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SeltenheitWarum hunderte Vogelkundler jetzt nach Niederkassel reisen

Lesezeit 3 Minuten
Vogelkundler stehen mit Ferngläsern am Feldrand.

Jürgen Linnhoff (r.) mit Frau Irene reisten extra aus Oldenburg an. Dario Allenstein (l.) kam aus Bielefeld nach Niederkassel. Michael Van de Voorde (hinten rechts) und Laurent Van den Bergh machten sich aus der Nähe von Gent in Belgien auf den Weg, um den seltenen Vogel zu sehen.

Die erste Sichtung einer nordamerikanischen Gartenspottdrossel in Deutschland wurde in Niederkassel vermeldet.

Eine kleine Sensation lockt seit Tagen hunderte Vogelkenner nach Rheidt: Eine Gartenspottdrossel fliegt offenbar dort herum – obwohl sie hier gar nicht heimisch ist. Das erste Mal offiziell gesichtet wurde der Singvogel am 1. September 2024 in den Apfelbäumen von Landwirt Karl-Josef Engels, so hat es die Nordrhein-Westfälische Ornithologiegesellschaft vermerkt.

Die Gartenspottdrossel wurde bisher nur viermal in Europa gesichtet, in Deutschland jetzt das erste Mal

„Bislang wurde dieser Vogel nur viermal in Europa gesichtet, dreimal in Großbritannien und einmal in den Niederlanden“, berichtet Jürgen Linnhoff. Der Biologielehrer im Ruhestand ist mit seiner Frau Irene extra aus Oldenburg nach Niederkassel gereist, um sich „diese Sensation“ nicht entgehen zu lassen. Voller Spannung steht er nun am Rand einer Zwiebelplantage von Engels am Rande der Zufahrtsstraße und beobachtet den unscheinbaren, grauen Vogel mit den seinem Spezialfernglas.

Eine graue Garetspottdrossel.

Eine Gartenspottdrossel wurde in Niederkassel gesichtet.

„Eigentlich lebt die Gartenspottdrossel in Nordamerika, dort ist sie als Mockingbird bekannt“, so der 70-jährige Hobby-Ornithologe. Er selber hat noch nie einen solchen Vogel in Freiheit gesehen. Deshalb hatte sich das Ehepaar sofort ins Auto gesetzt und ist die gut 360 Kilometer ins Rheinland gefahren, um bei der Erstsichtung in Deutschland mit dabei zu sein. Im vorigen Jahr nutzte das Ehepaar die Entdeckung eines seltenen Mauerläufers, um mit seinen Spezialferngläsern nach Königswinter zu kommen.

Landwirt Karl-Josef Engels war „völlig erstaunt, was plötzlich auf seinen Feldern los war. In den letzten zehn Tagens sind rund 700 Ornithologen aus ganz Europa nach Rheidt gekommen!“ Sowas habe er noch nie erlebt. Da die Spottdrossel sehr scheu ist, betreten die Vogelkundler nicht Felder von Engels, um möglichst nah an die gefiederte Rarität zu kommen. Ihnen genügt ein Blick durch die speziellen Beobachtungsferngläser.

Die Spottdrossel in Niederkassel macht auf die Ornithologen einen desorientieren Eindruck

„Ich trage auf meiner Vogelbeobachtungsapp ein, dass ich ihn gesehen habe“, berichtet Dario Allenstein. Der 27-Jährige studiert Biologie in Bielefeld und ist ebenfalls extra wegen der Spottdrossel gekommen. Interessiert beobachtet er, wie der Vogel von einem Ast zum anderen hüpft. Allenstein rätselt genau wie die anderen Vogelkundler, wie die Spottdrossel nach Niederkassel gekommen sein könnte. „Für mich macht sie einen desorientierten Eindruck“, so seine Beobachtungen. Auch, dass sie sich schon seit fast vier Wochen in einer Gegend aufhalte, sei ungewöhnlich. In ihrer Heimat in Nordamerika seien die Spottdrosseln Zugvögel, die in der kalten Jahreszeit in wärmere Gegenden flögen.

Linnhoff bestätigt das. Für ihn scheint klar, dass sich die Spottdrossel wohl noch länger in Niederkassel aufhalten werde. Der Vogel ernähre sich von Insekten und hätte zurzeit noch ausreichend Nahrung. Das sehen auch Michael Van de Voorde und Laurent Van den Bergh so, die aus der Nähe von Gent gekommen sind, um diese Erstsichtung in Deutschland persönlich zu erleben.

Spottdrossel aus Niederkassel könnte unentdeckt im Bauch eines Schiffes nach Europa gekommen sein

Uneinig sind die Vogelkundler, wie es mit der Spottdrossel weitergeht. „Vielleicht fliegt sie weiter nach Südeuropa“, meint Allenstein. Linnhoff ist sich dagegen sicher, dass der Vogel an seinem jetzigen Standort bleiben wird. Er hält es sogar für wahrscheinlich, dass die Spottdrossel irgendwann „nicht mehr ausreichend Nahrung findet und dann in der Kälte verhungern muss.“

Es gibt aber noch eine andere Gefahr. Turmfalken und Sperber drehen am Himmel ihre Runden. „Die Spottdrossel ist für den Sperber eine willkommene Beute“, so Linnhoff. Wie auch die anderen Experten will er nicht ausschließen, dass der Vogel vielleicht aus einer privaten Haltung entflohen, oder „vor Wochen unerkannt im Bauch eines Schiffes nach Europa gelangt ist.“