Seelscheid und Much sei der Führerschein immer noch sehr beliebt. „Besonders den Motorrad-Führerschein mit 16 machen viele. Anders ist man auf dem Dorf kaum mobil.“ Jedoch brächten Führerschein-Anwärterinnen und -Anwärter immer weniger Wissen mit.
„Die Durchfallquote bei der theoretischen Prüfung ist gestiegen, das wirkt sich auch auf die Fahrstunden aus – und so dauert es länger“, sagt Neukirchen. Die Theorie-Lektionen hätten sich deshalb verändert: Weniger Frontalunterricht, mehr Gruppenarbeit, Lernzielkontrollen, sogar Hausaufgaben würden vom Gesetzgeber diskutiert.

Michael Kobel von der Fahrschule Kobel in Buisdorf macht vor allem den Personalmangel für den Preisanstieg verantwortlich.
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Zugleich seien Fahrschülerinnen und Fahrschüler nervöser als früher, nicht nur vor der Prüfung. „Es herrscht mehr Verkehr auf den Straßen, die Autos werden größer. Wir fahren deswegen auch von hier in städtische Gebiete, sogar nach Köln, damit sich die Fahrschüler an den Innenstadtverkehr gewöhnen.“
Dabei helfe der Fahrsimulator, bei dem Neukirchen lange überlegte, ob er ihn anschaffen solle. „Dabei ging es gar nicht mal so sehr um den Kaufpreis. Ich hatte Bauchschmerzen, ob er den Fahrschülern etwas bringt.“ Mittlerweile ist er von dem Gerät überzeugt, zu Bürozeiten ist der Simulator ununterbrochen besetzt.
Üben im Simulator kostet nur etwa die Hälfte
Drei Bildschirme spiegeln das Sichtfeld am Steuer eines Autos wider, der Fahrschüler oder die Fahrschülerin nimmt auf einem Autositz Platz, vor ihm oder ihr ein Lenkrad mit Hebeln für den Blinker. Neben einer Gangschaltung gibt es sogar einen Gurt. Eine Stimme weist den Fahrer oder die Fahrerin auf Fehler hin.
„Der Simulator macht genau das, was auch ein Fahrlehrer macht“, sagt Neukirchen. Das Programm erlaube bestimmte Einstellungen wie den Fokus aufs Lenken oder Rechts-vor-links-Verkehr. Der Vorteil: Eine Dreiviertelstunde im Simulator kostet nur 35 statt 65 Euro. „Im Auto sind dadurch weniger Stunden nötig. Und wenn man sich dort nicht sicher fühlt, kann man immer noch ein paar Stunden am Simulator üben“, sagt Neukirchen. „Es gilt für jeden Fahrschüler den richtigen Schlüssel zu finden, man muss den Kopf erreichen.“
Sankt Augustiner zahlt „Kopfgeld“ für gute Lehrer
Einen Fahrsimulator gibt es in der Fahrschule Kobel in Sankt Augustin-Buisdorf nicht. Bei Inhaber Michael Kobel kostet die Fahrstunde 70 Euro, Sonderfahrten etwas mehr. Der 60-Jährige macht vor allem den Personalmangel für den Preisanstieg verantwortlich.
„Vor zehn Jahren habe ich den Fahrlehrern noch 11,50 Euro für eine Fahrstunde zahlen können, heute sind es eher 21 bis 22 Euro“, sagt er. Die Fahrschulen würden sich gegenseitig Lehrpersonal abwerben. „Ich zahle ein Kopfgeld auf gute Fahrlehrer“, sagt Kobel über Ablöseprämien. Die hohen Kosten, das „Drumherum“, belaste natürlich auch ihn. Er ist seit 34 Jahren Fahrlehrer, führt das Geschäft in dritter Generation.
Wir müssen den Fahrschülern mehr beibringen
„Wir müssen den Fahrschülern mehr beibringen, weil sie zum Beispiel auch einen Spurhalteassistent oder die Geschwindigkeitsregelanlage bedienen können müssen. Dadurch wird auch die Prüfungszeit länger.“ Allerdings, meint er, sei der Führerschein im Verhältnis zum relativen Einkommen junger Leute gar nicht teurer geworden.
„Mein Sohn macht eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, der bekommt auch mehr, als er vor zehn Jahren bekommen hätte. Ein Führerschein kostet heute um die 3000 Euro, das sind drei Monatsgehälter für Auszubildende“. Andere Dinge seien im gleichen Zeitraum viel teurer geworden, argumentiert Kobel. „Und wenn Sie einen Handwerker bestellen, berechnet der Ihnen die Anfahrt mit. Wir verdienen es, dass unsere Arbeit ihr Geld wert ist.“