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LohmarUkrainisches Baby getauft – während der Vater an der Front ums Land kämpft

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Pfarrer Markus Feggeler tauft Maksim. 

Lohmar – Als seine Mutter eilig Pampers in einen Rucksack stopft, ein paar Strampler, Sachen für den älteren Bruder Aleksander, da ist Maksim erst vier Wochen auf der Welt. Die Flucht aus Saporoschje führt nach Neuhonrath, ein Zufall und ein Glücksfall, meint Elizaveta Naumenko. Sie fühle eine große Verbundenheit, die heute auf besondere Art besiegelt werden soll: Pfarrer Markus Feggeler tauft Maksim, das sechs Monate alte Baby aus der Ukraine.

Lohmar: Zweisprachige Tauffeier eine Premiere

Der Säugling schaut mit großen Augen auf die vielen Menschen, die Großmütter Valeria und Tatiana und Urgroßmutter Amina tupfen sich mit Tempos die Tränen weg. Die zweisprachigen Segensfeier – die ehrenamtliche Sprachmittlerin Natalia Gehann übersetzt Ansprache und Bibellesung auf Russisch – sei eine Premiere für ihn, sagt Feggeler.

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Hartmut Schulz bannt die Zeremonie auf Video, umringt von den Taufpaten.

Und noch etwas ist anders: Jens Schulte hat Tontechnik installiert, Hartmut Schulz bannt die Zeremonie auf Video, schneidet und bearbeitet den Film, macht ein Langfassung auf DVD und eine kurze – für den Vater. Der heißt auch Maksim, ist 35 Jahre alt und verteidigt im Territoriumsschutz mit Waffen den Heimatort. Ein Bruder von Elizaveta ist ebenfalls im Krieg.

Man hält Kontakt über Nachrichtendienste, so gut es geht, schickt Fotos, kleine Filmchen, schildert die 28-Jährige, um die zerrissene Familie über die Entfernung zusammenzuhalten, die sich nicht nur in Kilometern misst. Es sind zwei Welten. Dazwischen die Sorgen.

„Verein Lohmar hilft“ steht Geflüchteten zur Seite

Da tut es gut, so angenommen zu werden wie in Lohmar, wo der Verein „Lohmar hilft“ nicht nur die Unterkunft in der Pfarrer-Tholen-Straße hübsch ausgestattet hat, in der mehrere Familien leben. Die Ehrenamtler helfen bei Behördenkram, bei Arztbesuchen und bei Konflikten. „Das bleibt nicht aus, wenn Menschen so eng zusammenwohnen“, sagt Vereinsgründerin Manu Gardeweg, eine der drei Taufpaten von Maksim.

Von Saporoschje nach Neuhonrath

Drei Kirchen unterstehen dem Papst

In der Ukraine hat den größten Anteil an Gläubigen die orthodoxe Kirche mit knapp 50 Prozent. Die ukrainische griechisch-katholische Kirche, die ruthenische griechisch-katholische Kirche und die lateinische Kirche unterstehen dem Papst in Rom. Die Familie Maksims sieht nichts Trennendes: „Wir sind alle Christen.“ (coh)

Taufgespräch mit Google-Übersetzer

Das Taufgespräch fand mit Hilfe des Google-Übersetzungsprogramms statt. Manu Gardeweg von „Lohmar hilft“ lobt die Offenheit und Freundlichkeit von Pastor Markus Feggeler. Auch die Nachbarschaft sei immer hilfsbereit: „Hier gibt es eine gute Willkommenskultur.“ (coh)

Auf der Flucht versiegte die Milch

Die Flucht in einem völlig überfüllten Zug, in einem Bus, mit Zwischenstationen in Dörfern, provisorischen Nachtlagern in Schulen, mit wenig Wasser und Essen und Hygiene steckt den Frauen noch in den Knochen, schildert die Mutter des Täuflings. Sie habe damals gestillt, doch nach kurzer Zeit versiegte ihre Milch. In Polen nahmen sie übers Internet Kontakt auf zu deutschen Helfern, einer holte sie in Dresden ab und nahm sie mit nach Neuhonrath, half bei den ersten Formalitäten und nahm sie bis zum Umzug in die Unterkunft in seinem Haus auf. (coh)

Die Predigers aus Seelscheid sind ebenfalls Paten. „Dirk hat Amina aus Warschau abgeholt“, erzählt Anne Prediger. Die Urgroßmutter (81) wollte erst nicht weg, wegen der Katzen. Die wurden untergebracht, Tiere sind in der städtischen Unterkunft verboten. Tochter Milena Prediger hat lange an der Taufkerze gebastelt, dass darauf Maxim steht, mit x, so wie an sie übermittelt, ärgerte sie ein wenig, kümmert aber keinen.

40 Liter Limo stehen bereit, der Plov, ein Reisgericht mit Fleisch, und sechs Torten warten im Kühlschrank auf die Gäste, Natalia hat als Taufgeschenk einen selbst gebackenen Kuchen in Kreuzform mitgebracht, immer wieder wird sie gerufen, um zu dolmetschen, sie hilft auch bei allen Fragen der Reporterin.

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Die zarte Elizaveta, die alle Lisa nennen, scheint zu schweben in ihrem weißen, langen Kleid. Valeria, Amina und Tatiana sind wie aus dem Ei gepellt. Die schicken Klamotten kommen von Melanie Bungart, einer weiteren Ehrenamtlerin, die ihren Kleiderschrank anlässlich der Taufe öffnete. Sie selbst trägt blau-gelb und einen Ukraine-Sticker. „Das muss sein an diesem Tag.“

Heute wird gefeiert, was morgen kommt, wer weiß? Lisa und Valeria betonen: „Wir haben keine Angst vor Arbeit.“ Die Tochter ist Floristin und Gärtnerin, ihre Mutter Krankenschwester mit Qualifikation in Psychologie und Optometrie. Sie haben schon beim Krewelshof reingeschnuppert, ein Job, das wäre doch ein Anfang. Die größte Hürde, die deutsche Sprache, türmt sich noch auf vor ihnen. Valeria kann zumindest englisch und erweitert ihre Deutschkenntnisse, wenn sie ehrenamtlich mit anpackt im Lager von Lohmar hilft.

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Urgroßmutter Amina mit einer von sechs Torten.

Manchmal übersetzen die Jungen: Aleksander, der elfjährige Bruder von Maksim, und Ivan, Elisavetas 15-jähriger Bruder, formal Neffe und Onkel, eigentlich dickste Freunde, die die internationale Klasse am Gymnasium Lohmar besuchen. Auch sie heute piekfein. Der schlaksige Ivan, der derzeit mit seinem Lauftalent Furore macht im Kreis, ringt sich ein leichtes Lächeln ab, was seine Mutter freut: „Er hat nach der Flucht wochenlang gar nicht gesprochen.“

Pastor Feggeler garniert die Tauffeier mit Humor und löst die Befangenheit mit warmen Worten: „Ich wünschen Ihnen viel Vertrauen und einen festen Glauben im Herzen, dass alles gut wird.“