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Debatte um „Tausendfüßler“Stadt Bonn soll Einspruch gegen den Neubau einlegen

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Der Tausendfüßler (hier in Verlängerung der Bonner Nordbrücke) soll ab 2021 abgerissen und neugebaut werden. Strittig ist vorerst weiter, ob zugleich ein Radschnellweg parallel zur A 565 geschaffen wird.

  1. Streitpunkt ist unter anderem ein Radschnellweg vom linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis nach Bonn, der beiderseits des Tausendfüßlers verlaufen soll.
  2. Viele Alternativ-Vorschläge richteten sich dem Wohl der Radfahrer entgegen.
  3. Doch das Hauptproblem scheinen nicht die Autofahrer in der City zu sein.

Bonn – Die Forderungen an die Stadt Bonn, im Planfeststellungsverfahren für den Neubau des sogenannten Tausendfüßlers Einspruch zu erheben, werden lauter. Es sollte Ende vergangenen Jahres starten, verzögert sich aber. Dabei können Anlieger Einwände gegen das Vorhaben einbringen, die aufgeständerte Autobahn 565 zwischen dem Autobahnkreuz Bonn-Nord und dem Endenicher Ei von 2021 bis 2027 nach und nach abzureißen und den 630 Meter langen Neubau dann auf sechs Spuren zu erweitern.

Streitpunkt ist unter anderem ein Radschnellweg vom linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis nach Bonn, der beiderseits des Tausendfüßlers verlaufen soll. Die Landesregierung lehnt ihn ab und verweist auf räumliche Probleme. Stattdessen sollte der Radweg durch Bonn führen, eine Trasse ist aber noch nicht gefunden. Die Ratsfraktion der Linken hat daher jetzt beantragt, der Stadtrat möge an seiner Forderung festhalten, bei der Sanierung des Tausendfüßlers einen Radschnellweg zu realisieren und dafür auf eine Autospur links und rechts der Trasse zu verzichten.

Diskussion bei der Volkshochschule

Das Projekt kam auch in einer Veranstaltung der Volkshochschule Bonn zur Sprache, in der Dr. Karl-Heinz Rochlitz vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Professor Dr. Stephan Wimmers, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, über das Thema „Der Einzelhandel und das Auto“ diskutierten. Rochlitz sagte, die Stadt solle Einspruch gegen den Tausendfüßler erheben, „wenn sie so klimafreundlich sein will, wie sie angekündigt hat“.

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Der VCD-Vertreter spielte dabei auf den Klimanotstand an, den der Stadtrat im vergangenen Jahr symbolisch ausgerufen hatte. Auch VCD-Mitglied Bernard Meier, bis Ende 2019 stellvertretender Sprecher des NRW-Verkehrsministeriums, rief Bonn zur Klage gegen das Großprojekt auf. Er brachte sogar eine Doppelstockbrücke ins Gespräch: unten Radler, oben Autos.

Ärger über überraschenden Beschluss des Stadtrats

Am Auto schieden sich an diesem Abend im Haus der Bildung die Geister. Wimmers sagte, er habe sich geärgert über den überraschenden Beschluss des Stadtrats, den Cityring zu kappen. Denn an dieser innerstädtischen Straßenverbindung lägen die Parkgaragen, die Autofahrer nacheinander erreichen könnten. Bereits nach der Sperrung der Maximilianstraße wegen der Bauarbeiten für das Maximiliancenter (Primark) und Urban Soul hätten 93 Prozent der von der Kammer befragten 39 Einzelhändler über Umsatzeinbußen geklagt, sie fänden eine Unterbrechung des Cityrings „nicht gut“. Wimmers kündigte eine neue Umfrage nach dem 31. März an, wenn die nun beschlossene Verkehrsführung in Kraft tritt.

VCD-Sprecher Rochlitz plädierte für ein Radverkehrsnetz auch mit eigenen Rheinbrücken für Radler, mehr Abstellmöglichkeiten für die Drahtesel. Sein Vorschlag: Autos „auf ein vernünftiges Maß“ begrenzen, dafür mehr Freiraum für Fußgänger und Radler. Denn die, das hatte wenige Tage zuvor an gleicher Stelle der Mobilitäts- und Regionalforscher Robert Follmer vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft dargelegt, zeichneten sich in Bonn durch mittleres und hohes Einkommen aus, seien mithin die gewünschten Kunden des inhabergeführten Einzelhandels.

Pendler seien das Hauptproblem

Das Hauptproblem, so war weiteren Wortbeiträgen zu entnehmen, scheinen nicht die Autofahrer in der City zu sein, sondern die Pendler, die in die Stadt kommen. Kaufmann Robert van Dorp sagte, jeden Tag führen 140 000 Pendler durch Bonn, 100 000 davon seien Einpendler, in den Spitzenzeiten morgens und abends seien 25 000 Pendler stündlich unterwegs. Wimmers ergänzte, für sie fehlten Parkplätze am Stadtrand. „Was passiert in dieser Richtung? Nichts! Wir haben diese Entwicklung alle verschlafen.“

Ein kostenloser Nahverkehr rechne sich nur, wenn es komfortable Busse und Bahnen gebe. Der IHK-Geschäftsführer: „Schauen Sie sich mal das Material an, mit dem wir hier fahren.“ Auch infas-Experte Follmer hatte mehr Qualität im ÖPNV gefordert. Noch würden 41 Prozent der Wege in Bonn mit dem Auto zurückgelegt, stattdessen sollte das Zufußgehen wiederentdeckt werden. Sein Zukunftsszenario: autofreie Innenstadt statt Parkgaragen, Tunnel statt Tausendfüßler.