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Motorradfahrer im RollstuhlUnfall in Windeck landet nach sechs Jahren erneut vor Gericht

Lesezeit 4 Minuten
Autos fahren auf einer Landstraße.

An dieser Stelle ereignete sich vor sechseinhalb Jahren ein folgenschwerer Unfall in Windeck. (Symbolbild)

Vor sechs Jahren wurde ein damals 19-Jähriger bei einem Unfall schwer verletzt. Jetzt wurde vor Gericht erneut die Schuldfrage gestellt.

Sechseinhalb Jahre hat sich das juristische Nachspiel eines schweren Motorradunfalls in Windeck-Wiedenhof hingezogen. Nach einem neuen Gutachten und einem daraus resultierenden zweiten Freispruch ist strafrechtlich jetzt ein Schlusspunkt gesetzt. Zivilrechtlich könnte es noch weiter gehen.

Ein damals gerade noch 19 Jahre alter Motorradfahrer, der seinen Führerschein erst seit wenigen Monaten besaß war am 17. Oktober 2016, einem Sonntag, auf der Bundesstraße 256 von Rosbach in Richtung Au gefahren. Auf der langen Geraden im Ortsteil Wiedenhof war er mit seinem Motorrad in Rennverkleidung auf die linke Spur geschert und in Höhe des Abzweigs nach Imhausen (L 312) mit einem Audi zusammengestoßen, der von Au kam und in die L 312 abbiegen wollte.

Motorradfahrer sitzt nach Unfall in Windeck noch heute im Rollstuhl

Der junge Mann wurde schwer verletzt. Der Audifahrer und seine Frau leisteten Erste Hilfe. Später wurde der Kradfahrer vom Rettungsdienst versorgt und mit dem Hubschrauber in eine Klinik geflogen. Er lag lange im Wachkoma, sitzt auch heute noch im Rollstuhl und ist auf Hilfe angewiesen.

In einem ersten Verfahren war seinerzeit der Audifahrer nach einem ersten Gutachten freigesprochen worden. Nach nunmehr sechseinhalb Jahren saß vor dem Waldbröler Amtsgericht diesmal die Fahrerin eines Geländewagens mit Pferdeanhänger auf der Anklagebank. Die damals 49-Jährige sei mit ihrem Gespann von Imhausen kommend über die Haltlinie hinaus auf die Bundesstraße gefahren und habe so den Kradfahrer zum Ausweichen gezwungen, trug der Staatsanwalt vor.

Bestätigt wurde diese Version – mehr oder weniger – von dem Audifahrer, dessen Frau und Tochter sowie einem Zeugen, der den Geländewagen durch das Fenster einer Gastwirtschaft auf der Fahrbahn der B 256 gesehen haben wollte. Ein ehemaliger Sachbearbeiter der Polizei in Sankt Augustin hatte wenige Tage nach dem Geschehen eigens noch ein Unfallaufnahmeteam nach Windeck geschickt, um ergänzende Spuren zu sichern. Hoch professionell, wie der Gutachter jetzt attestierte.

Zeugen wurden vom Anwalt in die Mangel genommen

Wer glaubt, dramatische Zeugenbefragungen gebe es nur im Fernsehen, wurde eines Besseren belehrt. Verteidiger Dr. Helmut Bechheim aus Reichshof hatte sich akribisch vorbereitet, die Akten studiert und den Unfallort besucht. Er hielt der Familie zunächst vor, sie habe sich angesichts des damals kursierenden Gerüchts, der Motorradfahrer sei verstorben, abgesprochen und wörtlich übereinstimmende Aussagen niedergeschrieben.

Dann warf er Vater, Mutter und Tochter vor, jetzt in Teilen anders auszusagen. Zur Sprache kam auch, dass der Audifahrer vor Eintreffen der Polizei sein Auto an den Straßenrand gefahren hatte, angeblich um Platz zu schaffen.

Auch bei dem vierten Zeugen zitierte Bechheim aus der mit gelben Postits drapierten Akte und wies auf Widersprüche in den Aussagen hin. „Ein Knallzeuge – haben sie die Fahne gerochen?“ formulierte der 79-jährige Jurist später. Für die Familie, die den Vater in Gefahr gesehen und zu schützen versucht habe, zeigte er Verständnis. Bei dem inzwischen 27 Jahre alten Kradfahrer entschuldigte sich der Anwalt für sein zuweilen barsches Eintreten für die Mandantin.

Sachverständiger aus Münster brachte die Wende im Prozess

Die Wende im Prozess brachte am Ende der Münsteraner Sachverständige Professor Karl-Heinz Schimmelpfennig. Anders als seine Kollegen in vergangenen Verfahren konnte er schlüssig darstellen, dass sowohl der Krad- als auch der Audifahrer bei der Kollision in Bewegung waren. Die Gespann-Fahrerin habe gar nicht so weit auf den Bundesstraße stehen können, wie die Zeugen behauptet hätten. Ihr Fahrzeug wäre sonst zwangsläufig beim Aufprall beschädigt worden. „Höchstens 60 Zentimeter, wenn überhaupt“, habe sie die weiße Linie überrollt, sagte Schimmelpfennig. „Das ist reine Physik“, so der Gutachter.

Nach langen Diskussionen mit Kollegen in seinem Büro gebe es keine andere Erklärung für den Unfall, als dass der junge Kradfahrer zum Überholen angesetzt habe, sorgte Schimmelpfennig am Ende seines Vortrags für die Überraschung. Offenbar habe er den Audi zu spät gesehen. Der allerdings habe beim Aufprall auch nicht gestanden, „sonst wären sie in einem anderen Winkel zusammengestoßen.“ Wenn tatsächlich das Gespann zu weit vorgefahren wäre, hätte der Kradfahrer ausreichend Platz gehabt um von 70 Stundenkilometern abzubremsen und auszuweichen.

Den Anträgen auf Freispruch von Staatsanwaltschaft, Nebenklägerin und Verteidiger schloss sich Richter Maximilian Holthausen im Urteil an. Das Gutachten dürfte im Zivilprozess ihres Mandanten gegen den Audifahrer noch ein Rolle spielen, meinte die Anwältin des Kradfahrers. Ein neues Strafverfahren gegen ihn ist nach dem bereits ergangenen Freispruch nicht möglich.