75 Jahre Pilzkopf bis DauerwelleFrisör Sundermann aus Bonn geht mit fast 90 in Rente
Bonn – Pilzköpfe wie bei den Beatles, Dauerwellen und Charleston-Frisuren – Helmut Sundermann beherrscht sie allesamt. Der Friseurmeister aus Bonn kümmert sich seit 1944 um die Haarpracht seiner Kunden. Am Monatsende endet eine Ära, dann schließt der 89-Jährige sein Geschäft.
Eigentlich hätte Sundermann noch gern weitergemacht, doch das Haus am Bertha-von-Suttner-Platz 23 wird verkauft, seinen in der Region bekannten Salon kann er nicht mehr weiterführen: „Das Aufhören fällt mir schwer. Ich hätte gern selbst bestimmt, wann Schluss ist“, sagt er mit Tränen in den Augen. Er ist ein Haarstylist durch und durch. Fast 80 Lehrlinge bildete er aus, 20 Praktikanten durften bei ihm hineinschnuppern – so wie die 45-Jährige aus Syrien, die derzeit noch bei ihm tätig ist. Hinter einem erfolgreichen Geschäftsmann steht eine starke Frau: „Meine Gattin Brunhilde war für die Kosmetik und Fußpflege verantwortlich. Sie ist eine wichtige Partnerin, ohne die ich den Salon nicht so lange hätte führen können.“
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Sundermanns Onkel ging während des Zweiten Weltkriegs von Haus zu Haus und schnitt als ungelernte Kraft die Haare. Das brachte den Vater auf die Idee, den jungen Helmut als Friseur ausbilden zu lassen: „Er hat gesagt, Kamm und Schere könnte er sich für mich noch leisten.“ So begann 1944 die Karriere in Lemgo, die ihn nach bestandener Prüfung nach Bad Salzuflen führte, wo er im ersten Haus am Platz arbeitete und bald die Meisterschule besuchte, die er am 26. März 1952 abschloss.
Als Besucher der Kirmes in Lengsdorf erhielt Sundermann das Angebot, das Geschäft eines Kollegen zu übernehmen. Es gab Probleme, das Vorhaben scheiterte. Doch der Friseurmeister blieb in Bonn: „Ich habe dann einen alten Hühnerstall zum Salon mit zwei Herren- und fünf Damenstühlen umgebaut“, erinnert sich der 89-Jährige. Nach drei Jahren verdoppelte er bereits. Fünf Jahre später folgte der Umzug an die Hauptstraße. Dort baute er eine Scheune zum Geschäft um, in dem er seinen Bruder Friedel und Schwägerin Irene ausbildete.
21 Beschäftigte im Frisörsalon
15 Jahre hielt es ihn dort, dann übernahm er einen Laden mit bekanntem Namen an der heutigen Friedrichstraße. Nur drei Jahre später, also 1970, ging Sundermann den nächsten Schritt – in die heutigen Räumlichkeiten. Ein Kegelbruder gab ihm den Tipp, dass der Salon frei würde: „Ich musste allerdings 50 000 D-Mark zahlen, die ich aber nicht hatte.“ Es half ein Bankkredit, den ihm natürlich ein Kunde gewährte. Sundermann fuhr zweigleisig, bald tummelten sich 21 Beschäftigte in beiden Salons.
Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, nahmen zahlreiche Politiker seine Dienste in Anspruch. Heidemarie Wieczorek-Zeul zählte zu den Stammkunden, auch in der afghanischen Botschaft war Sundermann tätig: „Dort habe ich eine Kosmetikerin aus dem Königshaus ausgebildet.“ So wie die Prominenten immer wiederkamen, so wiederholten sich auch die Frisuren – und die Fehler, die Menschen mit ihren Haaren machen: „Viele färben sich die Haare selbst und scheitern. Dann kommen sie zum Experten, manche orangefarben wie eine Apfelsine. Andere verbrennen sich die Haare mit einer Dauerwelle“, sagt Brunhilde Sundermann. Wenn die Haare dann abgeschnitten werden müssen, kullert so manche Träne.
Die Empfehlung der Sundermanns: „Lieber direkt zum Fachmann. Wir drängen niemandem etwas auf, sondern sind erst zufrieden, wenn es der Kunde ist.“ Gern erinnert sich Helmut Sundermann an die Lehrerin, die ihren strengen Zopf gegen einen blonden Bob eintauschte – und sich anschließend nicht traute, das Geschäft zu verlassen. Als sie am nächsten Morgen die Klasse betrat, applaudierten die Schüler, und alles war wieder gut. Überhaupt lernte Sundermann viele Kunden näher kennen: „Mit vielen habe ich ,haarige’ Freundschaften“, lautet sein Credo. Sundermann ließ niemals Hektik aufkommen, was vor allem der Pfarrer schätzte, der sich trotz seiner Versetzung an die Lahn seit 50 Jahren nur im „Biosthetik-Friseursalon“ die Haare schneiden lässt.
Am 1. April feierte Sundermann sein 75-jähriges Arbeitsjubiläum. Dass er mit 89 noch so fit ist, verdankt er den morgendlichen Gymnastikübungen, Waldspaziergängen, Gartenarbeit und gesunder Ernährung. Dazu zählt auch mal ein Gläschen Wein nach getaner Arbeit. Am 22. Januar wird er 90 Jahre alt: „Dann schneide ich keine Haare mehr, sondern nur noch die Buchsbäume im Garten.“