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Kein Personal, keine NachfrageAltenheimbau in Lohmar-Birk auf unbestimmte Zeit verschoben

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Parkplatz und Baugrundstück am Ortsrand von Lohmar-Birk

Der Grundstück in Birk (linke Seite) ist für ein Altenheim vorgesehen, wird aber vorerst nicht bebaut.

Der Parkplatz ist schon da. Ob das geplante Altenheim in Lohmar-Birk aber jemals gebaut wird, steht in den Sternen.

Es waren keine guten Nachrichten, die Reinhard Bartha, Aufsichtsrats-Vorsitzender des Evangelischen Trägervereins der Lohmarer Altenheime, im Sozialausschuss verkündete. Das Bauprojekt Pflegeheim Birk wird in absehbarer Zukunft wohl nicht realisiert. Batha, Pfarrer im Ruhestand und früherer Superintendent, sieht neben dem katastrophalen Personalmangel auch zu wenig Nachfrage.

Laut Pflegeplan des Landes Nordrhein-Westfalen werde es bei derzeit 252 Plätzen in Lohmar im Jahr 2030 sogar acht zu viel geben. 2040 seien es dann zwar 22 zu wenig, ein Pflegeheim lasse sich aber erst ab 80 Plätzen wirtschaftlich führen. „Die Belegungsquote müsse bei 98 Prozent liegen, sonst schreiben wir rote Zahlen“, sagt Bartha. Ein Drittel der Bewohner der beiden Heime in Lohmar und Wahlscheid komme schon jetzt aus dem Umland, aus Köln, Rhein-Berg und Oberberg. „Wir haben einen guten Ruf.“

Zimmer in Lohmarer Einrichtungen werden erst nach drei Tagen belegt

Es gebe zwar eine lange Warteliste mit vielen Lohmarern, wenn der Trägerverein dann anrufe mit der Nachricht: „Jetzt ist ein Platz frei“, schreckten die meisten vor diesem Schritt aber zurück. Das Zimmer könne nur drei Tage frei gelassen werden, Häuser anderer Träger belegten sogar aus Wirtschaftlichkeitsgründen sofort wieder.

Künftig werde es wohl viele andere Formen der Pflege geben, seit Anfang des Jahres lote eine Arbeitsgruppe die Möglichkeiten aus. Man wolle vor allem für die Lohmarer Senioren sorgen. Die Belegung wirke sich nicht auf den städtischen Haushalt aus, teilte die Pressestelle auf Anfrage mit. Für die Anträge auf Hilfe zur Pflege sei der Kreis zuständig, fnanziert werde das über die Kreisumlage. Durch höhere Einkommensgrenzen für die Zuzahlung würden Angehörige nur noch in Ausnahmefällen zur Kasse gebeten. Bewohner, die nicht aus dem Kreisgebiet stammen, müssten ihren Antrag beim heimischen Sozialamt stellen.

Warum ist die Pflege im Heim so teuer? Reinhard Bartha nannte Zahlen: Aus dem Zwölf-Millionen-Etat des Fördervereins fließen demnach allein zehn Millionen fürs Personal. Auszubildende erhielten monatlich mehr als 1000 Euro, Berufsanfänger 3600 Euro. Es liege nicht am Verdienst, dass so viele aussteigen, sondern an den Arbeitsbedingungen.

Die meisten Menschen wollten nicht ins Pflegeheim, jeder Dritte würde einen Suizid vorziehen, zitierte Reinhard Bartha aus einer bundesweiten Befragung. Dabei hätten die Menschen sicher die zehn Prozent der nicht empfehlenswerten Einrichtungrn vor Augen.

Grundstück gegenüber der neuen Grundschule soll freigehalten werden

Etwa 80 Prozent seien normal, zehn Prozent gut, „wir hoffen, dass wir zu den Guten gehören“. Tagespflege könnte eine Alternative sein, diese könnten schon ab einer Auslastung von 60 Prozent auskömmlich wirtschaften. Denkbar sei auch eine Verzahnung von ambulanten und stationären Angeboten in einem Wohnquartier.

Was passiert nun mit dem reservierten Grundstück in Birk, gegenüber der neuen Grundschule und der Kindertagesstätte? Das soll erstmal freigehalten werden, das empfliegt der Sozialausschuss dem zuständigen Sonderausschuss Birk. Der Antrag der Koalition aus Grünen, SPD und UWG wurde einstimmig beschlossen. Wenn sich der Ortskern entwickele und wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Baukosten normalisierten, dann habe der Trägerverein eine Grundlage, das Projekt wieder aufzugreifen, meinte der Aufsichtsratsvorsitzende, so oder in anderer Form.


Laut der Wirtschaftsprüfungsgeselschaft Curacon befinden sich 60 Prozent von den 2500 Pflege-Einrichtungen, die Curacon berät oder prüft, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Viele befürchteten sogar eine Insolvenz. Kürzlich schlossen Heime in Troisdorf, Ruppichteroth, Siegburg und Hennef. Im evangelischen Altenheim Seelscheid sind derzeit 20 von 125 Plätzen wegen Personalmangels nicht belegt. Die Umwidmung von Pflegebereichen in Mietwohnungen für Senioren sei überlegt, aber verworfen worden, so Leiter Frank Binder. Der leer gefegte Arbeitsmarkt macht auch den ambulanten Pflegediensten zu schaffen.