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Erhitzte Debatte um Muezzin-RufMuslimische Gemeinde kämpft um Ausnahmeerlaubnis

Lesezeit 3 Minuten
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Die muslimische Gemeinde kämpft um eine Ausnahmegenehmigung für den Muezzin-Ruf.

  1. Noch bis zum 23. Mai dauert der Ramadan. Die muslimische Gemeinde will die Gläubigen in dieser Zeit mit dem Muezzin-Ruf ermuntern.
  2. Die Stadt Niederkassel lehnt den Antrag allerdings ab und verweist auf einen 30 Jahre alten Grundbucheintrag.
  3. Gemeindemitglied Muzafer Mamuti setzt sich vehemnt für die Umsetzung des Anliegens ein.

Niederkassel – Was Christen an Ostern widerfuhr, erlebt nun die muslimische Gemeinde im Ramadan: Statt Gemeinschaft zu erleben und zusammen Gottesdienste feiern zu können, müssen Kirchen und Moscheen wegen des Coronavirus' oftmals geschlossen bleiben. Als Zeichen der Solidarität will die Gemeinde der Ditib-Moschee in Lülsdorf während der Fastenzeit ausnahmsweise den Muezzin-Ruf ertönen lassen. Die Stadt lehnte ab – mit Verweis auf einen 30 Jahre alten Grundbucheintrag.

Der Ramadan dauert noch bis zum 23. Mai. Die Gemeinde will die Gläubigen in dieser schwierigen Zeit ermuntern. Gemeindemitglied Muzafer Mamuti sagt dazu: „Wir haben deswegen einen Antrag bei der Stadt gestellt, unseren Muezzin einmal am Tag rufen zu lassen. Das dürfen wir eigentlich nicht, das war die Bedingung für den Bau der Moschee und steht so im Grundbuch. Es wäre deswegen eine absolute Ausnahme: nur während des Ramadans und auch nur wegen der Pandemie.“

Bürgermeister lehnte ab

Er hat Bürgermeister Stephan Vehreschild angerufen und ihn um Erlaubnis gebeten. „Der Bürgermeister hat aber sofort Nein gesagt. Dabei hätte das der Stadtrat entscheiden müssen“, sagt Mamuti. Wenn die Fraktionen es ebenfalls abgelehnt hätten, sei das zu akzeptieren, betonen die Gemeindemitglieder. Aber der Bürgermeister habe eigenmächtig entschieden.

Etwa 300 Meter weit wäre der Gebetsruf zu hören, sagen die Gemeindemitglieder. „Die Kirchen läuten während der Corona-Krise auch jeden Abend, aus Solidarität mit den Pflegekräften und Ärzten. Es gibt aber auch viel muslimisches Personal – erfahren die keine Solidarität?“, fragt Mamuti. In der Facebook-Gruppe „Niederkassel“ hat er eine Umfrage gestartet. 70 Prozent von mehreren Hundert teilnehmenden Nutzern unterstützen demnach die Gemeinde in ihrem Vorhaben. In der hitzig geführten Debatte finden sich allerdings auch Kommentare mit rassistischem Unterton.

Skepsis gegenüber Entscheidung zugunsten der Gemeinde

Friedrich Reusch, Fraktionsvorsitzender der SPD, weiß um den Passus im Grundbuch: „Vor dem Bau wurde festgelegt, dass vom Minarett aus kein Gebetsruf zu hören sein darf. Das war vor 30 Jahren. Damit jetzt zu rechtfertigen, dass man keine Ausnahme machen könne, finde ich traurig“, sagt er. Der Bürgermeister, argumentiert Reusch, hätte die Fraktionen einbeziehen müssen. Er ist aber skeptisch, dass eine Entscheidung zugunsten der muslimischen Gemeinde getroffen würde.

Vehreschild wehrt sich gegen die Kritik der Gemeinde: „Ein Grundbucheintrag ist ein verbrieftes Recht, über das ich mich nicht einfach hinwegsetzen kann.“ Der Stadtrat könne zwar einen Beschluss über eine Änderung erlassen, was in der kurzen Zeit aber nicht machbar sei. „Darüber muss der Rat erst entscheiden, und auch das Grundbuchamt benötigt seine Zeit, diesen Beschluss umzusetzen. Das dauert mehrere Wochen.“

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Auch den Vorwurf der mangelnden Solidarität mit der muslimischen Gemeinde will er nicht gelten lassen: „Ich bin ein Bürgermeister, der viel Kontakt mit seinen muslimischen Mitbürgern pflegt“, betont Vehreschild. „Leider ist die Kommunikation mit dieser Gemeinde seit Monaten eingeschlafen.“