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Bonner Beethoven-StatueLola Montez tanzte zur Einweihung auf den Tischen

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1845 wurde die Statue in Bonn eingeweiht.

  1. Das erste Bonner Beethovenfest im August 1845 war in Vorbereitung und Ausführung ein Reigen von Peinlichkeiten, Skandalen und chaotischen Begleitumständen.
  2. Zum Fest wurde auch die Beethoven-Statue auf dem Münsterplatz eingeweiht.
  3. Wir publizieren zu den haarsträubenden Begebenheiten, die in einem tumultuösen Festabend mündeten, einen Text des Kollegen Günther Beyer, der am 21. September 2001 in dieser Zeitung erschien.

Bonn – Hat einer vermutet, das erste Beethovenfest mitsamt der Enthüllung der Statue des Meisters auf dem Münsterplatz am 12. August des Jahres 1845 müsse wohl insgesamt eine eher matte Gedenk-Veranstaltung gewesen sein? Mit hochnäsigen Auftritten ihrer Majestäten Friedrich Wilhelm IV., Queen Victoria und Prinz Albert beim Festgottesdienst in der Basilika, inklusive weihevollen wie langweiligen Beethoven-Adorationen und Konzerten zum Gähnen?

Wer sollte das denken, der weiß, dass sich inmitten der versammelten Hochwürden-Träger auch eine gewisse Maria Dolores Gilbert getummelt hat, die sich damals aber schon Lola Montez nannte, Tänzerin war im begehrenswerten Alter von 27 Jahren, und recht selbstbewusst als Mätresse Ludwigs I. von Bayern auftrat? Wenn dann noch der ebenfalls wenig fromme und zum Eitel neigende Franz Liszt mit reger Unterstützung seiner Geliebten, der Gräfin D'Agoult, den Gastgeber macht, dann muss bedingungslos von einem fröhlichen Chaos ausgegangen werden, das sich da zu Ehren des Komponisten aus der Bonngasse zugetragen hat.

So brach denn im „Stern“ am Markt am Abend des 13. August – man kann es nicht anders sagen – die Hölle los. Ein opulentes Mahl sollte das erste Bonner Beethovenfest krönen, das Franz Liszt in Szene gesetzt hatte. Vom Komponisten-Kollegen Hector Berlioz bis hin zu Lola Montez war zum festlichen Schmaus so ziemlich alles erschienen, was guten bis anrüchigen Namen trug. Liszt war begeistert.

Lola Montez raffte die Röcke

Euphorisch setzte der Komponist und Klavier-Virtuose zu einem launigen Toast auf die an der Tafel versammelten Nationen an – und erwähnte nicht gleich auch die französischen Gäste um Berlioz. Die riefen sich prompt lautstark in Erinnerung („hier sind auch Franzosen“) und machten kräftig Randale. Wenn hier denn schon was los ist, glaubte offensichtlich Lola Montez, dann auch richtig.

Ihre Röcke gerafft, hüpfte sie über Tische und Bänke. Ergebnis: Ein riesen Tumult, die Damen der Gesellschaft sagen Adieu und machen sich fluchtartig aus dem Staube. Danach übrigens auch Franz Liszt, der Beethovens Geburtsstadt fürderhin abschwört.

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Die Tänzerin Lola Montez (1821 bis 1861)

Dabei hat Bonn diesem eben nicht nur das am Samstag (das Beethovenfest 2001 begann am 22. September 2001, Red.) erneut startende und nun „Internationale Beethovenfeste“ genannte Festival zu danken, sondern ebenso eines der markantesten Wahrzeichen der Stadt: das Beethovendenkmal auf dem Münsterplatz.

Die knausrige Stadt wollte keinen Taler zahlen

Ursächlich ist gemeine Knausrigkeit der Stadt, die nicht bereit war, zur Weihe ihres großen Sohnes auch nur einen müden Taler locker zu machen. Es musste ein Bürgerkomitee zur Finanzierung des Monumentes her, dessen Vorsitz kein Geringerer übernahm, als der Universitäts-Professor August Wilhelm von Schlegel. Man schrieb das Jahr 1835.

Der von der betuchten Beethoven-Gemeinde angemahnte Taler rollte freilich nur mäßig herein, so dass Schlegel vier Jahre später frustriert das Handtuch warf. Der Musikprofessor Karl Heinrich von Breidenstein nahm sich des unseligen Projektes Beethovendenkmal an und verfasste einen letzten, bitteren Aufruf an die Musikwelt. Franz Liszt kam. Und packte sein Portemonnaie aus. Die fehlenden Mittel, bot er generös an, zahle er aus eigener Tasche.

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Aber anstatt dem Komponisten die Füße zu küssen, zog sich das Komitee in den Schmollwinkel zurück - die Offerte erschien den glücklosen Geldeintreibern peinlich. Erst beim Picknick in Bad Godesberg gelang es Liszt, den Herren einen Scheck über 10 000 Franc – etwa 2500 Taler – in die Hände zudrücken. Der Dresdner Bildhauer Ernst Hähnel wurde mit der Ausführung des Denkmals beauftragt.

Die dauerte. Im August 1843 sollte der bronzene Beethoven eigentlich schon stehen, zwei Jahre länger jedoch werkelte der Meister wegen dauernder Änderungswünsche am Standbild herum. Erst am 23. Juli 1845 erschien die heutige Gestalt per Schiff am Rheinufer. Und die Stadt war außer Rand und Band. Nicht wegen des endlichen Einzugs des Monumentes. Sondern weil das zur feierlichen Enthüllung angesagte Beethovenfest organisatorisch in sich zusammenzubrechen drohte.

Liszt hatte zwei Monate Zeit für die Organisation

Liszt hatte gerade neun Wochen Zeit gehabt, Solisten, Chöre und Orchester zu bestellen - ein Kraftakt sonders gleichen, der ihm hierorts mit Neid und Hader vergolten wurde. Plötzlich kam auf, das Beethovenfest diene ja letztendlich nur der Mehrung seines, Liszts, Ruhmes. Das Gerede mündete schließlich in der Behauptung, Liszt habe überhaupt keine Kompetenz zur Leitung von Konzerten. Man weigerte sich sogar, Notenmaterial für Aufführungen beim Beethovenfest herauszurücken.

Universitäts-Honoratioren hintertrieben das Beethoven-Fest

Es kam noch härter: Franz Liszt musste entsetzt vernehmen, dass der ursprünglich als Konzertraum vorgesehene Bibliothekssaal der Universität, der 1100 Personen gefasst hätte, von „höheren Orts“ gesperrt worden war. Stattdessen sollte – völlig sinnfrei – die Militärreitbahn genutzt werden.

Es wollte sich bei Liszt schon Endzeitstimmung einstellen, da klopften wie aus heiterem Himmel 14 Bonner Handwerker an. Ihr unglaubliches Angebot: Sie könnten binnen elf Tagen – zwischen dem 27. Juli und dem 7. August – eine Halle für zwei- bis dreitausend Menschen zimmern. Liszt zahlte mal wieder. Die wackeren Handwerksleut' schafften das Titanenwerk: die allererste Beethoven-Halle. Als Liszt ging, ging es auch schnell an den Abriss.

„Ei, der kehrt uns ja den Rücken zu!“

Dann also der 12. August 1845: der Tag der Enthüllung des Beethoven-Monumentes in Gegenwart König Friedrichs Wilhelms IV und der englischen Königin Victoria. Die Monarchen hatten auf dem Balkon des Palais' Fürstenberg – der heutigen Hauptpost – Platz genommen. Die Hülle fiel, „und die hohen Herrschaften sahen auf die dicken Falten des schweren Mantels und auf die struppigen Haare“, verzeichnet die Chronik, die – weiter den Preußenkönig zitiert: „Ei, der kehrt uns ja den Rücken zu!“

Woraufhin der in der Nähe postierte Alexander von Humboldt ebenso trocken wie zutreffend feststellt: „Ja, er ist auch schon in seinem Leben immer ein grober Kerl gewesen.“ Ein Sohn seiner Heimat eben. Denn als für das Jahr 1871 das Beethovenfest anlässlich des 100. Geburtstages Ludwig van Beethovens angesetzt wurde (wegen des Krieges mit Frankreich um ein Jahr verspätet), dachten die Stadtväter nicht im entferntesten daran, Franz Liszt einzuladen.