Siegburg – Der Einzelhandel erlebte wegen ständig wechselnder Corona-Schutzverordnungen turbulente Wochen. Vielfach herrschte in den Läden Ungewissheit. „Habe ich nächste Woche auf oder zu? Ich weiß es nicht. Und die Kunden haben keine Ahnung, was richtig und was falsch ist: Einkaufen nur mit Termin, mit Test, ohne Test?“ So schilderte eine Geschäftsfrau das Dilemma in einer Online-Sprechstunde, zu der die Wirtschaftsförderung der Stadt Siegburg mit Bürgermeister Stefan Rosemann eingeladen hatte.
„Jetzt kann mal auf den Tisch, was auf den Tisch muss“, eröffnete Rosemann und musste sich umgehend anhören, dass man ein öffentliches Eintreten des Bürgermeisters für den Siegburger Einzelhandel vermisst habe. Auch sei der Eindruck entstanden, dass zwei sonst sehr umsatzstarke Tage – Gründonnerstag und Karsamstag – hergeschenkt worden seien, obwohl der Inzidenzwert da im Rhein-Sieg-Kreis noch unter 100 gelegen habe.
Rosemann spricht sich gegen Alleingänge aus
Mietlast drückt
Bernhard „Felix“ von Grünberg sprach als Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes Bonn/Rhein-Sieg/Ahr die Last der Mieten für geschlossene Gewerbebetriebe an, die nicht nur auf deren Schultern, sondern auch auf denen der Vermieter liegen müsse. Viele Vermieter gingen runter mit den Preisen, „viele sagen aber: Ich möchte meine Miete haben“. Die Wirtschaftsförderung könne in solchen Fällen als Mediator helfen. (kh)
Rosemann erklärte, er bespreche sich mit den anderen Bürgermeistern, dem Landrat und der Bonner Oberbürgermeisterin, und stellte in Frage, dass es helfe, mit Alleingängen in der Öffentlichkeit vorzupreschen. Weder die Stadt noch der Kreis habe vor Ostern die Corona-Notbremse gezogen. Gegen die Landesentscheidung habe es keine rechtliche Handhabe gegeben, ergänzte Co-Dezernent Bernd Lehmann.
Das Einkaufen nur mit vorherigem Test sei eine Katastrophe, hieß es von Geschäftsseite. „Dann stehen wir in unseren Läden, und die Innenstadt ist leer.“ Ein Einzelhändler berichtete von gerade einmal drei getesteten Besuchern und nur 250 Euro an einem Tag.
Das habe nicht zuletzt Auswirkungen auf die Warenströme. Dazu seien Mieten und Investitionen zu stemmen, die Folge: „Uns geht die Luft aus.“ „Unternehmen müssen arbeiten, sonst geht hier alles den Bach runter“, sagte ein Geschäftsführer und verwies auf Stores in den USA: „Da läuft alles wieder normal.“
Teilnehmer beklagen unterschiedliche Informationsstände
In der Zoom-Konferenz wurde auch das Problem des unterschiedlichen Informationsstands in Sachen Corona-Schutzregeln angesprochen, „wenn jeder in seinem Kämmerlein sitzt“. Bessere Kommunikation und mehr Transparenz wird gewünscht.
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Das hätte in den vergangenen Wochen auch der Inhaberin eines Tattoo-Studios geholfen. „Ich habe stundenlang im Internet recherchiert, was für uns gilt“, erzählte sie, während die Erfahrung aus einem Handwerksbetriebs ist, dass viele Kunden nicht wüssten, dass sie mit Test und Termin zum Handwerker kommen könnten.
Verband sieht Handel als Bauernopfer
Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen, stellte in der Zoom-Konferenz fest: „Der Einzelhandel war nie ein Corona-Hotspot“, das zeigten schon seit einem Jahr unter anderem die Discount-Supermärkte. Aus diesem Grunde sei es zu keinem Zeitpunkt notwendig gewesen, den Einzelhandel zu schließen. „Auch die Gastronomie“, sagte Vassiliou, „war ein Bauernopfer“. (kh)
Kurzfristig umsetzen will Rosemann die Idee eines Infozeltes auf dem Markt. Entwürfe für Plakate, die über Test-Stellen informieren, lägen bereits vor. Ein weiterer Vorschlag ist, eine Übersicht über die Öffnungszeiten aller Geschäfte zusammenzustellen. Wirtschaftsförderin Silke Göldner berichtete von der bevorstehenden Gründung einer Arbeitsgruppe aus Politik, Verwaltung und Handel.
Fast 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte die Online-Sprechstunde. Der Bedarf, sich auszutauschen, war spürbar. Nach anderthalb Stunden waren längst nicht alle Fragen abgearbeitet. „Mir geht jede einzelne Geschichte nahe“, äußerte Rosemann Verständnis für die Einzelhändler. „Wir wollen solche Runden wiederholen.“
Möglich, so Göldner, sei eine Aufteilung nach Branchen und eine Runde für Kulturtreibende. Auch ein Zoom-Meeting für Mini-Unternehmen wurde gewünscht.