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Flucht aus der UkraineLohmarer brachten Spenden nach Polen und Familien mit zurück

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Ankunft in Siegburg: Das bedeutet Sicherheit, aber auch eine ungewisse Zukunft für die Geflüchteten aus der Ukraine.

Lohmar/Siegburg. – Der Aufruf war so kurzfristig wie erfolgreich. „Hallo zusammen“, hatte am vergangenen Freitag gegen 20 Uhr Dirk Manzei, Wirt des „Kapellchen“ in Siegburg, auf seiner Facebook-Seite geschrieben. „Wir fahren am Sonntag um 3 Uhr Richtung ukrainische Grenze, um Hilfsgüter runterzubringen und Flüchtlinge mitzubringen.“

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Aufbruch in der Nacht zum Sonntag: Die Helfer vor dem Start.

Nicht irgendetwas wollten Manzei und seine Mitstreiter in das Krisengebiet mitnehmen, sondern dringend Benötigtes, das sie vorher über eine ukrainische Nachbarin aus Birk erfragt hatten. Ergebnis: „Wir brauchen Decken, Schlafsäcke, Isomatten.“ Die Reaktion folgte prompt.

Überwältigendes Echo auf Spendenaufruf

Da brachte jemand 60 Liter Diesel vorbei, ein anderer 500 Euro, um sie an bedürftige Familien vor Ort zu verteilen.

Passende Sachspenden

Die Hilfsgüter müssten auch die richtigen sein, sagt Andreas Stüber. Über Kontakte nach Polen und in die Ukraine waren die Lohmarer informiert. Medikamente hatten sie ebenso im Gepäck wie Lebensmittel, Decken und Schlafsäcke. Außerdem hatten sie Hygienebeutel mit Shampoo, Seife, Zahnbürsten und Zahnpasta in kleinen Größen gepackt.

Wenig sinnvoll sei es, Kleidung an die Grenze zu bringen. „Berge von Kleidung“ häuften sich zum Beispiel im Auffanglager in Chelm. Aber das sei für die Menschen total nebensächlich, wie auch ein Ehrenamtler vor Ort bestätigt habe: „Wenn die Menschen nur einen Rucksack haben, damit sie schneller laufen können.“ (dk)

Zwei Einkaufswagen mit Decken und Schlafsäcken füllte eine andere Siegburgerin in einem nahen Discountmarkt und brachte sie zum Sammelplatz.

„Nehmt mein Auto“, bot schließlich kurz vor der Abfahrt Robert Rossa vom „Nordbahnhof“ an. „Dann habt ihr einen Platz mehr im Auto.“ Eine solche Welle der Hilfe überwältigte Manzei förmlich. „Mir standen sehr oft die Tränen in den Augen“, räumt er ein.

Mitfahren konnte er wegen einer plötzlichen Erkrankung nicht, in der Nacht zum Sonntag machten sich Andreas Stüber und Günter Klein-Heßling mit zwei weiteren Freunden aus Lohmar auf den rund 1700 Kilometer langen Weg.

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Anfangs mit viel Adrenalin, später zunehmend nervös fuhren die Helfer nach Osten: „Wir wussten ja nicht, was uns erwarten würde.“

„Am Anfang wie Urlaub“ sei die Fahrt auf guten Autobahnen gewesen. Doch wuchs mit der Nähe zum Zielort, dem polnischen Chelm, die Anspannung. „Weil man nicht weiß, was einen erwartet.“

In einem Warehouse der Stadt luden die Lohmarer ihre Hilfsgüter ab, schon tags darauf sollten sie in die ostukrainische Stadt Charkiw gebracht werden.

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Im polnischen Chelm wurden die Hilfsgüter auf einen Lastwagen verladen, der schon tags darauf nach Charkiw fahren sollte.

Der schwierigste Moment stand den Helfern da noch bevor: „Herzzerreißend“ nennt Familienvater Andreas Stüber den Besuch in der größten Turnhalle der Stadt.

Zwölf von 1000 fuhren mit zurück

1000 Menschen seien dort untergebracht. Vier Mütter und acht Kinder stiegen schließlich in die beiden Kleinbusse, vermittelt von einem polnischen Ehrenamtler. Allesamt Mitglieder einer größeren Familie, so erfuhren die Helfer, geflüchtet „zwischen zwei Bombardements“ auf ihre Heimatstadt Korosten in der Nähe Kiews.

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„Schwer traumatisiert“ seien wohl vor allem die Kinder, zwischen zwei und 17 Jahre alt, berichtet Stüber. Schreiend sei ein Junge aus dem Schlaf aufgeschreckt, viele Tränen seien auf dem Weg in die so ungewisse Zukunft geflossen. Und die Sorge bleibt um die Menschen, die zurück blieben: die erwachsenen Söhne einer der Frauen, eine Großmutter, die das Vieh auf dem Hof nicht verlassen wollte.

Rückfahrt fast ohne Rast

Sie sollten sich vor der Dunkelheit auf den Heimweg machen, rieten die Ehrenamtlichen in Chelm den Lohmarern. Später könne die Fahrt riskant werden, denn nicht jeder im Grenzgebiet habe nur Gutes vor. Die Reisenden mit Ziel Rhein-Sieg-Kreis blieben jedoch unbehelligt, konnten dank mitgebrachter Dieselkanister auch die ausverkauften, geschlossenen oder restlos überfüllte Tankstellen einigermaßen gelassen passieren.

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Im Siegburger Parkhotel Kranz öffneten die Besitzer Bernd und Rüdiger Kranz die Zimmer für die geflüchteten Mütter und Kinder.

Fast ohne Pause ging es nach Westen. 3500 Kilometer und 30 Stunden nach dem Start kehrten sie am Montag nach Siegburg zurück, wo die Hoteliers Rüdiger und Bernd Kranz für die Geflüchteten Hotelzimmer öffneten.

Bald aber sollen die Mütter und Kinder in eine Flüchtlingsunterkunft in Lohmar umziehen können. Auch dort können sie auf Hilfe zählen. Stüber: „Wir haben persönlich die Verantwortung für die Menschen übernommen, die wir geholt haben.“