„Hey, wir überleben das!“Studiobühne Siegburg arbeitet rege an einem Spielplan
Siegburg – Reisende beobachten Reisende, die Reisende beim Reisen beobachten. Darum geht es René Böttcher, Leiter der Studiobühne, in einer Inszenierung, an der derzeit die Absolventen der Theaterschule arbeiten. Auch er selbst wüsste gern, wohin für ihn die Reise geht, mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie.
Seit 14 Monaten sind die Studiobühne, die Schauspielschule sowie das Kinder- und Jugendtheater Tollhaus mit kurzen Unterbrechungen geschlossen. Schwierig sei der Hybridunterricht vor Ort und per Video für die Schüler, die für ihre Abschlussaufführungen nicht einmal ein Premierenpublikum hätten. Beim Schauspiel gehe es darum, „sich anzufassen, einander nahe zu sein und miteinander zu reden“ – unter Corona-Bedingungen ist all das kaum möglich.
In der Corona-Pandemie kommt immer wieder die Frage: „Seid ihr noch da?“
„Das ist unglaublich anstrengend“, schildert Böttcher, der die Leitung 2004 zusammen mit Maike Mielewski übernahm. Selbst eine Aufführung des Einpersonenstücks „Der Kontrabass“ sei unter Corona-Bedingungen ungeheuer aufwendig gewesen, Organisation und Hygienevorschriften hätten sicherlich 100 Arbeitsstunden pro Abend verursacht. Mit einer „Schnullifax-Öffnung“ und 30 Prozent der sonst üblichen Zuschauer könne er nicht weiterarbeiten, wenn eines Tages wieder Lockerungen kämen.
„Seid ihr noch da?“ Diese Frage höre er beunruhigend oft, zumal das Gebäude der Studiobühne derzeit für Sanierung und Umbau eingerüstet ist. Umso wichtiger ist ihm die Botschaft: „Hey, wir überleben das!“ Er fürchtet, dass bei einer Wiedereröffnung – vielleicht im Herbst – zunächst viel Geld in Werbung investiert werden muss.
Aber er hat auch gute Erfahrungen in der Krise gemacht. Alle drei Einrichtungen kämen dank der staatlichen Hilfen über die Runden. 102.000 Euro habe es für die künstlerischen Gehälter gegeben, Material wie Plexiglasscheiben oder Computertechnik für Homeoffice-Arbeitsplätze konnten schnell und unbürokratisch angeschafft werden. Auch Privatspenden hätten geholfen.
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Kritisch sieht Böttcher aber, dass die Politik mittlerweile alles über das Geld regle, während über die Kultur selbst kaum noch jemand spreche. Böttcher vermisst vor allem klare Regelungen für den Betrieb, zu Abständen und zulässigen Besucherzahlen. Bislang wisse er nur, dass bis zu einer Inzidenz von 50 der Theaterbesuch ohne Maske, bis 100 nur mit dem Schutz möglich sei. „Was spricht gegen ein Theaterstück an der frischen Luft mit Abstand?“, fragt er.
Trotz aller Unsicherheit wird rege gearbeitet und geprobt, um schnell einen Spielplan anbieten zu können. Die Schüler arbeiten an dem Reisestück „Ich Tasche“ und an einer Bühnenfassung des Kinofilms „Trainspotting“, das Profitheater an „Delikate Verbrechen“ und an einem „Liebesliederabend mit Torte“. Weitere Vorhaben sind die Kunstinstallation „Ich symphoniere“ zum Beethoven-Geburtstag, das Interview-Projekt „Zeitzeugen der Liebe“ und eine Hänsel-und-Gretel-Inszenierung am Waldkindergarten Kaldauen.
Eines schließt René Böttcher jedenfalls kategorisch aus: ein Corona-Stück, bei dem das Publikum einen Abend lang mit dem leidigen Thema konfrontiert wird.