Rettung vor dem MähtodAktivisten in Lohmar suchen Rehkitze mit Drohnen
Windeck/Lohmar – Die Ansagen sind kurz, knapp und deutlich: „Noch zwei Meter links, jetzt direkt vor dir.“ Andrea Surrey hat ihre Finger sicher an den Bedienelementen der Drohne, und ihre Kollegin schaut auf den Bildschirm der Wärmebildkamera, die an der Drohne montiert ist. Ein weißer Punkt auf dem Wärmebildmonitor hat den Suchern von Rehkitzhilfe-Lohmar in Windeck-Röcklingen den Liegeplatz eines Rehkitzes verraten. Manchmal finden die Tierschützer aber kein Rehkitz, sondern einfach nur einen Holzpfosten, der von der aufgehenden Sonne bereits aufgewärmt worden ist.
„Ich hätte eigentlich mit zwölf bis 14 Kitzen gerechnet“, sagt Jagdpächter Harald Markmann, der das Team für den Tag des Mähens erstmals engagiert hat und der sich für den erfolgreichen Einsatz mit einer Spende bedankt hat. Er ist zuständiger Jäger im Jagdrevier Windeck-Herchen IV mit einer Fläche von 290 Hektar.
Kein Rehkitz kam zu Schaden
Am Ende sicherte das Team mit insgesamt zwölf Personen – sechs von der Rehkitzhilfe und sechs vom Jäger organisiert – am frühen Freitagmorgen bei der vierstündigen Suche lediglich ein Rehkitz und auch einen kleinen Feldhasen. „Das ist uns das erste Mal mit der Drohne gelungen“, sagt Andrea Surrey. Am späten Abend kam dann der erlösende Anruf: Bei der Mahd ist kein einziges Kitz zu Schaden gekommen.
Gutes Versteck im hohen Gras
Ab Ende April bis Ende Mai bringen die Rehmütter ihre Kitze in den Wiesen zur Welt. Wie Jungtiere vieler Arten verstecken sich die Rehkitze instinktiv im hohen Gras vor Räubern wie Greifvögeln, Füchsen oder Mardern. Sie haben in den ersten zwei Wochen keinen Eigengeruch und sind zusätzlich mit ihrem fleckigen Fell gut getarnt. Die Ricken beobachten ihren Nachwuchs aus der Ferne und nähern sich ihm nur zum Säugen. (que)
Im Laufe des Vormittags steigen die Helfer immer wieder in ihre Autos und fahren das nächste Feld an. Acht Felder und rund zwölf Hektar sind es an diesem Morgen, bevor wegen der Wärme die Suche beendet werden muss. „Wenn die Sonne zum Beispiel einen Maulwurfhügel erwärmt, dann ist das für uns falscher Alarm und kostet wertvolle Flugzeit“, erläutert Andrea Surrey.
Die 53-Jährige aus Lohmar-Weeg engagiert sich seit einem Erlebnis vor vier Jahren: „Ich bin damals beim Hundespaziergang über ein zerstückeltes Kitz gestolpert.“ Daraufhin machte sie sich auf die Suche nach Mitstreitern.
Drohne entspricht nicht mehr Stand der Technik
Zu Beginn liefen die Ehrenamtler zu Fuß durch die Felder, ab 2020 sammelte Surrey Geld für die 6000 Euro teure Drohnen-Ausrüstung, damit die Suche während der Pandemie und den Kontaktbeschränkungen weiter gehen konnte. In der ersten Saison waren es 20 Freiwillige in einer Whatsapp-Gruppe, in der mittlerweile 100 Personen angemeldet sind, die auf Abruf bei den Suchen zu Fuß als Menschenkette helfen.
Es gibt auch noch eine extra Whatsapp-Gruppe für die sechs Drohnen-Piloten plus Helfer. „Es muss alles zusammen passen. Einer fliegt, einer schaut auf den Wärmebild-Monitor und einer beobachtet die Drohne in der Luft“, so Andrea Surrey.
Über vier Walkie-Talkies kommuniziert sie dann mit den Läufern, die sich im Feld verteilen, um möglichst kurze Wege zu den Fundorten zu haben. Sechs Akkus a 100 Euro habe sie mittlerweile in der Ausrüstung und jeder Akku halte lediglich 15 Minuten.
„Unsere Technik ist leider nach drei Jahren veraltet. Mit den 6000 Euro könnten wir uns heute eine neue Ausrüstung zusammenstellen, die fünf mal so viele Flächen in der gleichen Zeit absuchen kann und dank der höheren Auflösung wir frühzeitig schon erkennen können, was wir gefunden haben“, erklärt Andrea Surrey, die Sponsoren und Unterstützer sucht. Das System steht schon fest und wird mit der bisherigen Drohne kompatibel sein.
Lohnunternehmen übernehmen Mäharbeiten
Eigentlich sei der Landwirt vor dem Mähen verpflichtet, das Feld nach Rehkitzen abzusuchen. Früher hätten das die Bewohner aus dem Dorf gemacht. „Heute sind die meisten Landwirte nur noch im Nebenerwerb auf den Feldern aktiv“, sagt Harald Markmann.
Lohnunternehmen übernähmen oft die Mäharbeiten. Mit bis zu 13 Metern Mähfläche und über 15 Stundenkilometern sind diese unterwegs und da haben die Kitze und andere Wiesenbewohner kaum eine Chance.
Das Netzwerk von Andrea Andrea Surrey funktioniert derweil immer besser. Immer mehr Jagdpächter oder Landwirte melden sich bei ihr und nehmen die kostenlose Unterstützung in Anspruch. Der Einsatz erstreckt sich mittlerweile von Lohmar aus in Richtung Overath bis nach Seelscheid.
Im Aggertal und Naafbachtal und deren Höhenzügen liegen die Haupteinsatzflächen. Anfragen kommen verstärkt auch aus Richtung Wahnbachtal und der Gegend um Much.
Mehr als 80 Kitze und weitere Tiere gerettet
Mittlerweile konnte das Team bereits über 80 Kitze und weitere Tiere wie Nutrias, Hasen oder Katzen schützen. Die erste Kitzrettung in dieser Saison war am 8. Mai. Ihren Rekord stellte die Truppe am 30. Mai auf. „Da haben wir sieben Kitze aus den Feldern geholt, und zusätzlich sind noch vier weggesprungen“, berichtet Andrea Surrey und ist an diesem Morgen froh, wenigstens zwei Jungtiere gerettet zu haben.
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Bei dem Kitz hat Petra Beyer aus Lohmar beherzt zugegriffen und es schnell mit Handschuhen an den Feldrand getrogen und unter einem Wäschekorb positioniert. „Das war heute mein erster Einsatz“, sagt die angehende Jägerin.