Ein Café in Ruppichteroth? Julia Major, die einst im Grandhotel lernte, hat den Schritt nicht bereut: „Das Ländliche wird unterschätzt.“
Gelernt im GrandhotelJulia Major erprobt in ihrem Ruppichterother Café eigene Rezepte
Links geht's zur Post, geradeaus zur Versicherung - und rechts lockt Julie's Café: Der gemeinsame gläserne Eingang erleichterte Julia Majors Schritt in die Selbständigkeit. Dazu kommt die Lage an der gut frequentierten Brölstraße. Knapp fünf Monate nach Eröffnung ist für die 44-Jährige klar: „Hier werde ich gesehen, ich bin am richtigen Ort.“
Die Gastronomin aus Ruppichteroth hat ein Händchen für Inneneinrichtung und Deko
Die Gastronomin hat ihren Beruf von der Pieke auf gelernt. War seit ihrer Ausbildung im Grandhotel ab 1996 fast durchgehend in der Branche tätig, zuletzt wegen der Kinder in Teilzeit. In Köln geboren, blieb sie in der Region, wohnte in Bad Honnef und in Lohmar, zog dann der Liebe wegen nach Ruppichteroth. Und hat es nie bereut: „Das Ländliche wird unterschätzt.“
Zufällig hatte die zweifache Mutter von den Plänen der Provinzial-Versicherung gehört, in dem Ladenlokal im Erdgeschoss ein Café anzusiedeln. Julia Major war Feuer und Flamme, schon im ersten Gespräch im November habe die Chemie gestimmt, das Risiko erschien ihr aufgrund der fairen Konditionen überschaubar, trotz der Krisenzeiten. Die Servietten mit Provinzial-Logo weisen auf die Kooperation hin, einen Vertrag kriege hier aber niemand aufgeschwatzt, versichert Major.
Lebens- und Berufserfahrung plus Leidenschaft
Ihre Lebens- und Berufserfahrung plus ihre Leidenschaft für Genuss - das könnte klappen, sagt sie sich, außerdem: „Die ganze Familie steht hinter mir.“ Ihr Händchen für Innenarchitektur und Deko war Gold wert: Die Möbel, Stühle, Tische, Regale, erwarb sie günstig secondhand, strich sie eigenhändig in Pastellfarben, den Büffettschrank in Rosa.
Das wichtigste Einrichtungsstück hat verborgene Qualitäten: Die Theke, entworfen von der Inhaberin und angefertigt von Maro Küchen nebenan, ist zugleich die Küche; hier werden Kuchen und Cookies gebacken, Rührei und Sandwiches zubereitet. An diesem Vormittag mitten in der Woche brummt das Frühstücksgeschäft, nicht ungewöhnlich, sagt Major. „Dienstag und Donnerstag sind die stärksten Tage, aber wenn es jetzt kühler wird, ist es auch nachmittags voller.“
Zum Start stand sie noch allein im Laden. „Dass ich das dauerhaft schaffen kann, war wohl etwas naiv gedacht“. Sie stellte schnell drei Mini-Jobberinnen ein, stockte kurze Zeit später auf sechs auf. Personalmangel ist hier kein Problem, weitere Interessentinnen stehen auf der Warteliste.
Den Einkauf und weiteren Bürokram erledigt die Chefin zwischendurch, klappt an einem Cafétisch ihren Laptop auf. „Abends auf dem Sofa entwickele ich neue Rezepte“, eigene Kreationen sind zum Beispiel das Bananenbrot, der Schoko-Kirsch- und der Käsekuchen.
Inhaberin des Ruppichterother Cafés lobt Gäste und Gemeinde
Als das erwartete Sommerloch ausblieb, gönnte sie sich nach drei Monaten zehn Tage Urlaub und machte dicht. Mittwochs hat sie Ruhetag, Zeit auch zum Shoppen und zum Caféhausbesuch. Beruf und Familie ließen sich vereinbaren, sagt sie, die Kinder, 12 und 15 Jahre alt, seien ja keine Babys mehr und würden die Freiräume genießen. „Und um 17 Uhr ist ja Feierabend, ich wohne nur zwei Autominuten entfernt.“
Der Kaffeeduft, die Torten in den Auslagen wecken ihre Sinne, das Geklapper der Teelöffel, der Gabeln und Messer, sei Musik in ihren Ohren. Dazu komme der Zuspruch der Kunden: „Ich bin schon zehn Zentimeter gewachsen.“ Unterstützung habe sie auch von den Behörden, vor allem von der Gemeinde und vom Bürgermeister, erfahren. „Das ging alles sehr schnell und unkompliziert.“
Die Ruppichterotherin bietet ganz bewusst Produkte aus der Region an
Ganz gezielt biete sie Produkte aus der Region an: Honig-Eistee eines Hennefer Jungunternehmers, Säfte aus Nümbrecht, Süßes von einer Törtchenmacherin aus dem Nachbarort. Der Kaffee, eine hochwertige Röstung, komme aus einer Privatrösterei in Waldbronn im Schwarzwald.
In den Regalen liegen Geschenkartikel, Produkte der Horbacher Mühle, selbstgebackene Hundekekse; Majors Familienhund Poldi ist ab und an auch zu Besuch, ein Golden Doodle, Fellfarbe: Latte Macchiato, kein Witz. Julie's Honig hat der Gatte geimkert. Der Flugzeugmechaniker kümmert sich um die Technik im Laden, Prunkstück: eine glänzende Profi-Kaffeemaschine.
Julia Major betont den Zusammenhalt im Ort, das habe sie wohltuend schon ganz am Anfang erlebt. Aus einem der zwei Hortensientöpfe am Eingang hatte jemand die Pflanzen herausgerissen, am hellichten Tag. Nach ihrem Post in den sozialen Medien schenkte ihr der Blumenhof Eymold neue. Die Nachricht hatte offenbar auch andere bewegt: „Viele Gäste überreichten mir zur Eröffnung einen Blumenhof-Gutschein.“
Julie's Café, Brölstraße 10, werktags von 9 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 17 Uhr, Mittwoch Ruhetag.