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„Essen auf Rädern“Lohmarer Gastwirt liefert seine Gerichte höchstpersönlich aus

Lesezeit 3 Minuten

Ralf Günther bringt die köstliche Fracht zu den Kunden.

Lohmar – Ding-dong. Wenn Ralf Günther sich abstrampelt, bleibt das nicht unbemerkt. Er klingelt, lächelt, hebt die Hand und blickt in freundliche Gesichter, einige flachsen: „Aha, Essen auf Rädern.“ Günther wirft flotte Sprüche zurück. Der Rollenwechsel macht ihm sichtlich Spaß: Der Koch aus dem Aueler Hof spielt in der Corona-Zwangspause regelmäßig den Kellner und bringt Menschen, die nicht mehr so mobil sind, mit dem Lastenrad ein Mittagsmahl ins Haus – alles ehrenamtlich.

Großer Wendekreis

Die Spur zu halten auf dem breiten Radweg der Wahlscheider Straße gelingt nach kurzer Zeit, doch Abbiegemanöver in schmale Wege und Einfahrten musste Günther erst üben. 2,60 Meter lang und 51 Kilogramm schwer ist das Fahrrad mit dem Transportbehälter, der aussieht wie eine überdimensionale Thermobox. „Es hat ja einen ganz anderen Wendekreis.“ Ein E-Motor unterstützt den 60-Jährigen, dessen rundlichen Leib eine Daunenweste wärmt: „Ich hab’ schon einige Kilos abgenommen“, schnauft er, „bin aber immer noch zu fett“.

Die Kunden spenden auch gern für das außergewöhnliche Engagement.

Ding-dong. Der E-Radler steigt in der Schiffarther Straße ab. Eine ältere Dame öffnet die Tür und strahlt: „Mittwoch ist Reibekuchentag.“ Den Rhythmus aus Nicht-Corona-Zeiten führt die Wirtsfamilie Günther fort, auch wenn der Aueler Hof geschlossen ist und alle Mitarbeiter in Kurzarbeit sind. Drei Gerichte gibt es aktuell täglich, die Vorbestellung für den „Lieferdienst“ läuft über eine Whatsapp-Gruppe oder Telefon. Seit einigen Tagen tätigen „Ralli und Friends“ auch Einkäufe – ausschließlich bei Händlern und Landwirten vor Ort.

Was anders ist:

Die Ehrenamtler-Truppe aus Familienangehörigen, Freunden, Bekannten und Mitarbeitern stemmt eine Sieben-Tage-Woche, wie schon im Frühjahr. Damals aber gab es nur die Abholung mittags am Nebeneingang, blieb der Koch zumeist hinterm Herd. Doch dem kölschen Jung, dem das „Du“ recht schnell über die Lippen kommt, fehlte der Thekenbetrieb, der Kontakt, vielleicht auch der lange Tag. Und Bewegung ist ja immer gut: Beim Fahrradhändler ein paar Häuser weiter orderte er seinen Schön-Wetter-Transporter.

Gut verpackt wird auch nichts so schnell kalt.

Von Wahlscheid geht es nach Neuhonrath, dann nach Honsbach. Auf der Agger gleißt die Sonne und lenkt von den Händen ab, die besser in Handschuhen steckten, so kühl ist der Fahrtwind. Günther erzählt von einer legendären Kneipe auf dem Berg, in der die Wirtin zu vorgerückter Stunde „blank zog“. Ein älterer Mann lugt hinter der Gardine hervor, kommt heraus und nimmt seine Portion Kalbsbratwürstchen mit Kartoffeln und Lauch entgegen. Das Ding-Dong hat sich der Lieferant gespart: „Der Herr ist 91 und hört nichts mehr.“

21 Kilometer auf dem Tacho

Günther rappelt mit der Spendendose, einen Euro sollten die Empfänger mindestens einwerfen, von dem Geld werden Lebensmittel gekauft, Überschüsse am Ende gespendet. Denn viele geben mehr. Wie der Mann, bei dem ein Ferrari unterm Carport steht und der sich über Reibekuchen mit einer Extraportion Matjes und Zwiebeln freut. An der letzten Station in Donrath bekommt Günther nicht nur einen Geldschein und ein herzliches Dankeschön, sondern auch warmen Kaffee und knusprige Florentiner. „Aber nur einen.“ Er klopft sich den Bauch.

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Zurück in Wahlscheid zeigt der Tacho 21 Kilometer an, der mobile Kellner schaut auf die Uhr: „Genau pünktlich, trotz Pause.“ Und schlüpft flugs wieder in die Koch-Rolle, stellt den Speiseplan für die nächsten Tage und seine Einkaufstour zusammen: „Beim Edeka steht schon eine Kiste Wirsing bereit.“

An der Gaststätte kommt die Thermo-Box ins Lastenfahrrad.

Nach dem Corona-Lockdown will der Wirt weiterradeln auf seinem Family-Bike. Die ausklappbaren Bänke im Transportbehälter bieten dann Platz für kleine Passagiere: „Meine Enkel.“