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„Es ist so rührend, Sie alle zu sehen“Die Live-Kultur im Rhein-Sieg-Kreis ist zurück

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Draußen und mit Abstand – aber die Live-Kultur im Kreis ist zurück.

Windeck – Kollektive Erleichterung gab es im Windecker Kunsthaus Wäldchen unter Akteuren und Gästen beim fünftägigen Open-Arts-Festival, eine der ersten Live-Veranstaltungen in der Region. Erleichterung, weil nach der kultur- und kontaktarmen Corona-Tristesse Musik und Wort nicht mehr via Stream und in sterilen Video-Konferenzen zu einem finden mussten, sondern unverfälscht Ohr und Herz erreichten. Mit der Natur gab es noch einen dritten Protagonisten am Kunsthaus. Auf künstliche Kulisse konnte da verzichtet werden, die lieferte der freie Blick ins satte Grün der Berge und Täler sowie das Vogelzwitschern.

„Es ist so rührend, Sie alle zu sehen“, freute sich Gastgeberin Dorothe Marzinzik über den regen Zuspruch beim Auftaktkonzert, das den Künstlern und Künstlerinnen der Region gehörte. „Einen Neustart ins Leben“ nannte ihr Ehemann Daniel Diestelkamp die Wiederaufnahme des Kunsthaus-Betriebs: „Es ist wie ein Befreiungsschlag, ein tiefes Durchatmen nach langer Anspannung in der Corona-Zeit.“

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Ein tiefes Durchatmen nach langer Anspannung registrierte das Gastgeber-Ehepaar Dorothé R. Marzinzik und Daniel Diestelkamp.

Ihren gesamten Nachholbedarf lebte die Westerwälder Jazzband „Schräglage“ bei ihrem Auftritt aus. Wobei sie entgegen ihres Namens mit Verve und sauberer Intonation agierte. So kam beim Jazzstandard „Basin Street Blues“, dem mit feinem Schmelz versehenen „O Lady Be Good“ und dem grandiosen „Savoy Blues“ Bewegung ins Publikum. Das Instrumentalspiel veredelte Sänger Johannes Pfeifer, der zudem das Banjo zupfte. Ungewohnt dürfte der lautstarke Beifall nach den zahllosen Allein-Proben auf die Akteure gewirkt haben.

Kunst, Natur und Seminare

Fast genau auf der Grenze des Drei-Kreise-Ecks (Rhein-Sieg-Kreis, Bergischer Kreis, Kreis Altenkirchen) liegt das als Atelier für improvisierte Musik und Performance, für Seminare und Projekte der ästhetisch-musikalischen Grundbildung sowie für Ferien in Natur & Stille konzipierte Kunsthaus Wäldchen. 1988 erwarben die Eheleute Dorothé R. Marzinzik und Daniel Diestelkamp den Restbauernhof, bauten ihn 1994 zum Studio aus und erweiterten ihn 2015 um Lounge, neue Gästezimmer und eine Ferienwohnung. Rechtzeitig für Open Arts wurde die Freilicht-Bühne fertiggestellt. Deren perfekter Einklang mit der Natur beschrieb Diestelkamp anhand des Auftritts der Band „Calefax-Reed“: „Beim (Stück) ,Vogel als Prophet’ erklingt laut schallend zeitgleich das abendliche Vogelkonzert und verwandelt den ganzen Ort im Abendlicht zu einem Märchenspielplatz.“ (loi)

Was für die Windecker Gruppe „Saitensprung“ ebenfalls galt, die sich dem Klezmer und Gypsy verschrieben hat und das letzte Mal vor 18 Monaten öffentlich auftrat. Neben Kontrabass (Ute Krämer-Bönisch), Akkordeon (Martin Schulte), Gitarre (Niko Bönisch), Perkussion (Karl-August Schulte, 16) eröffnet die weitere Besetzung mit zwei Violinen (Jakobus und Andreas Bönisch) und Klarinette (Corinna Schenker) der Band besondere Möglichkeiten. Nämlich sowohl der alten Tradition des eher geigenlastigen Klezmer als auch dessen von der Klarinette dominierten späteren Ausprägung gerecht zu werden. So gab es fesselnde Kontraste beim Doinia durch melancholisch schluchzende Violinen, was überging in den ausgelassenen Puls des „Dance, Dance“. Mit der kennzeichnenden Chuzpe interpretierte Sänger Ralf Merian turbulente Geschichten. So im jiddischen Evergreen „Di Mame is gegangen“, wo die sorgende Mutter beim wöchentlichen Marktbesuch ihrem Sohn ein Mädchen mitbringt.

Erstmals zeigte Dorothe Marzinzik am Auftaktabend ihre Video-Arbeit „global songlines“. Die Musikpädagogin experimentierte dabei mit während des Lockdowns entstandenen Bildcollagen. Deren Wirkung verstärkte sie mit korrespondierender Lyrik und Klangkompositionen. Mit eindringlichem Spiel auf Holzglocken stellte schließlich der Waldbröler Klangkünstler Jochen Faßbender einen intensiven Dialog mit der Natur her.

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Auf höchstes musikalisches Niveau begab sich am zweiten Tag das „Calefax Reed Quintett“. Einhundert Minuten lang bewiesen die Holländer, dass sich Stücke von Gershwin bis Schumann und Debussy ausschließlich mit fünf Holzblasinstrumenten fesselnd, virtuos und jeder Intention der Komponisten gerecht werdend ausführen lassen. Außergewöhnlich wie ihr Prädikat „einziges Basssaxophon-Quartett des Universums“ war der Auftritt der Kölner Gruppe „Deep Schrott“ am Samstag. Von „spektakulären Klangreisen“ berichtete Hausherr Diestelkamp, die „noch intensiver und mit gewaltiger Kraft“ im Innenraum entfalteten, wohin das Konzert wegen der Witterung verlegt worden war.

Ein Thementag „Art And Nature“ über „Land im Wandel“ mit Diskussionen „auf der Schwelle zwischen Resignation und Hoffnung“ (Diestelkamp) und ein Tag der offenen Tür rundeten eine vielschichtige Woche ab.