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FachkräftemangelLohmarer Dachdeckermeister lockt Gesellen mit Dienstwagen und mehr Urlaub

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann steht in einer Werkstatt an einer Schneidemaschine

Auf der Suche nach Fachkräften: Der Lohmarer Dachdeckermeister Cedric Gehring wirbt um Gesellen mit einem Dienstwagen.

Alle kriegen mehr Urlaub, manche mehr Geld oder einen Dienstwagen: Ein Lohmarer Dachdeckermeister wirbt offensiv um Gesellen.

Die Auftragsbücher sind voll, und Cedric Gehring sucht händeringend nach Dachdeckergesellen. „Ich muss etwas bieten“, sagt der 28-Jährige Meister. Alle seine sechs Gesellen bekommen mehr Urlaub, einige mehr Stundenlohn. Und andere einen Dienstwagen.

So will er auch zusätzliche Fachkräfte locken. „Die Gesellen kommen heute nicht mehr auf uns zu“, so seine Erfahrung, jeder habe in der Regel einen festen Job. Der Fachkräftemangel. Er wirbt mit Stellenanzeigen in den sozialen Medien um die Unzufriedenen, die bislang vielleicht aus Bequemlichkeit bei ihren Firmen blieben.

Mitarbeiter der Lohmarer Dachdeckerei kommen in Fahrgemeinschaften zur Baustelle

Mit dem vierrädrigen Benefit hebe er sich ab in der Branche, weiß der Juniorchef, der den Betrieb mit seinem Vater Achim führt, aus Gesprächen. Die Kollegen hätten ihn oft genug für verrückt erklärt: „Du mit deinen Autos“, heiße es dann. Auch für die Dachdecker-Innung ist Gehrings Offerte ungewöhnlich. Unter den 140 angeschlossenen Betrieben seien andere „Goodies“ eher verbreitet, teilt Geschäftsführerin Janine Fester auf Anfrage der Redaktion mit: „E-Roller, Diensthandys und Fitnessstudio-Verträge.“

Mobil zu sein, das sei für die Handwerker, die im weiten Umkreis wohnten und oft ländlich abgeschieden, doch immens wichtig, meint Cedric Gehring. Und wer mit seinem eigenen Fahrzeug vom Frühstückstisch direkt zur Baustelle fahren könne, spare viel Zeit und Stress. Nichtdestotrotz würden Fahrgemeinschaften gebildet, das rege er an: „Die Mitarbeiter sprechen sich ab.“

Montagmorgens treffen sich alle zur Wochenbesprechung in der Halle, die Gehrings in Hennef-Lauthausen angemietet haben. Zuvor lagerten Material und Werkzeuge in einer Garage am Firmensitz in Lohmar. Dort hatte der Vater vor rund 30 Jahren das Einzelunternehmen gegründet. Der Sohn machte in einem anderen Betrieb seine Ausbildung, stieg dann beim Vater ein, absolvierte den Meister in der Abendschule zusätzlich zum Vollzeit-Job, „das war hart“, sagt der Junior, der einst höherklassig boxte.

Vor sieben Jahren wurde das Lohmarer Einzelunternehmen in eine GmbH umgewandelt

Vor sieben Jahren wandelten Gehrings die Firma in eine GmbH um, der Name Geoplan steht nicht mehr nur für die Dachdeckerei, sondern für verschiedene Gewerke rund um die Altbausanierung, das Team besteht aus Installateuren, Elektrikern, Stuckateuren, Trockenbauern und Fliesenlegern.

Trotz des Einbruchs im Neubausektor sei Geoplan für die nächsten zwölf Monate ausgebucht, sagt der Juniorchef. Hausbesitzer investierten verstärkt in den Bestand: „Viele wollen eine Solaranlage, lassen vorher das Dach dämmen und neu decken.“

Lohmarer Handwerksbetrieb hat seit 2023 seinen Umsatz fast verdreifacht

Cedric Gehring humpelt durch die Halle, er hat sich das Bein gebrochen - beim Joggen. Aufs Dach kann er erstmal nicht. Er brauche selbständige Mitarbeiter, die nicht nur zupackten, wenn der Chef hinter ihnen steht, „und die will ich auch gut bezahlen“.

Das zahle sich letztendlich aus, genauso wie die Kommunikation mit den Kunden. Nicht auf das schnelle Geld komme es an, sondern auf Folgeaufträge, Zufriedenheit spreche sich in der Nachbarschaft rum. Die Zahlen zeigen, dass es läuft, sagt der 28-Jährige, „wir haben seit 2023 unseren Umsatz fast verdreifacht“. Damit überzeuge er auch seinen skeptischen Vater (56), „seine Generation, das ist oft noch alte Schule“.

Meinetwegen können alle ein Auto haben, es muss ja nicht das neueste Leasingmodell sein.
Der Lohmarer Dachdeckermeister Cedric Gehring wirbt um Gesellen mit einem Dienstwagen

Gibt es keinen Neid in der Belegschaft, wenn einer mehr verdient? Und wenn nicht bei jedem einen Dienstwagen vor der Tür steht? Nein, sagt Gehring. Er will besondere Leistung belohnen und auf individuelle Bedürfnisse eingehen: „Meinetwegen können alle ein Auto haben, es muss ja nicht das neueste Leasingmodell sein.“

Der Juniorchef, selbst zweifacher Vater, will fürsorglich agieren. „Ein Kollege hat Stress zu Hause, braucht kurzfristig Geld: Ich biete meine Unterstützung an.“ Ein anderer mache gerade seinen Führerschein, auch da könne er bei der Finanzierung helfen - gegen die vertragliche Zusage, im Betrieb zu bleiben. Ein Geselle aus der Ukraine schicke regelmäßig Lebensmittel zur Familie ins Kriegsgebiet, auch da übernehme er gegen Quittung die Kosten für die Einkaufsgutscheine, zum Beispiel.

Die Mitarbeiter dankten es ihm durch ihre Treue. Cedric Gehring spricht von „positiven Vibes, das entspannt die Leute“. Nicht zu unterschätzen sei der Einfluss der Partnerinnen: Wer daheim erzähle, was der Betrieb biete, bekomme in der Regel großen Zuspruch.

Bildet er selbst Leute aus, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? Ja, klar, aber Azubis seien mindestens genauso schwer wie Ausgelernte für die nicht nur körperlich anspruchsvolle Arbeit zu gewinnen. „In der vergangenen Woche war jemand zur Probearbeit da, heute hat er seinen ersten Tag. Wir hoffen, dass er bleibt.“


Zahl der Betriebe ist konstant

Das Dachdecker-Gewerk sei gefragt, die Zahl der Innungsbetriebe sei mit rund 140 über die Jahre konstant geblieben, sagt Innungsgeschäftsführerin Janine Fester. Viele Unternehmen hätten auf die Nachfrage nach Solaranlagen reagiert und sich modernisiert, das ziehe auch den Nachwuchs an. Beim Probearbeiten in den Betrieben erlebten die jungen Leute, die zunächst oft andere Branchen bevorzugten, zudem „die positive Stimmung, der Beruf ist eine Berufung, wer das macht, hat da richtig Bock drauf“. Die Arbeitsagentur Bonn/Rhein-Sieg listet 192 offene Gesellenstellen auf - im Umkreis von 50 Kilometern um Siegburg.