Königswinters BürgermeisterLutz Wagner: „Wir kommen um ein neues Rathaus nicht herum“
- Lutz Wagner ist seit einem Jahr Bürgermeister der Stadt Königswinter.
- Das Stadtoberhaupt zieht im Interview eine Zwischenbilanz.
- Mit seinem Plädoyer für ein zentrales Rathaus greift er ein Streitthema wieder auf.
Herr Wagner, gab es in Ihrem ersten Amtsjahr irgendwann mal einen Tag, an dem Sie es bedauert haben, dass Sie sich zum Stadtoberhaupt haben wählen lassen?
Lutz Wagner: Einen ganzen Tag nicht (schmunzelt).
Sondern?
Zunächst einmal: Unterm Strich bin ich absolut froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Mir macht dieser Job unheimlich viel Freude und bin dankbar dafür, dass ich ihn ausüben kann.
Jetzt kommt ein aber?
Aber es gibt Situationen, in denen Entscheidungen zu treffen sind – gerade auch personeller Art –, die nicht immer angenehm und einfach sind. Das ist zum einen neu für mich, aber es ist manchmal auch schwierig. Vor allem dann, wenn es die Beurteilung von Menschen oder Beförderungen angeht oder – auch diesen Fall gab es einmal schon –, dass ich jemanden entlassen muss, den ich noch gar nicht kennengelernt habe. Ich habe dabei allerdings den Anspruch, dass ich auf fundierter Grundlage entscheide und versuche mir eine möglichst gute Entscheidungsgrundlage zu erarbeiten.
Gab es Ereignisse, die Sie besonders positiv erinnern?
Sehr positiv war für mich die Unterzeichnung der Eisenbahnkreuzungsvereinbarung...
...die Grundlage ist für den Bau der Bahnunterführung an der Drachenfelsstraße, von der sich alle einen Schub für die Entwicklung der Altstadt versprechen...
...und sehr erfreulich war für mich, auch wenn es unter dem Strich eine schwierige Entscheidung war, die Sumpfweg-Entscheidung. Mit dem Ratsbeschluss (zur Aufhebung des Bebauungsplans; d. Red.) haben wir ein zähes Thema, das über Jahre ging, beendet. Das war ein guter Tag für die Klimafolgenanpassung. Ein Meilenstein ist aus meiner Sicht die Einrichtung der Stabsstelle für Bürgerbeteiligung, weil das die Voraussetzung ist, dass wir die freiwillige Bürgerbeteiligung sukzessive entwickeln und ausbauen können.
Wie funktioniert aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit „Ihrer“ Koalition aus KöWI, SPD und Grünen?
Das ist eine sehr gute, vertrauensvolle und ich denke auch sehr konstruktive Zusammenarbeit. Aber ich suche auch den Austausch mit den anderen Fraktionen...
...die anfängliche Schärfe seitens der Opposition scheint raus?
Das ist so. Und das halte ich für sehr gut und sehr wichtig für die Zusammenarbeit im Rat, denn wir haben ganz, ganz wichtige Themen vor der Brust. Wie den Klimaschutz. Ich wünsche wirklich, dass wir in dieser Frage mit einem breiten Konsens entscheiden können.
Zur Person
Lutz Wagner wurde am 4. Mai 1964 geboren. Der Diplom-Agrarökonom gründete in Königswinter in den 1980er Jahren die Grünen und später die Königswinterer Wählerinitiative (KöWI) mit. Im September 2020 gewann er die Bürgermeisterwahl gegen Peter Wirtz (CDU), der 21 Jahre im Amt war, überraschend schon im ersten Wahlgang. Am 1. November 2021 ist das Stadtoberhaupt ein Jahr im Amt. (csc)
Nach Ihrer Wahl hatten Sie von der Stadtverwaltung, deren Chef Sie seit einem Jahr sind, Loyalität eingefordert. Haben Sie die erfahren?
Ja. Mir ist sogar sehr viel mehr entgegengebracht worden. Ich bekomme von vielen Seiten eine sehr, sehr gute Unterstützung bei Themen, die mir wichtig sind.
Wegen Corona konnten Sie nicht so viele Bürgerkontakte pflegen, wie es ein neuer Bürgermeister normalerweise getan hätte. Gibt es Pläne, das nachzuholen?
Definitiv. Ich biete ja eine digitale Bürgersprechstunde an und hoffe, dass ich die fehlenden Kontakte damit ein bisschen kompensieren kann. Und ich hoffe, dass wir nächstes Frühjahr, was die pandemische Lage angeht, über den Damm sind. Ich plane ähnlich wie im Wahlkampf eine „Tour de Königswinter“, bei der ich mit der Verwaltung auch in die Ortsteile gehe.
Ich dachte in erster Linie an die vielen Veranstaltungen – von Dorffest bis Kirmes –, die nicht stattfinden konnten.
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Das ist leider alles flachgefallen. Das bedauere ich sehr, mir tut es vor allem für die Vereine leid. Umso erfreulicher ist aber, dass jetzt wieder Karnevalsveranstaltungen stattfinden können. Nichtsdestotrotz sollen wir alle weiterhin vorsichtig sein.
Vom Rück- zum Ausblick: Das Thema Klimaschutz steht jetzt ganz oben auf der Liste?
Das ist sicherlich das Leitthema schlechthin für die Entwicklung unserer Stadt für mindestens zwei Jahrzehnte. Wir haben als Kommune bestimmte Handlungsfelder, in denen wir unseren Beitrag leisten. Königswinter will – so zumindest der Beschlussvorschlag für die Sondersitzung des Klimaausschusses und des Rates – die Klimaneutralität ab 2035 anstreben.
Statt bisher 2050.
Diese Zahl habe ich selbst einmal vorgeschlagen, weil keine Zahl auf der Agenda stand und das Jahr 2050 damals auch auf internationaler Ebene ausgegeben war. Das ist längst überholt, nicht zuletzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Ist Klimaneutralität 2035 für die ganze Stadt Königswinter wirklich realistisch?
Das ist ein hoch, hoch sportliches Ziel. Aber es wäre falsch, jetzt schon die Ziele so anzupassen, dass man sich nochmal zurücklehnen kann. Wir müssen die Prioritäten und finanziellen Mittel ganz klar auf den Klimaschutz setzen.
Laut Leitzielen soll 2035 der größte Teil des Verkehrs in Königswinter durch Fußgänger, Radfahrer und Busse abgewickelt werden. Ist das in einer Flächengemeinde wie Königswinter mit gefühlt 80 Dörfern wirklich machbar?
„Das sind absolut sportliche Ziele“
Es ist vollkommen klar, dass Fuß- und Radverkehr und der ÖPNV das Auto nicht komplett ersetzen können, aber diese Verkehrsträger werden im Modal Split einen höheren Anteil bekommen, und wir müssen den motorisierten Individualverkehr möglichst durch E- oder Wasserstoff-Autos darstellen. Noch einmal: Das sind absolut sportliche Ziele, und wenn wir sie zwei oder drei Jahre später erreichen, dann ist das immer noch gut.
Für die Stadtverwaltung selbst soll das Ziel Klimaneutralität sogar 2030 erreicht werden?
Wir sind beim Thema Klimaschutz auf Bund, Land und Europa angewiesen, die müssen die entsprechenden Leitplanken einziehen. Wir müssen allerdings vor Ort das entsprechende Angebot schaffen, wo wir kommunal in der Verantwortung sind. Nehmen Sie den Gebäudesektor: Wir haben zum Beispiel drei sanierungsbedürftige Rathäuser und einiges dazu gepachtet. Und da lehne ich mich jetzt aus dem Fenster: Wenn wir als Verwaltung unser Leitziel 2030 erreichen wollen, dann kommen wir nicht darum herum, ein neues, hochmodernes und klimaneutrales Rathaus zu bauen.
Die Idee eines zentralen Rathauses hat vor Jahren für heftigen Streit in Königswinter gesorgt, Sie gehörten zu den Skeptikern.
Wir haben heute andere Rahmenbedingungen, etwa was die Veräußerungsmöglichkeiten der vorhandenen Immobilien angeht. Ich war auch aus ökonomischer Sicht skeptisch. Aber mir war als Ratsmitglied nicht so bewusst, unter welch engen Bedingungen die Kollegen hier in der Verwaltung zum Teil arbeiten müssen. Und die Verwaltung wächst weiter. Wir brauchen mehr Platz!
„Rathaus gehört in den Ortsteil, nicht an dessen Rand“
Und wo sollte das zentrale Rathaus hin?
Ich werde mich jetzt auf keinen Standort festlegen. Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass es in einem der beiden Mittelzentren – also in Oberpleis oder in der Altstadt – stehen sollte. Für mich gehört ein Rathaus in den Ortsteil und nicht an dessen Rand.