Haustiere im Rhein-Sieg-KreisIn der Pandemie sind fast 2400 Hunde hinzugekommen
Rhein-Sieg-Kreis – „Der tut nichts, der will nur spielen. – Oh, das hat er aber noch nie gemacht.“ Was als meist gesprochener Satz von Hundebesitzern gilt, erleben Spaziergänger, Jogger und Gartenbesitzer als bitteren Ernst: Hundebesitzer, die mit ihren Tieren nicht zurechtkommen. In zwei Corona-Jahren sind im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis 2372 Vierbeiner neu angemeldet worden, die meisten in Siegburg. Experten gehen von einer Vielzahl nicht angemeldeter Tiere aus.
Es seien zunehmend Tiere unterwegs, denen gutes Benehmen nicht beigebracht worden sei, berichtet ein Jogger aus Königswinter, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Ich merke schon von weitem, wie ein Halter drauf ist.“
Hunde desöfteren schlecht erzogen
Rücksichtsvolle Hundebesitzer leinten ihr Tier an, wenn ein Jogger entgegenkomme. „Andere lassen ihren Tieren freien Lauf. Die wuseln einem dann zwischen Beinen herum.“ Ob sie auch zuschnappten, wisse er im Voraus nie.
Much will für Jagdhunde keine Hundesteuer
Der Mucher Gemeinderat hat „Schweißhunde, Meutehunde und Hunde von Jagdausübungsberechtigten“ rückwirkend zum 1. Januar von der Hundesteuer befreit. Anlass war eine Anregung des Hegerings. Der hatte auf die gestiegene Zahl von Wildunfällen hingewiesen.
Bei jeder Suche nach verletztem Wild müsse ein entsprechend ausgebildeter Hund eingesetzt werden. Der Haupt- und Finanzausschuss hatte sich bereits Anfang Februar für die die Entlastung der Hundebesitzer ausgesprochen.
Dagegen argumentierte Gerd Binder (Grüne): Die Gemeinde verzichte auf 2000 Euro pro Jahr, im Übrigen sei aus ethischer Sicht der Tierschutz der Jagd vorzuziehen. Wenn Jäger beruflich unterwegs seien, könnten sie die Kosten steuerlich absetzen, für die anderen sei das eben ein Hobby. Peter Steimel (CDU) bewertete die Suche nach angefahrenem Wild als „Vorteil der Gemeinde“, die Steuerbefreiung entsprechend als Gegenleistung. Der Rat beschloss die Befreiung mit zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen der Grünen. (sp)
„Bei uns zäunen wir jetzt notgedrungen den Vorgarten ein“, berichtet eine Hausbesitzerin, die ebenfalls anonym bleiben möchte. Abgerissene Äste bei 60 Jahre alten Rhododendren und Pflanzen, die Hunde-Urin und -kot nicht überlebt haben, ärgern nicht nur sie.
Dass viele Hundebesitzer die Zeit und Mühe unterschätzen, die die Erziehung eines energiegeladenen Tiers kostet, bestätigt Meike Fröhlingsdorf, Betreiberin einer Hundeschule in Hennef: „Manch einer, der sich im Frühjahr 2020 einen Hund zugelegt hat, kommt erst jetzt zum Erziehungskurs.“
Dass klare Grenzen zu Beginn gesetzt werden müssten, sei vielen nicht bewusst. „Dabei haben wir unsere Kurse auch im vergangenen Jahr angeboten, als das pandemiebedingt möglich war“, betont Fröhlingsdorf.
Scharfe Regeln wie in Niedersachsen drohen
Viele Besitzer wüssten nicht, welche Verhaltensregeln in der Öffentlichkeit gälten. „Neulich habe ich beobachtet, wie jemand auf einem Winterweizen-Feld mit einer Ballschleuder den Hund in Trab hielt.“ Sie ließen ihre Tiere frei über Wiesen und Felder rennen und allein durch Wäldern streifen. „Es wäre schade, wenn das Benehmen einzelner zur Folge hätte, dass wir auch in Nordrhein-Westfalen Gesetze wie in Niedersachsen bekämen. Dort muss man die Hunde überall anleinen.“
Troisdorf verlangt höchste Hundesteuer
Bei der Hundesteuer liegt im Rechtsrheinischen Troisdorf mit 120 Euro an der Spitze. Königswinter liegt mit 60 Euro am Ende der Skala. Bei zwei Hunden zahlen Besitzer für beide je zwischen 110 und 150 Euro, bei drei Hunden zwischen 130 und 180 Euro pro Tier. Listenhunde kosten in Siegburg 1100 Euro, in Königswinter und Hennef 600 Euro. (sp)
Einen Zusammenhang zwischen der Pandemie, den Lockdowns und Arbeiten im Home-Office sieht Raphael Schramm, Vorsitzender des Vereins „Tierschutz für den Rhein-Sieg-Kreis“, der auch Träger des Troisdorfer Tierheims ist. „Wir spüren das Ende der Beschränkungen mit zeitlicher Verzögerung“, sagt er.
Wenn Menschen wieder täglich zur Firma führen, werde das Haustier schnell lästig. Noch krasser seien Fälle, in denen Besitzer zum Tierheim kämen, um einen Hund abzugeben, den sie tags zuvor bei Ebay gekauft hätten und mit dem sie nicht umgehen könnten. „Bei uns sind derzeit alle Boxen belegt“, berichtet Schramm. Wer einen Hund abgeben wolle, werde abgewiesen.
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Dass einzelne Besitzer ihre Tiere aussetzen, wertet der Tierschützer als „Kurzschluss-Verzweiflungsakt“. Dass dazu auch „eine gewisse Skrupellosigkeit“ gehört, räumt er ein. Viele hätten sich vorher keine Gedanken gemacht, was auf sie an Verantwortung zukomme. Er habe sogar Neubesitzer von Listenhunden – also als gefährlich geltenden Hunden – erlebt, die gar nicht gewusst hätten, was sie sich für ein Tier anschafften.
Nicht umsonst prüfe der Tierschutzverein jeden, der ein Tier aufnehmen wolle, auf die Eignung. Wer diese Prüfung verweigere, sei ungeeignet.
Dass es im Zusammenhang mit Hunden in den vergangenen zwei Jahren mehr Ärger gibt, kann Björn Langer für die Stadt Siegburg hingegen nicht berichten. Auch von vermehrten Hinterlassenschaften oder Beschwerden wegen Bellens wüssten die Fachämter nichts.