Frost und Regen haben den Weinbergen schwer zugesetzt. Teilweise erlebten die Winzer einen „Totalausfall“.
„Noch nie erlebt“Winzer aus dem Siebengebirge müssen schwere Ernteverluste hinnehmen
„Das Tückische am Frosteinbruch im April 2024 war, dass die Kälte stundenlang als Wand im Hang stand“, so Winzer Kay Thiel. 30 Prozent seiner Ernte seien allein dadurch vernichtet worden. Normalerweise würde der Frost wie eine Welle den Hang herabrutschen und somit nur die unteren Weinstöcke schädigen. Dieses Mal war es jedoch anders. Wie dieses Phänomen entstanden sei, würde zurzeit noch untersucht.
Die Winzer im Siebengebirge haben ihre Lese beendet, der Wein kann jetzt in den Fässern reifen. Die Ernte ist jedoch deutlich geringer als im vorigen Jahr. Bei Winzer Bernd Blöser aus Königswinter-Oberdollendorf, Präsident des Weinbauverbandes Siebengebirge, sind deswegen die Fässer mit jungem Wein nur zu 15 Prozent gefüllt. „So etwas wie in diesem Jahr habe ich noch nie erlebt. Macht sich der Klimawandel immer stärker bemerkbar?“ Zum Glück hat Blöser jedoch noch „flüssige Rücklagen“ aus den vorigen Jahren im Keller, mit denen er den Ernteverlust 2024 ausgleichen kann.
Weinberge von Blöser mit Scheurebe, Weißburgunder und Kerner waren 2024 in Königswinter ein Totalausfall
Eine alte Winzerregel besagt: Eine Ernte auf dem Hang, eine Ernte im Fass und eine Ernte im Keller. Spaßvögel ergänzen diesen Spruch mit: und eine Ernte auf dem Konto. Dafür hat Blöser zurzeit aber keinen Sinn. Ein Glück für ihn war, dass er auch auf pilzwiderstandsfähige (Piwi) Rebsorten gesetzt hat. „Auf den Hängen mit dem Regent und dem Muscaris haben wir vollen Ertrag.“ Die Wingerte mit Scheurebe, Weißburgunder und Kerner seien jedoch im Jahr 2024 ein Totalausfall gewesen. „Zum einen wegen des Frostes, zum anderen wegen des Pilzbefalls durch den starken Dauerregen im Frühjahr. Wir hatten einfach keine Chance“, so Blöser.
Dennoch hat Blöser Leseteams durch seine Hänge geschickt. „Was die Natur einem schenkt, möchten wir nicht am Rebstock verderben lassen“, so Vater Josef Blöser, der den Weinbaubetrieb schon lange an seinen Sohn übergeben hat, aber noch „ab und zu hilft“. Der Senior berichtet, dass früher eine Arbeitskraft im Hang im Prinzip „eine Flasche Wein als Stundenlohn bekommen hätte, heute sind es durch den Mindestlohn zwei.“ Wir haben unterm Strich bei der dreiwöchigen Lese in diesem Jahr draufgezahlt.
Blöser hat beobachtet, dass gerade junge Erwachsene trockene, einfache und frische Weine schätzen
Blöser setzt nicht nur auf hochpreisige Ware: „Die Mischung macht es.“ In letzter Zeit kämen auch immer mehr junge Erwachsene in seinen Weinladen. Sie würden sich an trockenen, einfachen und frischen Weinen orientieren. Es gebe aber auch ältere Stammkunden, die nehmen „wie immer eine Kiste Riesling Auslese“ mit.
Blöser übt Kritik an einer Entwicklung, die seiner Meinung nach in die „falsche Richtung“ ginge. Beim Blättern durch eine Weinzeitschrift zeigt er auf Testberichte, wo Winzer aus anderen deutschen Weinanbaugebieten inzwischen hundert bis zweihundert Euro pro Flasche nehmen. „Wer kann sich das noch leisten?“ Ein gutes Gläschen Wein am Abend dürfe nicht zum Luxusartikel werden.
Biowinzer Kay Thiel möchte und darf nicht alle gängigen Pflanzenschutzmittel einsetzen. Deswegen hat er neben dem Frost auch ein Drittel seiner Ernte durch den Pilz Falscher Mehltau verloren. „Nur der Ertrag von 40 Prozent der Trauben im Vergleich zum Vorjahr reift jetzt in den Fässern“, so Thiel. Vom Malinger werde keine einzige Flasche mit Jahrgang 2024 auf den Markt kommen: „An diesen Hängen hatten wir einen Totalausfall.“
Gegen den Pilz gespritzt hat Thiel in diesem Jahr erstmals mit einem Oktokopter: „Das hat den Vorteil gehabt, dass wir nicht auf die steilen und vom Regen matschigen Hänge klettern mussten.“ Die Drohne mit einem 40-Liter-Tank hätte das Pflanzenschutzmittel durch ihre Rotoren so verwirbelt, dass es auch unter die Blätter gelangen konnte. Dort müsse das Mittel nämlich hin. „Wir konnten uns in dieser Zeit um wichtigere Dinge kümmern“, so Thiel.
Für Biowinzer Kay Thiel aus Königswinter war 2024 ein schwieriges Jahr
„Für Biowinzer gibt es durchaus immer wieder Jahre, die schwierig sind“, berichtet Thiel. Dazu gehöre 2024 auf jeden Fall. Thiel setzt übrigens auf Weine, die noch reifen. „Kurz nach der Abfüllung sind sie noch ein wenig ruppig, aber in der Flasche im Regal gewinnen sie langsam an Qualität.“ So wird nach zwei Jahren Lagerzeit durch chemische Prozesse der Säureanteil bei einem Riesling deutlich abgebaut.
Als Biobetrieb bekommen Kay Thiel und Mitinhaberin Katrin Sensenschmitt auf ihren Flächen nur 80 Prozent des Ertrages, die ein konventionaler Winzer hat. Das mache sich natürlich auch in den Verkaufspreisen bemerkbar. „Unsere Kundschaft legt aber Wert auf diese Anbauweise.“ Die Nachfrage ist in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass Kay Thiel nun einen Weinladen in der Heisterbacher Straße 89 in Königswinter eröffnet hat.
Felix Pieper ist der größte Winzer im Siebengebirge. Auch er bestätigt, dass er durch Pilzbefall und Frost rund 15 Prozent weniger Ertrag als in den Vorjahren bekam. „Besonders die frühen Rebsorten wie Müller-Thurgau, Scheurebe und Kerner hat es erwischt.“ Der Frost hätte die Blüten stark geschädigt.
Bei Burgunder und Riesling sei der Ertrag jedoch stabil geblieben. „Es kommt auch immer ein wenig auf das Mikroklima der einzelnen Weinberge an“, erklärt Pieper die unterschiedlichen Erträge. Er sei da gut aufgestellt.
Die neuen Piwi-Rebsorten haben nach Meinung von Winzer Felix Pieper aus Königswinter eine Zukunft
Piwi-Rebsorten hat Pieper zurzeit „noch nicht auf seinen Hängen.“ Perspektivisch hätten diese pilzresistenten Weinstöcke eine realistische Zukunft. Der Konsument suche aber nach bekannten Sorten wie Riesling oder Grauburgunder. „Diese Bezeichnungen dürfen Piwi-Gewächse nicht tragen.“ Und dann werde es schwer, den Interessenten zu erklären, dass der Piwi-Wein genauso schmecke, aber eine andere Bezeichnung habe.
Winzer Karl-Heinz Broel spricht in diesem Jahr von „einem kleinen Jahrgang“. Auch er hat durch Frost und Pilzbefall rund zehn Prozent weniger Ertrag. Im Frühjahr 2024 sind wir noch optimistisch durch unsere Weinberge gegangen, im Herbst bei der Ernte wurde das dann jedoch „leider nicht bestätigt.“ Der heftige Regen im Juni und Juli hätte den Beständen sehr stark geschadet.
Alle vier Winzerbetriebe bieten übrigens keinen alkoholfreien Wein aus eigener Produktion an. Er würde immer wieder mal nachgefragt, aber keiner ist mit der Qualität des Getränkes, dem der Alkohol durch Erhitzung entzogen wird, zufrieden. Altwinzer Josef Blöser brachte es wie folgt auf den Punkt: „Ich teste jeden alkoholfreien Wein, den ich sehe. Aber bis jetzt habe ich noch keinen einzigen gefunden, der mir geschmeckt hat. Alle waren sehr süß - mehr aber nicht.“