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FachkräftemangelLohmarer Händler lockt Mitarbeiter mit Appartements zum „günstigen Mietpreis“

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann sitzt an einem Tisch in einem Appartement

Supermarkt-Inhaber Günter Klein-Heßling in einem seiner sieben Appartements für neue Mitarbeiter.

Die Mitarbeitersuche scheitert oft am Wohnungsmangel: Ein Lohmarer Händler stellt nun sieben Appartements für neue Beschäftigte bereit.

Auf der Edeka-Internet-Plattform steht eine ungewöhnliche Stellenanzeige aus Lohmar: Der Einzelhändler Günter Klein-Heßling bietet neuen Beschäftigten möblierte Appartements zum „günstigen Mietpreis“. „Seitdem erreichen mich täglich Anfragen vor allem aus dem Ausland“, berichtet der 60-Jährige, die meisten über Agenturen.

120 Mitarbeiter beschäftigt Klein-Heßling in seinen drei Lebensmittelmärkten im Zentrum von Lohmar, im Stadtteil Birk und in der Nachbarstadt Siegburg, der überwiegende Teil in Vollzeit. 140 könnten es sein, doch der Arbeitsmarkt sei so gut wie leer gefegt. Von der Ausschreibung bis zur Besetzung vergingen oft Monate.

Lohmarer Einzelhändler lockt mit Deutschland-Ticket und Einkaufsgutscheinen

Das traditionsreiche Familienunternehmen sorgt durchaus selbst für Nachwuchs, bildet derzeit elf junge Leute aus, zwei Jahre bis zum Verkäufer, zur Verkäuferin, drei Jahre bis zum Einzelhandelskaufmann beziehungsweise zur Einzelhandelskauffrau. Etliche Lehrstellen sind noch zu besetzen.

Klein-Heßling hat nach eigenen Angaben kürzlich die Löhne erhöht - noch vor Abschluss der laufenden Tarifverhandlungen mit Verdi; alle Beschäftigten erhielten ein Deutschland-Ticket, er stellt ein Job-Rad zur Verfügung und bietet als zusätzliches „Bonbon“ Einkaufsgutscheine, diese Prämie habe einen Wert von 90 Euro netto im Monat, 1080 Euro im Jahr, rechnet der Kaufmann im Pressegespräch vor.

Über dem Edeka in Lohmar-Ort sollte eigentlich eine Arztpraxis einziehen

Nun also geht er unter die Vermieter, ist damit nach Information der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg Vorreiter in der Region. Ein logischer Schritt für ihn, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten: „Ich will agieren und nicht reagieren.“

Die Räume im ersten Stock des Edeka-Gebäudes an der Hauptstraße hatte er eigentlich für eine Arztpraxis vorgesehen. Es habe einen Interessenten gegeben, doch letztlich zog niemand ein. Im vergangenen Oktober begann er mit dem Umbau.

Appartements in Lohmar sind nur für Singles geeignet

Rund 300.000 Euro investierte Klein-Heßling, in neue Bäder, in Küchenzeilen mit Herd und Kühlschrank, in Möbel. Und in den Brandschutz. „Hier war vorher kein Atrium“, er zeigt in den kleinen Lichthof mit feuerverzinkter Wendeltreppe. Diese Installationen für insgesamt 50.000 Euro müssten noch abgenommen werden. Erst dann seien die sieben Appartements bezugsfertig. Steuervergünstigungen habe er hierfür nicht erhalten.

27 Quadratmeter misst das kleinste, 37 das größte Studio, in dem neben Bett, Esstisch und Stühlen auch Raum ist für eine Eckcouch. Sie sind für Singles gedacht. Familien haben hier keinen Platz. Die konkrete Miethöhe will der Händler nicht nennen. Nur so viel: Auch Azubis könnten sie sich leisten.

Es müssen mindestens zwei Mitarbeiter aus einem Land sein, damit sie sich nicht einsam fühlen
Edeka-Inhaber Günter Klein-Heßling über Bewerbungen aus dem Ausland

Aus der Belegschaft gebe es derzeit keine Nachfrage, bei Bedarf könnten selbstverständlich auch langjährige Mitarbeiter einziehen, sagt er. Und wenn das Modell erfolgreich wäre, sei es sicher ausbaufähig. Er könnte sich vorstellen, auch Wohnungen für Familien zu schaffen. Wenn auch nicht an diesem Standort.

Klein-Heßling ist offen für Bewerber aus dem Ausland. Voraussetzung sei die gute Beherrschung der deutschen Sprache. Er würde aber mindestens zwei aus einem Land einstellen, „damit sie sich hier nicht einsam fühlen“.

Einst brachten viele Firmen, meist große Unternehmen und wenige Mittelständler, ihre Mitarbeiter in Werkswohnungen unter; auch öffentliche Arbeitgeber, wie die Justizvollzugsanstalt Siegburg. An der Luisenstraße wurden diese Häuser vor mehr als 100 Jahren zeitgleich mit dem Gefängnis errichtet, teilte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen mit. In den Doppelhaushälften und Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 39 Wohneinheiten leben ausschließlich JVA-Beschäftigte und deren Familien.


Zahl der Werkswohnungen um 80 Prozent geschrumpft

Seit Jahrzehnten waren die Werkswohnungen kein Thema mehr, vor allem in Zeiten der Arbeitslosigkeit konnten frei werdende Stellen schnell besetzt werden. Gab es in den 1970er Jahren laut einer Studien des Verbandes Immobilienwirtschaft noch 450.000 Werkswohnungen in Deutschland, schrumpfte die Zahl auf knapp 100.000. Der Verband fordert aktuell den Bau steuerlich zu fördern. 50 Prozent aller Firmen suchten laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft derzeit händeringend Personal. Gleichzeitig schießen die Mieten in die Höhe. Die IHK Müchen, wo das Problem besonders drängt, hat das Thema bereits auf der Agenda. Die IHK Bonn/Rhein-Sieg weiß indes nur von einem Unternehmen aus dem linksrheinischen, das ähnliche Pläne wie Klein-Heßling verfolgt: Die Baummann GmbH & Co. KG Schwertransporte und Autokrane wolle Wohnraum für dringend gesuchte Fahrer schaffen.