AboAbonnieren

Der Baumforscher aus WindeckDaten des Waldes von morgen

Lesezeit 3 Minuten

Der Forscher bei der Arbeit: Burkhard Neuwirth entnimmt einen Bohrkern aus einer Hute-Eiche im Kreis Arnsberg.

  1. Die Anzahl der Faktoren, die das Klima beeinflussen, ist unzählbar. Burkhard Neuwirth erforscht die Auswirkung des Klimas auf die Bäume.
  2. Dabei sind viele wichtige Aspekte zu beachten. 2012 machte er sich mit „Delawi“ – Dendro-Labor Windeck – selbstständig und bietet deutschlandweit als Einziger umweltbezogene Jahrringforschung als wissenschaftliche Dienstleistung an.
  3. Auch Schulungen von Nachwuchsforschern gehören dazu.

Windeck – Warum ist der Baum gewachsen, wie er gewachsen ist? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Burkhard Neuwirth aus Windeck seit den 90er Jahren beruflich. Der heute 58-Jährige studierte erst Mathematik, dann Geografie mit Umweltschwerpunkt in Bonn und promovierte in Dendroökologie, der umweltbezogenen Jahrringforschung.

„Dendroökologie als Fach gibt es erst seit den 70er Jahren“, berichtet der Wissenschaftler. Die dazu notwendigen statistischen Vergleiche seien vor Einführung des Computers in diesem Stil nicht möglich gewesen. Eigentlich wollte er als junger Mann in die Klimaforschung. „Mich interessierte, wie das Klima 2050 wird, eine wichtige Frage auch für die Gesellschaft“, erzählt er über seinen Werdegang.

Die Suche nach der Datenquelle

Früh stellte er fest, dass für eine Antwort die Datengrundlage fehlte. „In der Mathematik heißt es, um 100 Jahre nach vorne zu schauen, müsse man 300 Jahre zurückgehen. Unsere Wetteraufzeichnungen beginnen flächenhaft erst nach dem Zweiten Weltkrieg.“

So unterschiedlich sieht das Innenleben der Bäume aus, je nachdem, wie sie auf das Klima reagieren.

Es musste also eine andere Datenquelle her. „Bäume sind die einzigen Klimaproxis (Stellvertreterdaten, d. Red.), die auf Landflächen fast überall verfügbar sind.“ An der Universität Bonn, wo er inklusive Studium mehr als 30 Jahre tätig war und durch ein Praktikum zur Temperaturrekonstruktion für das Karakorumgebirge bei Professor Dr. Matthias Winiger erste Bekanntschaft mit der Jahrringforschung machte, baute er in der Folge mit wenigen Kollegen ein Dendro-Labor auf. Nach dem Studium wurde Neuwirth 2001 Leiter des Labors und vergrößerte es. Im Jahr 2005 waren 370 Waldstandorte Europas für eine Zentraleuropäische Netzwerkanalyse untersucht und verglichen worden.

Nachwuchsforscher werden geschult

Im Jahr 2012 machte er sich mit „Delawi“ – Dendro-Labor Windeck – selbstständig und bietet deutschlandweit als Einziger umweltbezogene Jahrringforschung als wissenschaftliche Dienstleistung an. Außer Beratung zu dendroökologischen Arbeiten sind Geländearbeiten, Jahrringanalysen, insbesondere Jahrringbreitenmessung, Montage und Wartung von Baum-Messstationen einige Leistungen.

Auch Schulungen von Nachwuchsforschern gehören dazu. Forschungsträger wie die Unis Berlin, Marburg und Bonn sowie Einrichtungen wie das Forschungszentrum Jülich und das Geoforschungszentrum Potsdam sind seine Kunden. Der Freitag ist reserviert für Lehraufträge an der RWTH Aachen und der Uni Marburg.

Der Dünnschnitt einer Fichte aus der Eifel zeigt die unterschiedliche Dichte des Jahrrings durch die Dürrezeit im Juli/August 1976.

In seinem Elternhaus in Windeck-Mauel hat Neuwirth die ehemalige Schreinerei seines Vaters umgebaut, dort ist Platz für Büro, Laboreinheit mit vier Arbeitsplätzen, Holzbearbeitung für Sägen und Schleifen und Lager. Derzeit beschäftigt sich Neuwirth mit den Auswirkungen der Trockenperiode 2018.

Schon vorher hatte er Instrumente an Bäumen im Nationalpark Eifel in 600 Metern Höhe an Fichten und bei Marburg an Eichen in 300 Metern Höhe installiert. In 30-minütiger Auflösung werden außer den Umweltdaten auch Saftfluss- und Änderungen des Stammumfangs gemessen. „Das Ergebnis ist auch für uns Wissenschaftler überraschend“, schildert er den Vergleich. „Bei Hitze hat die Fichte erwartungsgemäß das Wachstum fast eingestellt, um sich vor Verdunstung zu schützen. Die Folge ist ein schmaler Jahrring.“ Bei der Eiche war es genau anders, sie intensivierte während der Hitzeperiode ihre Wachstumsprozesse und 2018 entstand ein breiter Jahrring. „Wir erklären das damit, dass Eichen im Gegensatz zu Fichten, die nur etwa 20 Prozent ihrer Nadeln abwerfen, jedes Jahr ihr komplettes Blattwerk erneuern.“

Ohne Zucker und Wasser geht nichts

Dazu benötigen sie viel Zucker und letztlich auch Wasser. Den Wassermangel glichen sie 2018 durch Nutzung des in ihrem Stamm gespeicherten Wassers aus und zeigen sich so ungewöhnlich ausgetrocknet und folglich im Stamm geschrumpft. „Die spannende Frage ist, wie nachhaltig das ist? Viele Jahre hintereinander wird sie das nicht machen können.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Windecker erhebt die Daten auch als Hintergrundinformation für Landschaftswandel. „Der Wald von morgen muss gemischter und naturnäher werden. Derzeit ist hier die Douglasie im Gespräch, das sehe ich kritisch, sie hat Probleme mit Spätfrösten.“