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Holzpreise im KellerDer Borkenkäfer hat mit voller Wucht zugeschlagen

Lesezeit 4 Minuten

Gewaltige Kahlflächen sind in der Nutscheid entstanden, wo Bäume vom Borkenkäfer befallen waren.

Rhein-Sieg-Kreis – Wer in diesem Sommer an der Oberen Sieg durch die Waldgebiete streift, kommt aus dem Staunen nicht heraus. An Stellen, die es früher nicht vermuten ließen, ist der Blick auf das Siebengebirge frei. Bis weit in den Westerwald kann schauen, wer über die Höhen geht.

Und mancher Spaziergänger, der bisher meinte, sich wie in der berühmten Westentasche auf Forstwegen und Trampelpfaden auszukennen, erlebt sein blaues Wunder. Wo sich Fichtenwälder erhoben und Schatten boten, steht nichts mehr. Der Borkenkäfer hat mit voller Wucht zugeschlagen.

45 000 Festmeter geschlagen

„Bis hier wieder Wald entstanden ist, werden 30 Jahre vergehen“, ist sich Uwe Schölmerich, der Chef des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft in Eitorf, sicher. Allein im Revier von Volker Koch, der den Staatswald zwischen der Bundesstraße 256 im Osten bis nach Herchen im Westen betreut, wurden bis ins Frühjahr statt wie in „normalen Jahren“ 10 000 Festmeter Fichte 45 000 Festmeter Holz geschlagen.

Während mit Beginn des Sommers sonst die Harvester abziehen und die Motorsägen bis zum Herbst eingemottet werden, wurde in diesem Sommer ohne Pause weitergearbeitet. Forstarbeiter aus dem Baltikum sind ebenso im Einsatz wie Kollegen aus dem Allgäu. 600 Hektar Kahlschlag sind seit dem Frühjahr 2018 entstanden.

Mischwald für die Zukunft

Angesichts des Klimawandels stehen die Förster beim Aufforsten vor den nächsten Problemen. Ausbleibende Niederschläge und pralle Sonne heizen die Flächen im Sommer gewaltig auf und erschweren das Wachstum der nächsten Waldgenerationen. Es ist heiß, der Wind trocknet die Kahlflächen aus.

Für die Zukunft setzen die Förster auf eine Mischung. Unter anderem sind Lärche, Eiche, Kiefer, Eberesche, Aspe, Weide und Birke im Sortiment. Ganz auf die Fichte wollen und können sie nicht verzichten. Dass schon Kochs Vorgänger Karl Hoberg in den vergangenen 25 Jahren unter den Fichten mindestens 100 000 Buchen anpflanzen ließ, zahle sich auf einigen Flächen jetzt aus, berichtet Schölmerich.

Auf anderen Flächen, wo die Fichten fielen, sind Experimente gefragt – und jede Menge Pflege. Wuchernde Himbeeren bedrohten aufkeimende Jungbäume. Wild liebe ausgerechnet die Hoffnungsträger des Zukunftswaldes als Leckerbissen. Wie der Wald der Zukunft 2050 aussehen werde, sei offen. (sp)

Über Waldwege und Landstraßen nicht nur an der Oberen Sieg fahren Langholz-Lastzüge die unfreiwillige Ernte ab. Sägewerke in Belgien sind unter anderem das Ziel. Wo sonst Spaziergänger und Wanderer parken konnten, um dann auf ihren Ausflügen die Natur zu genießen, wurden provisorische Umladeplätze eingerichtet. Dort werden die auf 11,50 Meter geschnittenen Stämme in Container verladen, die dann bis nach China verschifft werden, weil der Markt in Deutschland die Holzmengen nicht verarbeiten kann.

Ganz nebenbei beschweren sich Anwohner darüber, dass die Fahrer, die meist vor Ort übernachten müssen, ihre Notdurft im Wald verrichten und Abfall hinterlassen. „Die Preise sind im Keller“, berichtet Schölmerich. 30 bis 40 Euro bekommt er für den Festmeter im Idealfall. 20 bis 23 Euro zahlt er, bis die Stämme fertig zum Verladen am Weg liegen.

Bäume kippen um

„Da bleibt nicht viel übrig.“ Und was der Staat als Waldbesitzer noch verkraften kann, treibt private Waldbesitzer in den Ruin. Über Generationen gepflegte Bestände, die früher als Sparkasse des Besitzers einiger weniger Hektar Forst galten, sind nichts mehr wert.

Erst in 30 Jahren werden wieder Wälder auf den Höhen der Nutscheid entstanden sein, wissen. Uwe Schölmerich, der Chef des Regionalforstamtes, und Revierförster Volker Koch.

Die vom Borkenkäfer befallenen Bestände einfach sich selbst zu überlassen, kommt für private Waldbesitzer ebenso nicht in Frage, wie für die Hüter der Staatsforste. „Irgendwann kippen die Bäume um“, beschreibt Schölmerich. Das Betreten des Waldes durch Erholungssuchende geschieht zwar auf eigene Gefahr. Unnötige Risiken wollen die Förster dennoch nicht eingehen. Schließlich haben viele Menschen in der Region in Zeiten der Corona-Krise den nahen Wald neu für sich entdeckt. Und auch dieser Trend zieht neue Probleme nach.

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„Da kommen Menschen in den Wald, die gar nicht wissen, wie sie sich dort verhalten müssen“, berichtet Volker Koch. Da werde manchmal geraucht und gegrillt. Allerdings seien die meisten Erholungssuchenden einsichtig, berichtet der Förster.