Aus dem Leben eines BesessenenFußballexperte Reiner Calmund war zu Gast in Hennef
Hennef – In den zwei kurzweiligen Stunden mit Reinhold „Reiner“ Calmund dürfte sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Jugendleiter-Lehrgangs an der Sportschule Hennef eine Botschaft besonders festgesetzt haben: für eine Sache zu brennen, mit vollem Herzen und ohne Wenn und Aber.
Als Bonbon zum Lehrgangsabschluss hatte der Fußballverband Mittelrhein den langjährigen Manager und Geschäftsführer von Bayer Leverkusen für einen Vortrag via Video-Chat gewonnen. Das Thema ergab sich aus neun Fragen, die der Lehrgang im Vorfeld an Calmund gestellt hatte und die das weite Feld von Ehrenamt, Amateur- und Profifußball beackerten.
Der Fußballbesessene, der bis zu einer schweren Verletzung aktiv spielte, dann als Trainer der Amateure arbeitete und später in Vorstandsetagen der Profis Verantwortung trug, arbeitete die Fragen mit sicht- und hörbarer Begeisterung ab. Und mit spürbarer, wie der Lehrgangsleiter Sebastian Knauth einige Male erleben durfte, wenn die Hand des 72-Jährigen – so, als wolle er den Aussagen besonderen Nachdruck verleihen – mit Schwung auf seiner Schulter landete. Das Hohelied sang der gebürtige Brühler auf das Ehrenamt („Es ist unverzichtbar und elementar“), in dem sich zwei Millionen Menschen für den Jugend- und Amateurfußball engagieren: „Sie bilden neben den 50 000 Mitarbeitern im bezahlten Fußball die Basis der Fußball-Organisation.“ Rund 250 Millionen Stunden leisteten Ehrenamtler nach seinen Berechnungen in Deutschland pro Jahr im Fußball.
Gute Erinnerungen an Hennef
Den Frauen im Ehrenamt maß er besondere Bedeutung zu: „Ganz wichtig sind die vielen Mütter, Omas, Tanten und Ehefrauen in der Organisation und Betreuung, bei Turnieren, Kuchen- und Würstchenverkauf“, betonte Calmund. „Sie sind aus der Vereinsarbeit nicht wegzudenken.“
Gute Erinnerungen hat der Weitgereiste an Hennef. In der dortigen Sportschule war der damalige Bayer-Trainer Willibert Kremer auf den jungen Trainer Reiner Calmund aufmerksam geworden, weil der – „völlig unverständlich“ – bei strömendem Regen ein Auswahlspiel beobachtete. Deshalb habe sich Kremer „den Bekloppten“ näher anschauen wollen.
Kremer habe jemanden gesucht, „der ein bisschen Gas gab in allen Abteilungen“, berichtete Calmund. Und da war er eindeutig fündig geworden. Denn Calmunds „erstmals richtig bezahlter Job“ waren seine Aufgaben als Betriebswirt bei der Bayer AG und als 2. Vorsitzender, Scout sowie Stadionsprecher bei den Kickern.
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Sein Tipp an die Runde, wie dem Erfolgsdruck begegnet werden kann: „Basis ist Vertrauen, Kommunikation, Kontinuität und Ruhe.“ Und das gelte für Amateure und Profis gleichermaßen. Anders dagegen sei der Vergleich des Berufsfußballers mit dem Angestellten in der freien Wirtschaft. Denn das lasse sich nicht vergleichen: „Alles passiert in Echtzeit mit unzähligen Interessenvertretern, die Einfluss ausüben.“ Dazu komme der Konkurrenzkampf, bei dem es nur Sieger und Verlierer gebe. Calmund: „Ein Jahr im Fußball ist wie zwei Jahre in einem normalen Leben.“
Für die künftigen Jugendleiter hatte Reiner Calmund zum Schluss noch ein neben einer signierten Autobiografie ein Sonderlob parat: „Es ist Basis, was ihr hier macht, unglaublich wichtig. Macht es mit Herz.“
„Sind nicht mehr im Mittelalter“
Wie sehen Sie die Frage um die Löw-Nachfolge?
Calmund: Das wird kein Selbstläufer. Wenn der Klopp sagt, er würde es machen, dann wird er es. Aber er hat einen laufenden Vertrag. Es wären noch andere fähige Leute da: Flick, Rangnick, Matthäus. Man sollte eine Task-Force einrichten, die sich darum kümmert. Wir haben genug Fachleute, die selber alles erstklassige Spieler waren: zum Beispiel Rummenigge, Hoeneß, Zorc, Sammer, Völler. Den Fritz Keller noch dazu, dann haben wir auch einen vom DFB. Die sollen das klären.
Die Spielergehälter wachsen ins Unermessliche. Gibt es Gegenmittel?
Ich wäre froh, wenn man diese Explosion deckeln könnte. Die EU verbietet es, besteht auf der freien Marktwirtschaft. Meine Idee wäre, die Gehälter vielleicht mit 30 bis 40 Prozent Anteil über das Gesamtbudget jedes Vereins zu relativieren. Andererseits muss man den volkswirtschaftlichen Nutzen der hohen Gehälter bedenken. Jeder Fußballer wird wie ein Arbeitnehmer versteuert mit 45 Prozent. Jedes Jahr werden da 1,4 Milliarden Euro ans Finanzamt überwiesen.
Videoschiedsrichter – ja oder nein?
Absolut ja. In der heutigen Zeit beobachten 30 Kameras und mehr das Spiel von vorne, hinten, oben, von der Seite. Kein Schiri der Welt kann das erkennen, was Kamera und Zeitlupe festhalten, auch vor dem Hintergrund, dass die Spiele immer schneller werden. Das Spiel wird 40 Millionen Zuschauern präsentiert, und die sagen nach der fünften Zeitlupe: „Ja, sieht denn das der Schiri nicht? Ist der blind?“ Wir dürfen die Schiedsrichter nicht wie doof rumlaufen lassen. Die Fehlerquote beim Videobeweis ist doch mittlerweile gering. Wir haben die technischen Mittel und sind nicht mehr im Mittelalter. (loi)