Neue GleiseVerkehrsexperten sehen hohes Potenzial in Strecke Siegburg–Overath
- Es könnte eine der attraktivsten Bahn-Neubauprojekte dieses Jahrhunderts werden.
- Mit einer neuen Bahnverbindung auf der alten Trasse von Overath in 27 Minuten in Siegburg und in weniger als 50 Minuten am Bonner Hauptbahnhof.
- Für 60 bis 100 Millionen Euro ließe sich eine moderne Nebenstrecke auf der alten, größtenteils noch vorhandenen Bahntrasse herrichten.
Rhein-Berg/Bonn – In einer halben Stunde könnte die Bahn die Strecke von Overath nach Siegburg zurücklegen, auf der einst das „Luhmer Grietche“ durchs Aggertal zuckelte. Es könnte eine der attraktivsten Bahn-Neubauprojekte dieses Jahrhunderts werden. Davon geht jedenfalls der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aus.
Für 60 bis 100 Millionen Euro ließe sich eine moderne Nebenstrecke auf der alten, größtenteils noch vorhandenen Bahntrasse zwischen Siegburg und Overath herrichten. 90 Prozent der Kosten wären nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz förderfähig. Die restlichen Kosten müssten sich das Land NRW und die Anliegerkommunen teilen. So überschlägt es der VDV in einer Denkschrift, die davon ausgeht, dass eine Reaktivierung der Verbindung Siegburg–Overath bezogen auf das Fahrgastpotenzial und die Entlastung des Straßennetzes „in der Spitzengruppe des Landes NRW“ liegen dürfte.
Reaktivierung alter Trasen
Diese Einschätzung ist eine Bestätigung und Steilvorlage für den Regionalrat, der Anfang März nach einem fraktionsübergreifenden Antrag von CDU, SPD, Grünen und Linke 22 ehemalige Bahnstrecken im Rheinland in den künftigen Regionalplan Köln aufnahm, um die Trassen frei zu halten und vor Bebauung zu schützen.
Dass unter diesen Trassen die zwischen Siegburg und Overath besonders gut für eine Reaktivierung als Bahnlinie geeignet erscheint, hat den Regionalratsvorsitzenden Rainer Deppe (CDU) aus Overath aufhorchen und aktiv werden lassen. Er weiß nicht nur um die Geschichte der Bahnverbindung, sondern auch um die heute mäßige ÖPNV-Verbindung des Bergischen nach Siegburg und in das Oberzentrum Bonn.
„Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmer wäre das die erfolgversprechendste Wiederbelebung einer früheren Bahnverbindung im Rheinland“, sagt Deppe. Im Hinblick auf Klimaschutz, weniger Abgase und weniger Staus liege jede neue Zugstrecke im Trend der Zeit. „Vernetzung hat einer Region noch nie geschadet“, sagt der Regionalratsvorsitzende und hat bereits den Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, Stephan Santelmann, und der seinen Amtskollegen Sebastian Schuster aus dem Rhein-Sieg-Kreis mit ins Boot geholt.
Wie der VDV in seiner Denkschrift vorrechnet, wäre man mit einer neuen Bahnverbindung auf der alten Trasse von Overath in 27 Minuten in Siegburg und in weniger als 50 Minuten am Bonner Hauptbahnhof – was gegenüber derzeitigen ÖPNV-Verbindungen laut VDV eine Fahrzeitverkürzung von 16 bis 20 Minuten bedeuten würde.
Um die Bahnstrecke zu realisieren, könnte laut VDV vom Overather Bahnhof bis kurz vor die Brücke der RB 25 über die Siegburger Straße der alte Bahndamm genutzt werden. Vom früheren Abzweig des „Luhmer Grietchens“ unweit von Gut Eichthal wäre der Abschnitt bis Lohmar nach Einschätzung des VDV nahe der historischen Trasse neu zu bauen. Diese verlief überwiegend entlang der heutigen Bundesstraße 484.
Luhmer Grietche
1884 wird die Bahnstrecke von Siegburg über Overath bis Ründeroth eröffnet, später sogar bis Lüdenscheid verlängert. In Lohmar und Umgebung setzt sich mit der Zeit der Kosename „Luhmer Grietche“ durch.
Der Personenverkehr zwischen Overath und Siegburg wird 1956 eingestellt, 1962 auch der Güterverkehr. Die Gleise zwischen Overath und Lohmar werden abgebaut, 1997 verschwinden sie auch auf dem Abschnitt Lohmar – Siegburg. (wg)
Früher durchquerte das Grietche den Lohmarer Hauptort. Das sollte „zur Vermeidung von Konflikten“ anders gelöst werden, empfiehlt der VDV. Er schlägt stattdessen eine neue Trasse parallel zum Autobahnzubringer der A3-Auffahrt Lohmar-Nord und entlang der A3 bis zur Auffahrt Lohmar vor. Von dort, so die Verkehrsexperten des VDV, könnte dann wieder die in den vergangenen Jahren als Radweg ausgebaute ehemalige Bahntrasse genutzt werden. Den Radweg könne man – zumindest bis zum Ortseingang Siegburg – parallel dazu verlaufen lassen.
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Um einen Halbstundentakt der Bahnen zu ermöglichen, müsste laut VDV mindestens eine, besser mehrere zweigleisige Abschnitte eingeplant werden, damit sich begegnende Züge aneinander vorbeikommen. Auf die Frage, ob all dies eine realistische Perspektive sei oder ein Hirngespinst, sagt Rainer Deppe: „Ich meine, Chancen muss man mutig dann ergreifen, wenn sie sich ergeben. Ich wage keine Prognose, wann auf dieser Strecke wieder ein Zug fährt. Aber wenn man nicht anfängt, kommt man nie an.“