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Düsenjet stürzte in FabrikFirma Kessko liefert aus Bonn-Beuel Schokolade in 40 Länder

Lesezeit 6 Minuten
Ein Mann arbeitet an Maschinen, die zur Schokoladenherstellung dienen. Er steht links im Bild und trägt weiße Arbeitskleidung. Die Maschinen sind bronzefarben.

Von Bonn-Beuel aus geht Schokolade, Süßwaren, Eis und mehr in die ganze Welt. (Archivbild)

Seit bald 120 Jahren produziert Kessko für die „süße Branche“. Unvergessen bleibt ein Flugzeugabsturz 1955.

Manchmal tritt man in Bonn-Beuel auf die Straße und riecht nicht den Großstadt-Geruch an Abgasen, Asphalt und Regen. Denn hin und wieder tritt man auf die Straße, atmet tief ein und riecht quasi das Gegenteil: Schokolade. Die Beuelerinnen und Beueler wissen dann: Kessler & Comp. hat die Produktion angeworfen. Das als „Kessko“ bekannte Unternehmen existiert bereits seit 1905 und hat bei so ziemlich allen Produkten der „süßen Branche“ die Finger im Spiel.

Kessko produziert laut eigenen Angaben 800 Erzeugnisse für das backende Handwerk (Bäckereien, Konditoreien) sowie für Hotellerie, Gastronomie, Eiscafés, Großverbraucher und Industrie. Der Weg aus Bonn-Beuel von Schokolade, Süßwaren, Eis und mehr führt in knapp 40 Länder der Erde.

So wurde aus dem einstigen Hildener Betrieb ein in vierter Generation geführtes Traditionsunternehmen mit rund 200 Beschäftigten: eine Chronologie.

Kessko: Von Hilden nach Bonn-Beuel

Im Jahre 1905 gründete Gustav Kessler Senior die Firma „Kessler & Comp. Nährmittelwerke“, damals noch in Hilden im Kreis Mettmann. Bereits 1914 besteht das Produktportfolio aus Backpulver, Marzipan, Nuss-Nugat-Massen, Fettglasuren und Sahneständen. Der gelernte Konditor Kessler ist zunächst Kaufmann, Meister und Vertreter zugleich. Holländische Zwiebackcreme oder die Glasurmasse „Kesskolad“ gehören damals zum Angebot.

1917 folgt der Schritt nach Bonn-Beuel – die Firma wird vollständig in die Königswinterer Straße verlegt. Die heute für das Unternehmen maßgeblich entscheidende Vertriebslogistik folgt ein Jahr später durch die ersten Verkaufsberater und -beraterinnen. In einem 1998 eingerichteten, firmeneigenen Museum – das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist – finden sich bis heute fleckige Rezeptbücher der Gründer sowie Maschinen aus den Anfangsjahren.

Eine Frau sortiert Erdnüsse in einer Fabrikhalle von Kessko in Bonn-Beuel. Sie trägt weiße Arbeitskleidung.

Eine Frau sortiert Erdnüsse in einer Fabrikhalle von Kessko. (Archivbild)

Damals wie heute werden in Bonn-Beuel sogenannte Essenzen produziert. Hierbei werden Kräuter in Alkohol eingelegt, damit diese in bis zu zwei Meter hohen Behältnissen ihr Aroma gewinnen können. Zutaten wie Enzian- oder Veilchenwurzel oder Chinarinde, Orangenblüten kommen hier zum Einsatz.

Schon 1930 wird das Firmengelände mitsamt Produktionsanlagen erweitert. Mit Gustav Kessler Junior tritt im Jahre 1942 die zweite Familiengeneration in das Management ein.

Düsenjet stürzt in Schokoladenfabrik in Bonn-Beuel

Ein tragischer Unfall am 26. September 1955 sollte Teil der Unternehmensgeschichte Kesskos werden. Wie Ermittlungen der Polizei später ergaben, waren zwei Düsenjäger des Typs Meteor bei einem nächtlichen Übungsflug in etwa 2000 Metern Höhe südlich von Bonn zusammengeprallt.

Eines der beiden Flugzeuge stürzte in ein Haus in Limperich, das andere ging auf freiem Gelände nahe der US-Siedlung in Plittersdorf nieder. Die britischen Düsenjäger gehörten zur Royal Air Force, alle Besatzungsmitglieder konnten sich mit Fallschirmen retten.

Die Tragfläche eines Düsenjägers stürzte auf das Dach der Werkhalle von Kessko und riss ein großes Loch in die Decke. Fensterrahmen wurden aus der Mauer gerissen, Stahlträger zerbrachen. Eine Nussröster-Maschine wurde mitsamt Gebläseanlage zerstört. Aber: Alle vom Absturz Betroffenen blieben unverletzt. Wohl auch, da der Absturz nachts geschah.

Mehr als 200.000 Mark Schaden entstand für Kessko, wegen der Reparaturarbeiten fiel die Produktion für drei Wochen aus. Einige Produktionsbereiche mussten ins Freie verlagert werden. Eine Million Mark Schaden entstand insgesamt für Bonn.

Helmut Kessler ließ an der Stelle, an der die Tragfläche des Düsenjägers in die Werkhalle einschlug, ein Rad der Air-Force Maschine an der Fabrikdecke anbringen. Trotz des Zwischenfalls startet Kessko ein Jahr später die ersten eigenen Produktionen von Kuvertüren, Schokoladen- und Kakaomassen, Kakaobutter und Kakaopulver.

Wolfgang und Helmut Kessler stellen dritte Generation bei Kessko

1969 wird die Lagerfläche verdoppelt, es wird Geld in die Hand genommen, um die automatischen Produktionsanlagen zu optimieren. Ein Jahr später stoßen die Söhne von Gustav Kessler Junior, Wolfgang und Helmut, zum Management der Firma dazu.

Weiterhin scheint das Unternehmen keinen Stillstand zu kennen: 1980 wird das Warenlager neu gebaut, die Rohmassen- und Präparateproduktion erweitert. 1991 folgt der Neubau von Sozialräumen für die Angestellten, die Kuvertüre- und Backmittelproduktion wird vergrößert.

15.000 Quadratmeter Firmengelände – inklusive Museum

Mit einer Gesamtfläche von 2100 Quadratmetern wird im Jahre 1998 das neue Verwaltungsgebäude mit einem großen Flächenanteil für Forschung, Entwicklung und Qualitätssicherung gebaut. Das Gesamtgrundstück, auf dem Kessko angesiedelt ist, beläuft sich zum damaligen Zeitpunkt auf insgesamt 15.000 Quadratmeter, 10.000 davon sind mehrstöckig bebaut.

Mit dem neuen Gebäude wird in der ehemaligen Werbeabteilung auch das hauseigene Firmenmuseum eingeweiht. Hier finden sich neben Originalverpackungen aus den 50er Jahren und einer Rechenmaschine aus 1954 auch alte Alben mit Fotografien aus weit über 100 Jahren Firmengeschichte in Beuel.

Ebenso im Museum zu finden: Erinnerungen in Bildform an Götz George, der einige Szenen für den Film „Schokolade für den Chef“ in den Räumlichkeiten des Bonner Unternehmens drehte.

Da sich das kleine Museum innerhalb eines Lebensmittelbetriebes mit hohen Sicherheits- und Hygieneauflagen befindet, ist es nicht möglich, das Museum für jedermann zu öffnen. In erster Linie wird das Museum bei Betriebsführungen gezeigt.

100 Jahre Kessko: Eigenes Straßenschild und Feuerwerk von Weco

Zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens wird das Straßenschild zur Gustav-Kessler-Straße von den Brüdern Wolfgang und Helmut Kessler eingeweiht. Der Zusatz „Gründer der Firma Kessko 1905, Förderer von Beueler Wirtschaft, Sport und Brauchtum“ zeichnet die Firma für ihr soziales Engagement aus.

Die Eitorfer Firma Weco liefert anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Firma Kessko ein imposantes Feuerwerk:

Trotz der regionalen Verwurzelung zieht es das Unternehmen ab 2014 auf den Weltmarkt. Jeder fünfte Euro wird durch Export erwirtschaftet. Kessko beliefert unter anderem Konditoren in Hongkong und den USA. Mittlerweile weist die Bonner Firma einen Jahresumsatz von rund 40 Millionen Euro auf.

Bonner Arbeitstier und Liebhaber von Dialekten stirbt 2014

So gut es wirtschaftlich zur damaligen Zeit auch aussah, überschattet der Tod von Wolfgang Kessler (geb. 1934) das Jahr 2014: Wolfgang Kessler galt als Arbeitstier und Liebhaber von Dialekten, mochte chinesisches Essen und war seit 1953 Mitglied der Bonner Ruder-Gesellschaft. Zudem war er Präsidiumsmitglied der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft. Kessler war in mehr als 20 Vereinen in der Stadt aktiv.

Nach dem 110-jährigen Firmenjubiläum in 2015 tritt die vierte Kessler-Generation ein Jahr später aktiv in das Unternehmen ein. Als erste Frau in einer führenden Position bei Kessko wurde Ulrike Kessler als Vorsitzende in den Unternehmensbeirat gewählt. Nach dem Tod ihres Vaters Wolfgang 2014 führte ihr Onkel Helmut die Geschäfte zunächst alleine weiter und fragte sie darauf, ob sie die Zukunft des Familienunternehmens mitgestalten wolle. Neben ihrem Onkel und dessen zwei Töchtern ist sie mit ihren beiden Schwestern ebenfalls bei Kessko tätig.

2020: Zu Corona-Pandemie kein Marzipan mehr

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie stellte Kessko in 2020 die Marzipanproduktion ein. Zusätzlich wurden 15 Prozent der Belegschaft, in etwa 20 Mitarbeitende, entlassen. Marzipan war neben der selbst hergestellten Schokolade eines der Aushängeschilder des Unternehmens.

Ein Werksverkauf gehörte jahrelang zum Repertoire der Firma, aktuell ist dieser allerdings geschlossen. Auf der Webseite wird darauf verwiesen, dass an einem neuen Konzept gearbeitet würde.

Ein Zitat von Georg Christoph Lichtenberg, das sich auf der Webseite des Unternehmens findet, ist Leitsatz für die Arbeit in der Bonner Firma und zog sich durch die bald 120 Jahre Unternehmensgeschichte: „Man wirkt nicht durch das, was man meint, möchte oder beabsichtigt. Man wirkt durch das, was man wirklich kann, tut und ist.“