Für Unbefugte war der Zugang auf das Werksgelände strengstens verboten. Es bestand Explosionsgefahr.
„Lost Place“Mysteriöse Ruinen im Wald in Rhein-Sieg – Früher war das Gelände abgeriegelt
Wer bei einer Wanderung durch den Wald in Windeck im Rhein-Sieg-Kreis zufällig an den alten Ruinen vorbeikommt, bleibt vermutlich verwundert stehen. Der Anblick der eigentümlichen Bauten mitten zwischen Bäumen ist ein wenig befremdlich. Während heute ein Weg direkt an den Ruinen entlangführt, bestand hier früher Lebensgefahr.
Die geheimnisvollen Ruinen sind inzwischen von der Natur wild bewachsen und längst ein „Lost Place“. Auf den alten, teils verfallenen Mauern wuchern Moose, Büsche und Efeu. Unterhalb der Gebäude, es handelt sich um mehrere Bauten, plätschert ein kleiner Bach über das ehemalige Produktionsgelände.
Schwarzpulver-Fabrik ist heute ein gruseliger „Lost Place“
Früher war das Gelände von der Öffentlichkeit abgeriegelt. Niemand durfte herein, der keine Genehmigung hatte. Es herrschten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Die Gefahr war groß – auch für die Belegschaft, die damals hier beschäftigt war. Dennoch kam es zu schweren Unfällen, bei denen mehrere Arbeiter tödlich verunglückten.
Der Kölner Fabrikant Everhard Schülgen gründete das Werk 1871. Zeitweise war es die größte Anlage zur Herstellung von Schwarzpulver im Rheinland.
Darum entstand die Pulverfabrik ausgerechnet hier in Windeck
Der Ort – tief zwischen zwei Bergen im Windecker Land bei Dattenfeld – war nicht zufällig gewählt. Abgelegen von Siedlungen, in der Gegend gab es nur wenige kleine Dörfer, und mit Schutzwällen gesichert wurde hier über Jahrzehnte Schwarzpulver für Sprengungen in Steinbrüchen und Bergwerken, teilweise auch für Schießpulver produziert.
In der Region siedelten sich im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche kleine Pulvermühlen an. Die vielen Bäche lieferten Wasserkraft zum Antrieb der Maschinen. Außerdem konnten die Produzenten auf einen großen Bestand an Faulbäumen und Buchen zurückgreifen, einer der Grundstoffe in der Schwarzpulver-Herstellung.
Die größte dieser Anlagen war die Pulvermühle Elisenthal am Trimbach in Windeck. In den Hochzeiten um 1909 wurden hier rund 130.000 Kilogramm Schwarzpulver hergestellt.
Pulvermühle Elisenthal: Eigentümlicher Aufbau hatte wichtigen Grund
Von den Produktionsanlagen sind nur noch Mauerreste und Trümmer zurückgeblieben. Vor allem die auffällige Form der Ruinen hinterlässt einen ungewöhnlichen Eindruck. Die eigenwillige Bauweise hatte jedoch einen bestimmten Grund.
Die Dächer der alten Werksgebäude sind längst eingefallen. Auch die Rückwände der Häuser waren in Leichtbauweise gebaut. Doch welchen Zweck hatten die vier massiven Mauern, die heute das Bild der Anlage prägen?
Tatsächlich handelte es sich um eine wichtige Sicherheitsmaßnahme. Wenn es in einer der Produktionsstätten trotz aller Vorkehrungen doch einmal zur Explosion kommen sollte, ging der Druck der Detonation nur in eine Richtung. Sonst wäre direkt das komplette Gebäude in die Luft geflogen.
Sicherheitsmaßnahmen gegen Explosionsgefahr im Schwarzpulver-Werk
Die Anlage im Elisenthal in Dattenfeld war zu Produktionszeiten nicht nur mit einem großen Zaun gesichert, es herrschten auch strenge Sicherheitsmaßnahmen auf dem gesamten Gelände, die von der Polizei kontolliert wurden.
Jeder kleinste Funkenwurf musste verhindert werden. Arbeiter mussten eine Art Filzpantoffeln ohne harte Sohlen tragen, bevor sie die Produktionsstätten betraten. Die Böden der Pulverwerke waren mit Decken ausgelegt.
Nichts auf der Anlage durfte aus Eisen sein. Eisen auf Eisen verursacht Funken, es bestand Explosionsgefahr. Beschläge an Türen und Fenstern mussten aus Messing gefertigt sein. Bewegliche Gegenstände aus Eisen waren verboten.
Pulvermühle Elisenthal: Arbeiter hatten kaum Licht
Die größte Gefahr war mit dem Zerkleinern der zuvor sortierten Rohstoffe verbunden: Im Meng-, Haspel- und Zerkleinerungswerk wurden die Rohstoffe in einer mit Hartholzkugeln gefüllten großen Mischtrommel zerkleinert. Da dieser Produktionsschritt besonders anfällig für schwere Unfälle war, wurde das Gebäude mit einem zusätzlichen, fünf Meter hohen, massiven Schutzwall gesichert.
Durch den Pulverstaub bestand im Elisenthal eigentlich zu jeder Zeit Explosionsgefahr. An den Gebäuden waren Blitzableiter angebracht. Fenster mussten mit einer weißen Ölfarbe abgedeckt werden, um einen Brennglaseffekt zu verhindern. Um die Jahrhundertwende wiesen Glasfenster schonmal kleine Bläschen auf, da hätte es leicht zu spontanen Entzündungen kommen können, wenn die Sonne schien.
Tödliche Unfälle erschüttern Pulverfabrik Elisenthal – Trümmer bis heute zu sehen
Trotz all der Sicherheitsmaßnahmen ist es in der Pulverfabrik im Elisenthal wiederholt zu tödlichen Unfällen gekommen. Im Juli 1913 explodierten das Körn- und Siebhaus sowie das Polierwerk. Ein Arbeiter kam dabei ums Leben.
Zum folgenschwersten Unfall kam es im Februar 1915. Bei einer Explosion im Körner- und Siebwerk seien sechs Arbeiter förmlich zerrissen worden, hieß es damals. Eine dritte Explosion ereignete sich nur wenig später im Juli 1915 und forderte drei Tote. Bis heute liegen vereinzelt die Trümmer der Explosionen auf dem Gelände.
Rundweg am „Lost Place“ führt über die Pferdebahn entlang der Pulvermühle Elisenthal
In Folge des Ersten Weltkrieges wurde die Pulvermühle in Windeck nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages geschlossen. Teile der Anlage wurden zurückgebaut, viele der Gebäude stehen seither leer. Die eigentümlichen Ruinen kann man auf einem Rundweg um das ehemalige Produktionsgelände besichtigen.
Gefahren bestehen heute nicht mehr. Dennoch sollen Gäste auf den ausgewiesenen Pfaden bleiben. Der Rundweg führt übrigens auf der alten Pferdebahn um das Gelände. Gäule haben hier damals die Karren mit dem explosiven Material von Werk zu Werk gezogen.