Paukenschlag im Lohmarer Rathaus: Die CDU boykottiert die Ratssitzung zur Landes-Flüchtlingsunterkunft und erntet auch aus der Opposition scharfe Kritik.
Streit um FlüchtlingsheimRatsfraktionen verurteilen Boykott der Lohmarer CDU scharf
Die Zustimmung des Lohmarer Stadtrats zur Zentralen Flüchtlingseinrichtung des Landes (ZUE) schien nur noch Formsache zu sein. Doch die CDU-Fraktion blieb der Sondersitzung fern und verschickte 16 Minuten nach Beginn eine Pressemitteilung, in der sie namentlich die Bürgermeisterin Claudia Wieja und den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Horst Becker, deren Ehemann, angreift. Dem Vorwurf, die Ratsmitglieder seien nur Marionetten, widerspricht neben der Koalition auch FDP-Fraktionschef Norbert Kicinski aus der Opposition.
Er sei nicht nur überrascht gewesen vom Boykott der CDU, sondern „echauffiert“, sagte Kicinski im Gespräch mit der Redaktion. Die Vorwürfe seien unhaltbar. Nach einem einstimmigen Beschluss im Sozialausschuss und einer Mitteilung im Stadtrat seien alle Fraktionsvorsitzenden in die Vorbereitung der Entscheidung eingebunden gewesen.
Lohmars Stadtspitze band alle Faktionschef im Ältestenrat ein
Das waren aus der Koalition die Chefs von Grünen, SPD und UWG und aus der Opposition Tim Salgert von der CDU und seine Person für die FDP. Seit Wochen habe sich der Ältestenrat mit dem Thema befasst, sei von der Bürgermeisterin und dem Sozialdezernenten auch über Detailfragen informiert worden.
Kicinski bestätigt die Darstellung der Stadtspitze, dass in mehreren Konferenzen, auch per Telefon und Video, die Vorgaben des Landes und der Bezirksregierung thematisiert wurden, außerdem mögliche Standorte in der Stadt, die Anrechnung der Bewohner in der ZUE auf die Unterbringungsquote in Lohmar, eine massive Kostenersparnis für die Stadt und die weitere Verfügbarkeit der Turnhallen für den Schul- und Vereinssport.
Im letzten Treffen, als es um den möglichen Kauf der Grundstücke zwischen Autobahnzubringer und Kläranlage ging, hätten alle Kommunalpolitiker die Verwaltung beauftragt, die Verhandlungen voranzutreiben. Verabredet gewesen sei zudem, auf seinen Vorschlag hin, eine gemeinsame Presseerklärung der Fraktionen, geschrieben von Horst Becker, so der FDP-Chef: „Diese sollte zeitgleich mit der Presseinformation der Stadt herausgehen“, am Donnerstag.
Damit sei auch Tim Salgert (CDU) einverstanden gewesen. Das belegt eine E-Mail, die der Redaktion vorliegt. „Ich finde den Text gelungen und stehe dahinter,“ schreibt Salgert am Mittwoch und schlägt noch zwei Ergänzungen vor. In demselben Schreiben bat er indes um einen Aufschub, damit er die gemeinsame PM noch mit seiner CDU-Fraktion abstimmen könne, die allerdings erst fünf Tage später zusammenkam. Kicinski: „Daraufhin haben wir uns verständigt, die PM der Politik rechtzeitig und ohne die CDU-Unterschrift rauszuschicken.“
Rat von Lohmar beschließt Bürgerinfo und Einladung des Landesflüchtlingsbeauftragten
Die Vorwürfe an die Bürgermeisterin seien ungerechtfertigt, meint der FDP-Chef, entgegen der Darstellung der CDU hätten auch die Bürger in der Ratssitzung Fragen äußern können, die auch beantwortet wurden. Angekündigt worden sei eine Bürgerinformation, seine Anregung, den Landesflüchtlingsbeauftragten Jürgen Mathies (Staatssekretär a.D.) einzuladen, wurde aufgenommen.
Die Grünen nennen das Verhalten der CDU „unseriös“, in dem im Ratssaal ausgelegten Flugblatt und in der Pressemitteilung würden Falschaussagen transportiert. Der Stadtrat sei nicht übergangen worden, Bürgermeisterin und Beigeordneter hätten den mit dem Ältestenrat abgestimmten Beschluss-Vorschlag vorab kommuniziert und die Sondersitzung einvernehmlich terminiert, der Rat treffe die letzte Entscheidung, so Horst Becker, „die Abstimmung ist frei“.
Die SPD kommentiert am Tag danach: „Mitstimmen, Ja-Sagen, Nebelkerzen werfen, wegducken.“ Das Verhalten der CDU sei ein Armutszeugnis und feige, offenbar habe die Fraktion ihrem Vorsitzenden Tim Salgert das Vertrauen entzogen. Der Vorfall zeuge von „politischer Unkultur“, auch in der Opposition sei Verantwortung gefragt. Die habe Salgert im Ältestenrat bewiesen.
Bürgermeisterin Claudia Wieja nennt den Vorgang „ungeheuerlich“, so etwas habe sie in den Jahren und Jahrzehnten ihres kommunalpolitischen Engagements noch nicht erlebt: „Demokratisch wäre es gewesen, mit den Fragen, die die CDU ja offenbar noch hatte, in die Ratssitzung zu kommen.“ Sie verweist auf den klaren Auftrag des Sozialausschusses Mitte November. Ein schneller Beschluss sei notwendig gewesen, verteidigt sie die Beratung im Ältestenrat und die Sondersitzung. Vor allem, um nicht doch Turnhallen mit Flüchtlingen belegen zu müssen.
Zu dem oft kolportierten Vorwurf der CDU, das System Becker/Wieja habe wieder zugeschlagen, sagt die Bürgermeisterin: „Schade, dass die gebündelten Kompetenzen so desavouiert werden.“ Ihr Mann habe bereits in der Vergangenheit schon viele Türen für Lohmar öffnen können, davon hätten auch CDU-Bürgermeister profitiert.