NovemberpogromeRund 100 Gäste gedachten der jüdischen Opfer aus Hennef
Hennef – „Ich bin sehr berührt. Es ist so schön, dass Sie alle hier sind.“ Sichtlich ergriffen war Roman Kovar, der in der Gedenkstätte für die Alte Synagoge in Geistingen den Kaddisch, ein altes, jüdisches Heiligungsgebet sprach, für das Seelenheil der Verstorbenen. Immer mehr und mehr Menschen strömten mit brennenden Kerzen auf die freie Fläche, auf der bis zum 10. November 1938 das Gebetshaus der jüdischen Gemeinde gestanden hatte. Heute erinnern nur noch Grundmauern an das Gebäude.
Einen Tag später als im Rest Deutschlands brannte in Geistingen das Zentrum der lebendigen Gemeinschaft. Die Pogromnacht kam 1938 mit einem Tag Verspätung. Fast genau zu der Stunde, als 1938 die Flammen aus den Fenstern schlugen, versammelten sich am Mittwoch beinahe 100 Menschen in der katholischen Pfarrkirche St. Michael zu einer ökumenischen Gedenkstunde und zum Gang des Gedenkens.
76 Jüdinnen und Juden wurden in Hennef Opfer der Nationalsozialisten
Im siebenarmigen Leuchter brannten Kerzen, der evangelische Pfarrer Niko Herzner begann seinen Beitrag mit: „Zachor – erinnere dich.“ Und er erinnerte an die wichtigen Beiträge, den die Hennefer Jüdinnen und Juden für die Stadtgesellschaft geleistet haben, an die Gewalt und das Unrecht, das an ihnen begangen wurde. Sein Amtskollege Christoph Jansen sprach Worte aus dem Psalm 130. Still war es im gut gefüllten, großen Kirchenraum, das Zachor hatte die Menschen erreicht.
Dorothee Akstinat, ehemalige Presbyterin, betete: „Ewiger Gott, wir gedenken einer Zeit, von der wir wünschen, dass es sie nie gegeben hätte.“ Zugleich aber forderte sie dazu auf, sowohl das Gedenken an die Toten als auch die Scham zu bewahren. Dabei ging es nicht nur um die Ereignisse rund um die Pogromnacht, sondern auch um die zunehmende Diskriminierung der Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt schon zuvor und später vor allem um die Deportation in die Vernichtungslager. Zu großen Teilen seien die Hennefer Juden ermordet worden.
Alex Bertling und Friedrich Grothe setzten mit „Donna, Donna“ einen nachdenklich stimmenden, musikalischen Beitrag, bevor Herzner zum zentralen Augenblick aufforderte: „Wir gedenken der Opfer.“ 76 Namen wurden vorgetragen, von Emma Baruch bis Werner August Wolff, allesamt Opfer der Nationalsozialisten.
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Konkret wurde es bei der Lesung aus Briefen der Familie Wolff und Erinnerungen an das KZ Theresienstadt des Niederländers Siegfried van den Bergh. Plastisch waren die Alltagsbeschreibungen des Lebens in diesem Lager, die das Grauen des Terrors nur andeuten, aber dadurch umso intensiver wirken. Erinnerungen gab es auch aus der Zeit kurz nach der Befreiung, als das Ausmaß des Holocaust noch gar nicht bei den Überlebenden angekommen war.
Erstmals hatten die Organisatoren Kerzen bereitgestellt, für jedes Opfer eine. Die Teilnehmer nahmen sie mit, und ein langer Zug bewegte sich über die Bergstraße zur Gedenkstätte und zu Kovar, der sie dort erwartete. Nach Gebet und Segen stellten die Gedenkenden die Lichter auf die Grundmauern.