Coronavirus im Rhein-Sieg-KreisKünstler in tiefer Krise
Rhein-Sieg-Kreis – Unter dem Namen „Rosa Aussicht“ kennen nicht nur Siegburger das Kreativ-Atelier der Künstlerin Martina Clasen. Ihre Perspektiven für die Zukunft sieht die Künstlerin allerdings alles andere als rosig. Alle Kurse sind bis auf weiteres abgesagt, Waldprojekte mit Kindern und Angebote im Altenheim sowie im Hospiz sind derzeit ebenfalls nicht möglich. „In Existenznöten“ sieht sich die Siegburgerin aber nicht allein. Auch Künstlerkollege Dirk Müller aus Lohmar-Durbusch hat Angst, bisher schon konnte er in der jährlichen Steuererklärung „höchstens an die 16 000 Euro bedienen“.
Konzerte und Kurse abgesagt
Hoffnungen setzte der 60-Jährige daher in die Soforthilfe des NRW-Kultusministeriums: 2000 Euro Zuschuss pro Person waren ausgelobt, „das hätte meine Ausfälle bis Ende April gedeckt“.
Tatsächlich aber gingen Clasen und Müller leer aus. „Ihr Antrag konnte leider in dem stark überbuchten Programm nicht berücksichtigt werden“, lautete die Antwort der Bezirksregierung. Die Mittel seien erschöpft, Rückfragen könnten nicht beantwortet werden. Von „großem Anklang“ spricht Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Pönsgen, 17 000 Anträge seien gestellt worden. Wie viele positive Bescheide ergingen, verrät das Ministerium in dieser Mitteilung nicht. „Es kann doch nicht sein, dass zuerst mahlt, wer zuerst kommt“, ärgert sich Martina Clasen. Immerhin mussten für den Antrag zahlreiche Bescheinigungen von Auftraggebern eingeholt werden – eine zeitraubende Aufgabe.
Ähnlich erging es vielen Künstlern in der Region. „Innerhalb von acht Minuten kam die Absage“, berichtet die Sankt Augustinerin Adele Wischner, die unter anderem im Portal Wahner Heide oder der Kreativwerkstatt auf Burg Wissem arbeitet. Dabei, so Wischner, habe die Stadt Troisdorf alle außerschulischen Veranstaltungen bis zu den Sommerferien abgesagt. Davon betroffen ist auch Masoud Sadedin aus Troisdorf, unter anderem Dozent der jährlichen Oster- und Sommerkunstschule der Kreativwerkstatt auf Burg Wissem. „Als freischaffende Künstler leben wir von den Kursen.“ Nach deren Absage hatte das Zuschussprogramm Hoffnung geweckt, „dass wir die Zeit überbrücken können“.
Freischaffende Musikerinnen und Musiker trifft die Krise ebenfalls. „Wir werden auf jeden Fall Einnahmeverluste haben“, bestätigt Pianistin Christine Gerwig aus Königswinter, mit ihrem Ehemann Efraín González im Duo unterwegs. Den Unterricht, wichtiges Einnahmestandbein des Paares, können die beiden derzeit digital fortsetzen. Aber: „Ich weiß von vielen, die hauptsächlich von Konzerten und Orchesterprojekten leben“, gerade in der Osterzeit bedeuteten diese einen Großteil des Jahreseinkommens. Anträge auf Soforthilfe hätten dennoch viele nicht gestellt. „Weil die Hürden so hoch sind.“
Schon jetzt laufen die Pläne für Weihnachten
Staatliche Hilfe zu beantragen ist für Rolf Pohle kein Thema, auch wenn die Absage von Konzerten „einen Einschnitt“ bedeute. Der Leiter von neun Chören in der Region zehrt von lang aufgebautem Vertrauen. „Wir reden miteinander, wir planen miteinander“, und nicht zuletzt wird Pohle auch weiterhin bezahlt. „Wir machen digitale Sachen, halten Besprechungen über Videokonferenzen“, schon jetzt läuft die Planung für Weihnachtskonzerte.
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Für Dirk Müller und Martina Clasen ist derzeit nur eines klar: Grundsicherung, die Ministerin Pönsgen-Pfeiffer als Möglichkeit den Kunstschaffenden ans Herz legt, werden sie nicht beantragen: „So tief will ich nicht sinken.“ Lieber ginge sie als Erntehelferin aufs Feld, sagt die Siegburgerin. „Aber die Bauern wollen einen ja auch nicht.“ Mehrfach habe sie sich beworben, nur Absagen bekommen.