Am 20. August wurde Christine Harich aus Eischeid 100 Jahre alt. Sie hat sechs Kinder, 15 Enkelkinder und 21 Urenkel.
21 UrenkelNeunkirchen-Seelscheiderin meistert ihr Leben mit 100 Jahren selbstständig
„Ich hätte nie gedacht, dass ich so alt werde“, sagt Christine Harich. Die 99-Jährige sitzt einen Tag vor ihrem 100. Geburtstag im Dörfchen Eischeid in ihrer Küche auf ihrem Lieblingsplatz.
Die Neunkirchen-Seelscheiderin lebt überwiegend autark und versorgt sich selbstständig. Eine Großnichte betreut sie dreimal in der Woche für ein paar Stunden, geht mit ihr gemeinsam einkaufen und macht andere Erledigungen oder liest auch immer noch gern mit ihr die Tageszeitung.
Christine Harich ist mit ihrem 100. Geburtstag die fünfte Einwohnerin der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid, die 100 Jahre alt oder älter ist. Es sind vier Frauen und ein Mann. Die älteste Bewohnerin ist eine 104-Jährige.
Enkelin schenkt ihr eine Spritztour mit dem Opel, den Christine Harich noch mit 97Jahren fuhr
Seit einem Schlaganfall vor drei Jahren kommt zumindest morgens und abends der Pflegedienst. Doch der Rollator verstaubt ungenutzt in der Ecke.
Der Rummel um ihren Geburtstag scheint ihr fast schon etwas zu viel zu sein. Aber eine schicke Bluse fürs Foto zieht sie sich dann doch an. Und am Dienstag, 20. August, werden viele der sechs Kinder, 15 Enkelkinder und 21 Urenkel zum Gratulieren vorbeikommen. „Ich lass' mich mal überraschen“, antwortet Christine Harich auf die Frage, was denn alles am Jubeltag passieren werde.
„Wir werden gemeinsam mit allen meinen Geschwistern frühstücken. Dann kommen ein paar offizielle Gäste, und am Abend hat sich der Quartett-Verein Eischeid angekündigt“, verrät ihr jüngster Sohn Bruno Harich.
Und noch ein besonderes Geschenk wird es für Christine Harich in naher Zukunft geben:. Ihre Enkelin wird mit ihr in ihrem ehemaligen Auto eine Spritztour machen. „Wir sind immer Opel gefahren“, verrät die rüstige Seniorin, die in ihren Leben leidenschaftlich gern Auto gefahren ist.
Mit ihrem Mann baute sie einen Steinmetzbetrieb in Eischeid auf
Erst nach dem Schlaganfall vor drei Jahren gab sie im Alter von 97 Jahren das Autofahren auf. Seine Mutter habe bis vor drei Jahren immer die beiden Schwestern in Sankt Augustin besucht, „wenn die sich länger nicht gemeldet hatten“, sagt Bruno Harich.
Als geborene Krill erblickte Christine Harich am 20. August 1924 als das erste von vier Kindern in Hülscheid das Licht der Welt. Als sie sechs Jahre alt war, zog die Familie ins benachbarte Eischeid. Ihr Vater war von Beruf Zimmermann und bewirtschaftete nebenbei einen kleinen Bauernhof.
Die Zeit des Zweiten Weltkriegs habe für die Familie und Christine Harich Not und Entbehrungen bedeutet, und das seien bis heute noch fester Bestandteil ihrer Erinnerungen, betont ihr Sohn Bruno Harich. „Sie erzählt heute noch viel davon.“
Ihr zukünftiger Ehemann Alois versteckte Liebesbotschaften für sie in der Milchkanne
1948 lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Alois Harich auf einer Tanzveranstaltung in Eischeid kennen. Der gelernte Steinmetz hatte in der 6. Armee in Stalingrad gedient und war gerade aus russischer Gefangenschaft entlassen worden.
Die junge Tanzpartnerin ging ihm, der bei einem Bauern im benachbarten Höfferhof arbeitete, nicht mehr aus dem Kopf. Er erfuhr, dass ihre Eltern einen kleinen Bauernhof mit ein paar Milchkühen hatten. Schnell fand er die Nummern der Milchkannen heraus und versteckte in den von der Molkerei zurückgebrachten leeren Kannen in den Deckeln kleine Nachrichten für seine Angebetete.
Nach vielen Sendungen der sogenannten „Kannenpost“ kamen die beiden zusammen und heirateten schließlich im Jahr 1949. Im Jahr 1958 gründeten die beiden ihren Steinmetzbetrieb, den heute der Sohn Bruno Harich führt. „Sie hat meinem Vater immer den Rücken frei gehalten und nebenbei sechs Kinder groß gezogen“, ergänzt der 57-Jährige.
Sie habe die Büroarbeiten gemacht, und abends und nachts war die Wäsche an der Reihe. An Urlaub war nie zu denken. Erst als alle Kinder aus dem Haus waren, ging es jeden Sommer für zwei Wochen an die Nordsee.
Bis vor einigen Jahren arbeiteten Mutter und Sohn noch gemeinsam im Gemüsegarten
Seine Geschwister sind alle älter. Er sei der Nachzügler und um „den 50. Geburtstag seines Vaters entstanden“, witzelt er. Er habe eine besondere Beziehung zu seiner Mutter und habe dem Vater bei dessen Tod 2001 im Alter von 84 Jahren versprochen, sich um sie zu kümmern, was er bis heute gern und mit viel Liebe macht.
„Ich schaue oft nach ihr, und am Sonntag bringe ich ihr die Brötchen“, berichtet Bruno Harich. Bis vor einigen Jahren habe er auch gemeinsam mit ihr im Gemüsegarten gearbeitet. Er lobt die Bescheidenheit seiner Mutter und ihre Toleranz.
Als es 2015 die Flüchtlingskrise gab, wohnte ein Jahr lang ein 17-Jähriger aus Afghanistan bei den Harichs. Die Mutter habe volles Verständnis dafür gehabt und damals gesagt: „Dein Vater war auch ein Geflüchteter, den nach dem Krieg niemand aufnehmen wollte. Ich habe mich damals gegen den Willen meiner Eltern für ihn entschieden.“