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EuropawahlWie Bonnerinnen und Bonner die Politik der EU beeinflussen können

Lesezeit 4 Minuten

Die Flaggen der Mitgliedsländer der Europäischen Union wehen vor dem Europa-Parlament in Straßburg.

Bonn – So sehr auskunftsfreudig sind die Passanten in der Bonner Fußgängerzone an diesem Vormittag nicht. Viele sind auf dem Weg zur Arbeit, zu einer Verabredung, das Handy am Ohr. Kaum Zeit eben. Doch ein paar Minuten sind schon nötig, um sich an einer – nicht repräsentativen – Umfrage der Rundschau zur Bedeutung der Europawahl zu beteiligen.

Diese Zeit nehmen sich dann doch noch einige Bürger, und dabei stellt sich heraus, dass Europa derzeit durchaus ein Thema ist im Familien- und Freundeskreis. Und: Alle Befragten sind sich mit Blick auf drängende Themen wie Brexit oder Handelskonflikt zwischen den USA und China einig, dass der Gang zur Wahlurne am 26. Mai ein absolutes Muss ist.

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Passanten berichten aus ihrer Sicht

„Nicht wählen zu gehen ist keine Option“, sagt etwa Birgit Ziegner-Pfahl. Die 57-Jährige, die in Sankt Augustin wohnt und in Bonn in einem Lingeriefachgeschäft arbeitet, kann die Diskussionen um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zwar nicht mehr hören.

Stößt an ihre Grenzen durch die ungeheure Informationsflut: Birgit Ziegner-Pfahl (57).

Genau dieses Thema aber ist für sie umso mehr Grund, sich an der Wahl zu beteiligen: „Wir bräuchten viel mehr Einigkeit. Es sind doch derzeit nur drei oder vier Staaten, die Europa ausmachen, Deutschland zum Beispiel oder Frankreich. Wir boykottieren uns selber, das ist wie bei einer Familie mit zehn Kindern – zwei tanzen immer aus der Reihe.“

Einfach findet sie das Thema Europa nicht. Es gebe eine ungeheure Informationsflut, „da stoße ich an meine Grenzen“. Geschockt ist die 57-Jährige übrigens, dass es Menschen mit Behinderung gibt, die nicht wählen dürfen: „Das ist ein Unding, das wusste ich nicht.“

Auch Martina Kißgen, die aus Österreich stammt, aber jetzt in Bonn als Grundschulleiterin tätig ist, hält die Europawahl für wichtig, weil Europa gerade in der heutigen Zeit ein großer Stellenwert zukomme: „Alles zerbricht, und es gibt so viele rechte Lager. Da muss Europa zusammenstehen und gemeinsam kämpfen für Werte wie die Freiheit.“ Die Reisefreiheit zählt die 52-Jährige auch dazu. „Heutzutage ist es unkompliziert, von A nach B zu reisen. Das ist ein großer Wert und erweitert den Horizont.“

Hält den gemeinsamen Kampf für Werte wie Freiheit für wichtig; Martina Kißgen (52).

Das sagt auch Frank Reifers über die Reise- und Arbeitsfreiheit in der Europäischen Union. Der 57 Jahre alte Jurist, der in einem Bonner Ministerium arbeitet, wünscht sich für den 26. Mai eine möglichst große Wahlbeteiligung: „Das wäre ein Signal, dass Europa zusammensteht.“

Wünscht sich große Wahlbeteiligung als Signal pro Europa: Jurist Frank Reifers (57).

Gerade mit Blick auf den Brexit wäre es seiner Meinung nach wichtig, Einigkeit zu demonstrieren – und mit Blick auf die Großmächte. „Eine europäische Meinung wäre eine starke Botschaft gegenüber China und den USA.“ Der Jurist ist sicher, dass Europa es nicht überleben wird, „wenn es sich vereinzeln lässt“. Dabei gebe es doch eine große Gemeinschaft in Europa, das habe ganz aktuell die Hilfsbereitschaft für die ausgebrannte Pariser Kathedrale Notre-Dame gezeigt: „Das ist ein gemeinsames Welterbe.“

Die aktuellen Themen in Politik und Gesellschaft treiben auch junge Leute um. Unter Kommilitonen und Bekannten werde sehr zwiespältig über Europa diskutiert, schildert Tom Hillebrand seine Erfahrungen. Der 26-Jährige wohnt in Köln, studiert aber in Bonn Geschichte und arbeitet im Nebenjob bei der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland an der Godesberger Allee.

Sieht die europäische Idee bröckeln: Geschichtsstudent Tom Hillebrand (26).

Vor zehn Jahren, sagt er, habe jedermann Europa als „gute Sache“ gesehen. Nun aber bröckele diese Idee. Schon in seinem Freundes- und Bekanntenkreis gehen die Meinungen zum Brexit, über die Verteilung von Flüchtlingen oder Finanzspritzen für wirtschaftlich schwache Länder wie Griechenland auseinander, werde darüber gesprochen, ob Europa in seiner jetzigen Form „noch zeitgemäß ist“ und nicht zu viel von Brüssel aus reguliert werde. Andererseits weiß auch Hillebrand die Reisefreiheit, „work and travel“, sehr zu schätzen.

Wie er will auch Friederike Heil (31) am 26. Mai auf jeden Fall wählen gehen. Die aus Leverkusen stammende Lehrerin gibt aber ehrlich zu, sich mit der Europawahl beziehungsweise den damit zusammenhängenden Themen „nicht auseinanderzusetzen“. Ohne Grenzformalitäten in andere europäische Städte reisen zu können, genießt sie dennoch. Und: „Dass es keine Roaminggebühren mehr gibt.“