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Landgericht BonnAngeklagter schweigt im Prozess um abgetrennten Kopf

Lesezeit 3 Minuten
Ein Angeklagter sitzt neben seiner Verteidigerin im Gerichtssaal. Er trägt eine Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen.

Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin beim Prozessauftakt am Montag am Landgericht in Bonn

Passanten machten im Juni 2022 in Bonn einen grausamen Fund: Vor dem Eingang des Landgerichts lag ein Kopf. In demselben Gebäude beginnt nun der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter – wegen Störung der Totenruhe.

Die Frau ist immer noch geschockt: Am Dienstag, 28. Juni dieses Jahres, hatte sie vor dem Bonner Landgericht den abgetrennten Kopf einer Leiche gefunden. Und heute, fast ein halbes Jahr später, lässt sie das grausige Bild nicht los.

Die 44-Jährige war an jenem warmen Sommertag mit ihrem Sohn nach einem Arztbesuch auf dem Heimweg, als der 16-Jährige in der Wilhelmstraße seiner Mutter zurief: „Mama, Mama, da liegt ein Kopf.“ Sie glaubte ihm nicht: „Damit macht man keinen Spaß“, erwiderte sie und wollte weitergehen. Aber dann sah sie, dass der Junge Recht hatte. „Danach war ich fix und fertig“.

Abgetrennter Kopf vor dem Landgericht Bonn: 39-Jähriger wegen Störung der Totenruhe angeklagt

Mutter und Sohn wurden am Montag als Zeugen in einem spektakulären Prozess vor der 11. Großen Strafkammer des Landgerichts gehört, vor dessen Tür das Leichenteil abgelegt worden war.

Ein Polizist vor einem Sichtschutz.

Vor dem Gerichtsgebäude in Bonn wurde im Juni ein abgetrennter menschlicher Kopf gefunden.

Wegen Störung der Totenruhe ist ein 39-jähriger Obdachloser angeklagt, der nach den Ermittlungen der Polizei den Kopf vom Körper seines an einer Krankheit verstorbenen Kumpels (44) abgeschnitten und in einer großen Tasche vom Alten Zoll durch die Innenstadt bis zur Wilhelmstraße 21 getragen, dort ausgepackt und vor dem Portal des Gerichtsgebäudes deponiert hatte.

Danach nahm er die Einkaufstüte, ging auf die andere Straßenseite, setzte sich dort auf die Treppenstufen eines Hauseingangs, stützte sein Kinn auf seine Hände und schaute auf die Reste eines menschlichen Körpers. „Es sah aus, als lächele er oder führe Selbstgespräche“, berichtete eine weitere Zeugin (39). Sie kam von der Arbeit, sah „was Komisches“ vor dem Gerichtsgebäude, dachte an eine Puppe, die aber ein echter Kopf war, „und dann konnte ich nicht mehr laufen und musste mich hinsetzen“.

Angeklagter äußert sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen

Inzwischen hatten andere Passanten die Polizei alarmiert, die gegen 17.50 Uhr eintraf. Als die beiden Polizeikommissare aus dem Streifenwagen stiegen, trat der Obdachlose mit der leeren Tasche in der Hand aus dem Hauseingang und kam auf die Beamten zu: „Ich habe den Kopf dort abgelegt“, erklärte er.

Das Einsatzprotokoll vermerkt weiter, dass ihm sofort Handschellen angelegt worden seien. An Kleidung und Haut entdeckten die Polizisten keine Blutspuren, wohl aber einen kleinen dunklen Fleck auf seinem rechten Schlappen.

Diese offenen Sandalen hatte der Mann auch am Montag an, als er in den Saal S 0.11 geführt wurde. Dazu trug er braune Socken, eine abgewetzte kurze Hose, ein dünnes, graues T-Shirt und eine blaue Baseballkappe, die sein Gesicht ebenso verschattete wie der dunkle Bart.

Als er die Mütze abnahm, wurde die Halbglatze sichtbar. Zu den Anklagevorwürfen wollte er auch zu Prozessbeginn nichts sagen, er werde sich schweigend verteidigen, so seine Anwältin Anna Carlius. Viel ist über den gebürtigen Marokkaner nicht bekannt.

Angeklagter freundete sich am „Alten Zoll“ in Bonn mit Obdachlosem an

In den Akten von Polizei und Justiz wird er unter mehreren Aliasnamen und mit verschiedenen Geburtstagen geführt. Er wurde 1983 in Casablanca geboren, wuchs in einer Wellblechhütte bei seiner Stiefmutter auf, haute bald ab und lebte fortan auf der Straße, schnüffelte Klebestoffe und Verdünnungsmittel, bis er an harte Drogen kam.

Mit 12 Jahren wanderte er nach Spanien, mit 14 nach Frankreich, anderthalb Jahre später wurde er in Hürth wegen illegaler Einreise festgenommen. Es folgte ein kurzer Heimaufenthalt, danach landete er wieder auf der Straße.

Irgendwann führte ihn sein Weg zum Alten Zoll nach Bonn, wo der Angeklagte sich vor ein oder zwei Jahren mit einem anderen Obdachlosen anfreundete. Die beiden bildeten „eine Zweckgemeinschaft, damit keiner allein ist“, sagte einer der Wirte (41) des Biergartens, in dessen Nähe die beiden lagerten. Er kannte den 44-jährigen Nichtsesshaften, der im Juni an einer schweren Krankheit starb, seit über fünf Jahren. Den Jüngeren – nunmehr angeklagt – seit dem letzten Sommer. Die zwei campierten nachts unweit eines Schuppens, tagsüber gingen sie manchmal rüber in den Hofgarten, berichtete der Wirt.