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Prozess„Auch ohne Gegenwehr ist es Vergewaltigung“ – 23-Jähriger nach Übergriff in Hennef verurteilt

Lesezeit 3 Minuten
Eine künstlerische Justizia steht im Amtsgericht Siegburg.

Ein Vergewaltigungsprozess beschäftigte das Amtsgericht Siegburg.

Ein Nein ist ein Nein, das gilt bei Sexualdelikten. Doch was zählt, wenn das Opfer weder Nein noch Ja sagt? Darum ging es nun vor Gericht.

Ein Nein ist ein Nein, dieser Slogan aus der Frauenbewegung macht die Verantwortung des Täters bei Sexualdelikten klar. Doch was ist, wenn das Opfer weder Nein noch Ja sagt? Ein solcher Fall beschäftigte gestern das Siegburger Schöffengericht. Angeklagt war ein 23-Jähriger wegen Vergewaltigung.

Er hatte eine heute 21-jährige Auszubildende vor fast drei Jahren über die Internet-Plattfom Tinder kennengelernt. Sie näherten sich langsam an, nach schriftlichem Austausch, Treffen, Gesprächen gab es vor rund einem Jahr die ersten Küsse und Kuscheleinheiten.

„Wir waren auf dem Weg, dass es mehr wurde“, schilderte der Angeklagte, der gerade seine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen absolviert hat. Bis zum 8. Januar 2023: Sie trafen sich zu einem Weinabend in ihrer Wohnung in Henef, aßen Pizza, guckten Filme. Räumten noch auf, legten sich schlafen.

Aussage des Opfers vor dem Siegburger Gericht hinter verschlossenen Türen

Beide trugen Schlafanzüge, sie habe sich nicht vor ihm nackt ausgezogen, so der Angeklagte. Er umarmte sie, sie schliefen ein, er wachte morgens auf und begann, sie zu streicheln. Sie habe sich bewegt, vielleicht im Schlaf, „ich habe gedacht, sie ist wach“. Er ging weiter, mit eindeutigen Absichten, als sie nicht reagierte, habe er nach etwa 30 Sekunden aufgehört.

Sie muss während des sexuellen Übergriffs wach geworden sein, sei wie versteinert gewesen, das gab sie später bei der Polizei zu Protokoll. Während ihrer Zeugenaussage musste die Öffentlichkeit auf Antrag ihrer Nebenklageanwältin den Saal verlassen, um die Intimsphäre des Opfers zu schützen. Auch die Plädoyers fanden deshalb ohne Öffentlichkeit statt.

Die sexuelle Selbstbestimmung liegt in der Hand des Opfers
Ulrich Wilbrand, Vorsitzender Richter am Siegburger Amtsgericht

Der Angeklagte räumte den Übergriff ein, er habe gehofft, dass sie sich ihm zuwende. Es sei aber auch, anders als in der Vergangenheit bei harmloseren Annäherungsversuchen, kein Nein von ihr gekommen. Nach einer liebevollen Verabschiedung am Morgen zog sie sich zurück, warf ihm in Chats vor, er habe ihre Wehrlosigkeit ausgenutzt.

Er beteuerte, das nicht gewollt zu haben. Er schäme sich und sei todtraurig. Vier Wochen später zeigte sie ihn an. Sie habe in der Vernehmung sehr bedrückt gewirkt, sehr fragil, berichtete der Polizist im Zeugenstand.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Ulrich Wilbrand wertete die Tat als Vergewaltigung und verhängte die Mindeststrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte habe auch ohne ein ausdrückliches Nein nicht von der Zustimmung der jungen Frau ausgehen können, sondern in Betracht ziehen müssen, dass sie schläft. „Die sexuelle Selbstbestimmung liegt in der Hand des Opfers“, sagte der Richter.

Die Reue des Angeklagten sei echt, er habe keinen Zweifel, dass der junge Mann sein Leben straffrei führen werde. In den kommenden drei Jahren begleitet ihn ein Bewährungshelfer.