SchladernringMotorradfahrer muss sich nach schwerem Unfall vor Gericht verantworten
Windeck/Waldbröl – Der 39 Jahre alte Kfz-Prüfingenieur aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis hatte sich offenbar überschätzt. Als er an einem sonnigen Frühlingsfreitag im März 2020 mit etwa 100 Kilometern pro Stunde Richtung Waldbröl auf eine Rechtskurve der B 256 im Westerttal zufuhr, wurde ihm plötzlich klar, dass er zu schnell war. Er bremste, geriet auf die Gegenfahrbahn und stieß dort frontal mit einem 55 Jahre alten Motorradfahrer aus Remscheid zusammen.
Während der 39-Jährige sich das rechte Handgelenk brach, wurde der ältere an Becken, Brustkorb und Unterleib verletzt. Jetzt wurde vor dem Waldbröler Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung verhandelt. Das Urteil nach fast vier Stunden: 4000 Euro Strafe plus Gerichtskosten.
Motorradfahrer vor Gericht: Keine Erinnerung an Unfall auf dem Schladernring
Er sei allein auf dem Heimweg gewesen, berichtete der sichtlich betroffene Angeklagte. Dass der Unfallgegner so schwer verletzt worden sei, tue ihm leid. Allerdings könne er sich an das Geschehen von damals nicht mehr erinnern und hoffe, im Prozess selbst Antworten zu finden.
Mit einem Freund war der zweite Unfallbeteiligte unterwegs gewesen. „Ich bin Mitte-Fahrer“, sagte er. Er meine sich zu erinnern, auch an diesem Tag auf der Mitte der rechten Fahrbahn unterwegs gewesen zu sein. „In Deutschland gilt das Rechtsfahrgebot“, warf Richter Carsten Becker ein und sorgte für Unmut bei dem damals Schwerverletzten, der auf dem linken Ohr nichts hört und oft unter Schmerzen leidet. An der Bestrafung des anderen hatte der Remscheider kein Interesse.
Dass beide Fahrer am Geschehen eine Mitschuld trugen, unterstrich der Rösrather Ingenieur Alexander Wiek als Gutachter. Der 39-Jährige sei etwa 100 Kilometer und damit „technisch zu schnell“ gefahren. Erlaubt sind 100 auf diesem Abschnitt der Straße.
Beim Anfahren der Kurve habe der Angeklagte knapp zwei Sekunden vor dem Crash wohl bemerkt, dass er es nicht schaffen werde. Beim folgenden Bremsvorgang habe sich das Motorrad physikalisch folgerichtig aufgerichtet und sei damit aus dem eingeschlagenen Radius hinaus auf die Gegenfahrbahn gekommen. Dort müsse ihm – anders seien die Spuren nicht zu deuten – das andere Motorrad unmittelbar an der Mittellinie entgegen gekommen sein. Maschinen und Fahrer prallten aufeinander, drehten sich und blieben am linken Rand der Straße liegen.
Der Unfall wäre möglicherweise nicht geschehen, wenn der ältere Fahrer ganz rechts gefahren wäre, vermutete der Gutachter. Dass er am Mittelstreifen fuhr, bestätigte ein Zeuge. Eine Linkskurve nahe der Mitte anzufahren sei enorm gefährlich, weil sich der Kopf über der Gegenfahrbahn befinde, waren sich die ebenfalls motorradfahrenden Verteidiger und Gutachter einig.
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Das Verfahren gegen Zahlung einer hohen Geldbuße einzustellen lehnte die Staatsanwältin nach Rücksprache mit ihrem Ausbilder ab. Sie forderte 2400 Euro Strafe plus einem Monat Fahrverbot. Der Verteidiger verzichtete auf einen eigenen Antrag, unterstrich aber die Mitschuld des anderen.
Richter Carsten Becker begründete die höhere Strafe und den Verzicht auf ein Fahrverbot mit dem dann drohenden amtlichen Prüfverbot für den Ingenieur. Zudem fahre dieser nach eigenem Bekunden seit dem Unfall kein Motorrad mehr.
Im vergangenen Monat war nahezu an derselben Stelle – und damit erneut in unmittelbarer Nähe zur Grenze zwischen den Kreisen Oberberg und Rhein-Sieg – ein 28 Jahre alter Biker aus Witten bei einem Unfall ums Leben kommen. Während in Windeck, von Bürgermeisterin Alexandra Gauss initiiert, eine neue Plakataktion anlaufen soll, um Raser zu bremsen, muss sich Waldbröls Politik weiterhin gedulden: Die Umsetzung des im Stadtrat einstimmig beschlossenen und durch den Kreistag mit einer Resolution jüngst unterstützten Tempolimits an Gefahrenstellen lässt weiter auf sich warten. Es gebe dazu keine Neuigkeiten, hieß es von der Kreisverwaltung dazu auf Nachfrage.