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Hunderte ZuschauerLandwirte setzen mit Lichterfahrt ein Zeichen gegen das Höfesterben in Rhein-Sieg

Lesezeit 3 Minuten
Ein weihnachtlich geschmückter Traktor.

Wie ein Schlitten mit Rentier sieht dieser Traktor aus.

93 weihnachtlich geschmückte Traktoren machten sich von Lohmar aus auf den Weg durch die Region. Hunderte Menschen säumten die Straßen.

„Wir können los“, gibt die Polizistin Klaus Weber zu verstehen und der Lohmarer Landwirt, der mit seinem Traktor die Schlange anführt, setzt sein Fahrzeug in Bewegung. Bald schon rollen 93 weihnachtlich geschmückte Traktoren und Lastwagen vom Parkplatz an der Jabachhalle in Lohmar auf die Straße, wo bereits hunderte Menschen ihre Smartphones zücken.

Ein beeindruckendes Zeichen senden die Landwirtinnen und Landwirte da am Samstagabend. Von Lohmar aus rollen sie gemeinsam nach Siegburg, Troisdorf, Sankt Augustin – dort übergeben sie eine Spende an die Kinderklinik – nach Hennef, Much und Neunkirchen-Seelscheid. Doch eigentlich ist die Lichterfahrt eine Demonstration. Die Teilnehmenden werben für die Belange der Landwirtschaft.

Teilnehmer an Lichterfahrt kommen aus dem gesamten Rhein-Sieg-Kreis

Um 16.15 Uhr stehen nur wenige Traktoren an der Jabachhalle. Dann aber, innerhalb von 20 Minuten, rollen dutzende landwirtschaftliche Fahrzeuge an. Viele haben Lichterketten in den Reifen und an der Karosserie, Boxen auf einem Anhänger, aus denen „Last Christmas“ schallt. Andere transportieren aufblasbare Schnee- und Weihnachtsmänner oder Tannenbäume, ein Team hat sich richtig Mühe gegeben und einen Schlitten samt Rentieren aus Lichterketten gestaltet.

Weihnachtlich geschmückte Traktoren.

Dutzende geschmückte Traktoren rollten über die Lohmarer Hauptstraße.

Die Teilnehmenden kommen aus dem gesamten Rhein-Sieg-Kreis, zwei von ihnen sind mit Oldtimern – Baujahr 1957 – aus Bornheim hergefahren. Zweieinhalb Stunden hat das gedauert, die Kennedybrücke in Bonn lag auf der Strecke.

Klaus Webers Töchter Anna und Bianca gehen herum, sammeln Spenden für die Kinderklinik in einer Milchkanne. „Die Fahrt hat einen Demo-Charakter: Wir wollen auf unsere Sorgen und Nöte aufmerksam machen, dabei aber auch ein Funkeln in den Augen der Menschen hinterlassen und sie dazu anregen, über unsere Landwirtschaft nachzudenken“, sagt Weber.

Lohmarer Landwirt beklagt immer höhere Auflagen seitens der Politik

Immer mehr Produkte würden billig aus dem Ausland importiert, wo sie mit Mitteln produziert würden, die hier verboten seien. „Wir kriegen immer höhere Auflagen: uns wird gesagt, was wir machen müssen, nicht, was wir machen dürfen“, klagt Weber. Besonders stört ihn das drohende Glyphosat-Verbot. Das Pflanzenvernichtungsmittel steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

Ein weihnachtlich geschmückter Traktor.

Dieser Traktor transportierte aufblasbare Schneemänner.

„Damit kriege ich den Hektar in einer halben Stunde sauber. Mit dem Pflug würde das fünf bis sechs Stunden dauern und manches Unkrat, Quecken etwa, kriegt man damit nicht weg“, sagt er. „Ich benutze es nur, wenn es nötig ist. Und die Artenvielfalt zerstört es auch nicht, nach sechs Wochen wächst da neues Gras.“ So sieht Weber das. Und fügt hinzu:

„Wir sind kein Bullerbü, wir pflegen Kulturlandschaften. Wenn zwischen Weizen und Zuckerrüben Beipflanzen wachsen, werden die Produkte unrein.“ Und dann seien da noch die Energiekosten. Er sei Landwirt mit Herzblut. „Wir werden gesehen, aber nicht gehört.“

Hunderte Menschen bestaunen die Lichterfahrt an der Lohmarer Hauptstraße

Mittlerweile ist es kurz vor 17 Uhr, der Start steht bevor. Anna und Bianca mit ihrer Milchkanne haben längst den Überblick verloren, wo sie schon gesammelt haben. Außer Konkurrenz fährt der Trecker des vierjährigen Elias mit: Auf seinem kleinen Trettraktor samt Anhänger steht ein geschmückter Weihnachtsbaum.

„Er findet das total toll“, sagt sein Vater Luis Henrich-Held. „Wir waren schon im Lockdown 2020, wo die Aktion erstmals stattfand, begeistert und sehen uns das jedes Jahr an. Das ist eine tolle Initiative. Auch wir unterstützen unsere Landwirte, es ist toll, dass sie für uns da sind“, sagt er.

Auf der Hauptstraße in Lohmar stehen bereits hunderte Menschen. Die Feuerwehr hat ihre Fahrzeuge auf den Hof gefahren, die mit Blaulicht die Traktoren begrüßen. Die Drehleiter ragt über die Straße, am Korb hängt ein beleuchteter Weihnachtsstern. 12 Minuten dauert das Spektakel, dann sind die Traktoren vorüber gefahren – und hinterlassen, wie von Klaus Weber gedacht, ein Funkeln in den Augen der Zuschauenden.