Niklas-Prozess in BonnZeugen werden sich nicht einig – kein neuer Tatverdächtiger
Bonn – Mit großer Spannung war der 15. Prozesstag um den Tod des 17-jährigen Schülers Niklas P. erwartet worden. Immerhin war in der vergangenen Woche überraschend eine 19-Jährige Zeugin beim Verteidiger des Hauptangeklagten Walid S. mit einer Sensation aufgeschlagen: Nicht der 21-Jährige habe den entscheidenden Faustschlag und Fußtritt geführt, sondern Ali P. (Name geändert). Der 22-Jährige sei in der Nacht zum 7. Mai 2016 am Tatort gesehen worden, zusammen mit dem Mitangeklagten Roman W. (21), dessen Prozess abgetrennt wurde, sowie einem Dritten, der bislang nicht in den Fokus der Ermittlungen gekommen war. Dieses Wissen habe sie von einem 26-jährigen Augenzeugen, der in dieser Nacht am Tatort war.
Aber die Hoffnung der Richter, die Wahrheit zu finden, war schnell wieder verpufft: Zu „Millionen Prozent“ sei er an diesem Abend nicht am Tatort gewesen, erklärte der 26-Jährige, der am Mittwoch zum zweiten Mal aussagen musste. Er habe nicht gesehen, wie jemand geschlagen habe. Wie schon bei seiner ersten Aussage, betätigte er lediglich, dass er Roman W. und Ali P. gemeinsam in der Nähe des Tatort gesehen habe.
Was die 19-Jährige erzählt habe, sei „Quatsch“, so der Zeuge weiter. Warum sie sich da einmische, habe er sie gefragt. Die 19-Jährige habe ihm entgegnet, wie er das denn fände, wenn er unschuldig auf der Anklagebank sitze. „Ich schwöre Ihnen“, verabschiedete sich der 26-Jährige von den Richtern, „Ich bin ganz auf Ihrer Seite. Ich möchte auch wissen, wer der Täter ist.“
Vertuschen, Vergessen und Verharmlosen
Weitere sechs Zeugen wurden gehört. Sie präsentierten die bereits bekannte Melange aus Vertuschen, Vergessen und Verharmlosen. Eine 22-Jährige bestätigte dennoch: „Ganz Godesberg spricht davon, dass nicht Walid S., sondern Ali P. der Täter war.“ Der Kammervorsitzende Volker Kunkel nicht ohne Ironie: „Das ist ja schön, ganz Bonn spricht davon! Aber keiner im Gerichtssaal.“
Der Auftritt der 19-jährigen Zeugin, die einen mutigen und überzeugenden Eindruck hinterlassen hatte, hat deutlich die Prozess-Fronten verhärtet: Staatsanwalt Florian Geßler, der sein Gesicht zu verlieren droht, falls der Falsche seit zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt, hatte am Montag sämtliche Zeugen, die gestern geladen waren, polizeilich vernehmen lassen. Alle seien nicht bereit gewesen, ihre Aussagen zu korrigieren, referierte Geßler, „obwohl ihnen angeboten wurde, dass auf ein Verfahren wegen Falschaussage verzichtet würde“. Dafür wurde gegen die 19-jährige Zeugin ein entsprechendes Verfahren eingeleitet, sie erneut verhört, eine Hausdurchsuchung veranlasst und ihr Handy beschlagnahmt.
Einen bösen Verdacht äußerte der 26-jährige Zeuge sogar gegen den Verteidiger von Walid S.: Ob er denn die 19-Jährige „auf ihn gehetzt“ habe, wollte der Zeuge wissen. Martin Kretschmer, den mittlerweile gar nichts mehr wundert: Selbst die Polizei gehe davon aus, dass er für die Zeugenaussage bezahlt habe.
Während es im Prozess gegen Walid S. hoch hergeht, wurde im zweiten Niklas-Verfahren gegen Roman W. der 21-jährige Angeklagte aus der Haft entlassen. Den Haftgrund der Verdunklung, also die Gefahr einer Zeugenbeeinflussung, gebe es nicht mehr, hieß es aus dem Gericht.
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