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Freiwillige Helfer bem Spargelstechen in LohmarJede Stange ist ein Knochenjob

Lesezeit 4 Minuten

Belin Kouassi, hier im Gespräch mit der Autorin.

Lohmar – Im Schneidersitz hockt Dario Flick vor dem Erddamm. Der Lockenkopf versenkt das Messer bis zur Kerbe in der Krume, gräbt dann mit beiden Händen ein Loch drumherum. „Nicht buddeln“, ruft Albert Trimborn und stoppt den Feldversuch des Mathematikers. Der erfahrene Landwirt zeigt dem 23-Jährigen, wie man sich dem jungen Gemüse nähert: mit zwei Fingern und viel Gefühl. Denn neben der dicken Stange, deren Kopf schon aus dem Boden schaut, stecken ein, zwei, drei weitere, die, je nach Entwicklung, morgen, übermorgen und in drei Tagen gestochen werden. Und das im Stehen, mit gebeugtem Rücken – für das runde Dutzend Studenten auf den Spargelfeldern von Gut Schiefelbusch eine ungewohnte Tätigkeit.

15 Jahre lang konnten die Trimborns auf Saisonarbeiter aus Polen zählen, die meisten reisten nach Ostern an und ackerten – untergebracht in den Ferienwohnungen des Familienbetriebs – bis Johannis; am 24. Juni werden traditionell die letzten Stangen aus dem Erdreich geholt. Doch Corona stoppte die Osteuropäer. Das Hin und Her bei den Einreisebestimmungen, die zeitweilig unklaren Quarantäneregeln und die Angst, nicht ohne weiteres in die Heimat zurückfahren zu können, hätten seine Truppe abgeschreckt, bedauert Trimborn.

Bei den zarten Stangen ist Vorsicht geboten.

Ersatz war schnell gefunden, nach dem Aufruf auf der Facebookseite meldete sich ein ganzer Schwung Helfer, die zwar keine Übung, aber zumindest Motivation mitbrächten, lobt der Landwirt, selbst Vater von vier erwachsenen Kindern: „Die wollen zupacken.“ Einige ackern auf den anderthalb Hektar im Weiler Schnellhaus mit freiem Oberkörper in der Sonne, trotz der kühlen Morgenluft. Vor kurzem waren fünf weibliche 450-Euro-Kräfte am Start, in Spaghetti-Träger-Hemdchen, „da waren die Jungbauern ringsum in Aufruhr“, schildert Trimborn grinsend.

Begrenzte Einreise

Etwa 30.000 Erntehelfer dürfen nach dem anfänglichen Verbot einreisen nach Deutschland. Die meisten kommen aus Rumänien mit dem Flugzeug. Der Bedarf, schätzt der Lohmarer Landwirt Albert Trimborn, sei aber weitaus größer: „Es fehlen etwa 300.000.“ Er könne seine sieben Hektar Spargelfelder gut bewirtschaften und leite daher derzeit die Anfragen von Studenten und Leuten in Kurzarbeit weiter an Kollegen. Vor allem die größeren Betriebe und diejenigen fernab der Ballungsräume hätten Probleme, genug Helfer zu finden. (coh)

Lennart Tapken lässt die Muskeln spielen. Körperliche Arbeit ist dem angehenden Englischlehrer nicht fremd: „Sonst jobbe ich bei einem Möbelverleih für Veranstaltungen.“ „Sonst“ heißt vor der Pandemie, was danach kommt, weiß er nicht, nur dass jetzt die Miete fürs WG-Zimmer bezahlt werden muss. Der 23-Jährige zieht schwungvoll die dunkle Plane vom aufgehäuften Damm, sticht rasch in die Tiefe, legt ein, zwei, drei Stangen des königlichen Gemüses auf die Krone und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Tapken tritt in die Fußstapfen des Opas: „Der hatte ein Spargelfeld.“ Den Einsatz des Enkels erlebt er nicht mehr.

Der angehende Englischlehrer Lennart Tapken jobbt jetzt auf dem Spargelfeld.

Übung macht den Meister, das gilt fürs Vokabellernen genauso wie für die Landwirtschaft. Und natürlich kann niemand nach ein paar Tagen und Wochen auf dem Feld einer erfahrenen Kraft das Wasser reichen. Selbst wenn er so fit und geschickt ist wie der Maschinenbaustudent Belin Kouassi. Der hat nach der Schule erstmal Kfz-Mechatroniker gelernt und arbeitet sonst nebenbei in einer Werkstatt: „Da ist jetzt nichts zu tun“, sagt der 23-Jährige und blickt zufrieden in sein volles Körbchen: „Ich hatte schon weitaus schlechtere Jobs.“ Die neuen Kräfte erhalten Mindestlohn, so Trimborn, noch sei es für Leistungsprämien zu früh. Das hätten die Studenten selbst erkannt.

Albert Trimborn freut sich über jeden Helfer.

Einer der drei Polen, die doch noch gekommen sind und nun mit Hand anlegen beim Stechen und Sortieren, demonstrierte bei der Einarbeitung seine Fertigkeit und erntete Bewunderung: „Er ist genauso schnell wie wir alle zusammen“, raunte einer der Neulinge. Der Chef sieht das gelassen: Der Spargel werde in diesem Jahr voraussichtlich teurer, aber das betreffe alle Betriebe landauf, landab.

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Für Trimborn ist die Krise eine Chance, Verbraucher und Landwirtschaft wieder näher zu bringen: „Wer hier gearbeitet hat, kann sich über die Dumpingpreise im Supermarkt nur wundern.“ Die junge „Fridays for Future“-Generation sei auf einem guten Weg. Die heimischen Bauern zu unterstützen, für dieses Ziel nimmt Mia ter Horst auch Rücken- und Knieschmerzen in Kauf. „Wir haben doch gerade Zeit ohne Ende“, sagt die 22-jährige Fotografiestudentin, leert ihr volles Körbchen in den Anhänger und deckt die Plane über die empfindlichen Stangen. „Man kann doch das Gemüse nicht verrotten lassen.“