Wegen eines Millionendefizits muss Niederkassel in die Haushaltssicherung. Der Stadtrat reagiert mit drastischen Steuererhöhungen.
Auf 1100 ProzentpunkteGrundsteuer B steigt in Niederkassel auf historisch hohen Wert
Unternehmen und Privatpersonen in der Stadt müssen sich auf deutlich höhere Steuerbelastungen einstellen. Der Stadtrat hat am Dienstagabend den Doppelhaushalt 2023/2024 sowie das Haushaltssicherungskonzept der Stadt Niederkassel beschlossen und damit eine Erhöhung der Grund- und der Gewerbesteuer. Der Hebesatz für die Grundsteuer A, die von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft erhoben wird, steigt von 300 Prozent im kommenden Jahr auf 350 Prozent. Die Gewerbesteuer steigt 2024 von 490 Prozent auf 510 Prozent.
Am drastischsten fällt die Erhöhung bei der Grundsteuer B aus, die für bebaute und unbebaute Grundstücke fällig wird und die neben Grundstückseigentümern mittelbar auch Mieterinnen und Mieter trifft. Sie steigt zu Jahresbeginn 2024 und voraussichtlich bis mindestens 2027 um rund 60 Prozent – von bislang 690 auf dann 1100 Prozentpunkte.
Niederkasseler Grundsteuer erreicht ein historisch hohes Niveau
Die Entscheidung des Rates fiel einstimmig, weil die Steuererhöhungen nach Auffassung aller Fraktionen angesichts des Millionendefizits der Stadt alternativlos ist. „Wir werden Steuern und Abgaben auf ein historisch hohes Niveau anheben müssen“, räumte CDU-Fraktionschef Dano Himmelrath in seiner Haushaltsrede ein. „Ein schwacher Trost ist, dass viele unserer benachbarten Kommunen ähnliche Schritte unternehmen müssen.“
Die Gründe für „unsere anhaltende Finanzmisere“ seien komplex, so Himmelrath. „Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind unterproportional und die veränderte Dynamik der Wirtschaftsentwicklung trifft uns hart.“ Zugleich stünden erhebliche Investitionen in die Bildungslandschaft an, was mit erheblichen Kosten verbunden sei.
Friedrich Reusch, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, sieht die Stadt vor einem „finanziellen Debakel“. Dies habe sich in den vergangenen Jahren zwar angedeutet, die Dimension sei der Politik aber lange Zeit unklar gewesen, weshalb ihm auch „wohl erst sehr spät ernsthaft begegnet wurde“. Wie Himmelrath sieht Reusch die Verantwortung für die „desaströsen Finanzen der Stadt“ aber vor allem bei Bund und Land. Diese belasteten die Kommune mit immer neuen Aufgaben, ohne für einen angemessenen finanziellen Ausgleich zu sorgen.
Kritik an Baukosten für Niederkasseler Schulzentrum Nord
„Der größte Teil der zu stemmenden Kosten ist gar nicht selbstgemacht und durch uns zu beeinflussen“, bekräftigte auch Stephanie Mendl, die neue Fraktionsvorsitzende der Grünen. Der Haushalt und das Haushaltssicherungskonzept der Stadt seien „unter den gegebenen Bedingungen“ für die Grünen akzeptabel. Sie hoffen, durch ein vierteljähriges Controlling der städtischen Finanzen künftig zumindest ein wenig finanzpolitische Handlungsfähigkeit erhalten zu können, auch um unerwartete Kostensteigerungen beim 90-Millionen-Euro-Projekt Schulzentrum Nord frühzeitig erkennen zu können.
„Was ist zu tun, wenn das Geld nicht reicht?“, fragte die FDP-Fraktionsvorsitzende Anette Wickel. „Für uns als FDP hat das Sparen Priorität. Aber leider werden wir bei dem Defizit nur durch Sparen das riesige Loch im Haushalt nicht bewältigen können.“ Einsparpotenzial sieht die FDP vor allem beim Schulzentrum Nord, wo sie sich – vergeblich – für eine deutlich kostengünstigere Variante ausgesprochen hatten.
„Wir glauben, dass eine Erhöhung der Grundsteuer B um rund 300 Prozentpunkte nur für ein Projekt von über 90 Millionen Euro für unsere Bürgerinnen und Bürger deutlich zu viel ist.“ Dennoch votiere auch die FDP für den Haushalt und das Haushaltssicherungskonzept, das der Stadt innerhalb von zehn Jahren ihren finanziellen Handlungsspielraum zurückgeben soll. „Wir müssen jetzt nach vorne schauen“, sagte Wickel.
Schulsozialarbeit bleibt auch bei Haushaltssicherung erhalten
Trotz des Gangs in die Haushaltssicherung wird es an Niederkasseler Schulen weiterhin Schulsozialarbeit geben. Darauf haben sich die Fraktionen verständigt. Für die Grundschulen sind im Haushalt 1,5 Stellen vorgesehen, für die Realschule und die Laurentius-Förderschule eine Stelle. Hinzu kommt eine 60-Prozent-Stelle für die Jugendberufshilfe. Gegen die ursprünglich geplanten Streichungen hatte es Proteste gegeben.
Einschnitte wird es bei der städtischen Musikschule geben. Dort sollen alle Angebote, die nicht kostendeckend betrieben werden, mittelfristig eingestellt werden. Aussteigen könnte die Stadt auch aus dem Leihrad-System RSVG-Bike, das in Niederkassel deutlich weniger genutzt wird als in anderen Kreiskommunen und das den Haushalt jährlich mit 40 000 Euro belastet. Ein Komplett-Ausstieg zum Ende der Vertragslaufzeit 2025 soll geprüft werden, ebenso, ob in Niederkassel nicht benötigte Räder schon vorzeitig an andere Kommunen abgegeben werden können.
Änderungen bei der Ausstattung der Kindertagesstätten sollen überprüft werden. Beraten werden soll, ob Dinge, die über die Grundausstattung hinaus gehen, auf alternativen Wegen finanziert werden können, etwa durch Fördervereine oder Crowdfunding.
Die Bürger sollen an der Suche nach Einsparmöglichkeiten im städtischen Haushalt stärker beteiligt werden. Sie sollen im Rahmen eines sogenannten Bürgerhaushaltes dazu Vorschläge machen können.