ProzessJunge Frau fährt in Niederkassel mit E-Scooter auf Raubzug

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Person auf einem Elektroroller

Mit einem E-Scooter fuhr eine junge Frau an einem Supermarkt in Niederkassel auf Raubzug.

Wohl selten schlägt einer Angeklagten so viel Mitgefühl entgegen wie der jungen Frau, die mit einem E-Scooter in Niederkassel auf Raubzug ging.

In Fußfesseln trippelte die junge Frau, die zart und schmal wie ein Mädchen wirkte, zur Anklagebank. Die Wangen hochrot, die Stimmung gedrückt, die Augen in Tränen schwimmend. Wohl selten nur schlug einer Straftäterin so viel Mitgefühl entgegen wie der 26-Jährigen. Sie hatte versucht, Kundinnen auf einem Supermarktparkplatz ihrer Barschaft zu berauben. Allerdings ohne Erfolg.  

Unterwegs war sie an diesem Tag Mitte April 2024 mit ihrem E-Scooter, der allerdings kein Kennzeichen hatte und keinen Versicherungsschutz. Sie sei verzweifelt gewesen, schilderte die Angeklagte. „Ich war entzügig, brauchte Geld.“ Doch der Versuch, einer 49-Jährigen das Portemonnaie aus der Hand zu reißen, scheiterte.

Supermarktkundin in Niederkassel hielt ihr Eigentum fest und warnte die Umstehenden

Die Supermarktkundin hielt ihr Eigentum fest, schrie laut um Hilfe und warnte die Umstehenden, auf ihre Taschen aufzupassen, schilderte sie im Zeugenstand. Ihre 17-jährige Tochter habe alles mitbekommen. Seitdem seien sie beide viel vorsichtiger, ja, sogar tagsüber ängstlich.

Die Scooter-Fahrerin, die sich zunächst entfernt hatte, kam zurück, wurde dann von der zwischenzeitlich alarmierten Polizei gefasst und kam in Untersuchungshaft, weil sie keinen festen Wohnsitz hat. Mit brüchiger Stimme bat die Angeklagte im Prozess um Entschuldigung: „Ich mache so etwas normalerweise nicht.“

Das zeigt ihr Strafregister: Obwohl sie abhängig ist von einem der schlimmsten Betäubungsmittel, Heroin, finden sich dort nur ein kleiner Diebstahl (zwei Flaschen Cola und Wasser) und einmal Schwarzfahren. Angefangen hat ihre Suchtkarriere mit harmlos erscheinenden Partydrogen, mit 16.

Es gibt Einzelzimmer, eine Gemeinschaftsküche, Sozialarbeiter, die einem helfen
Angeklagte schwärmte vor dem Siegburger Amtsgericht von einer Obdachlosenunterkunft

Ob der Konsum ihre psychische Erkrankung, eine Borderline-Störung, auslöste, ist unklar. Die Angeklagte, die nach der frühen Trennung der Eltern bei Vater und Großmutter aufwuchs, hatte einen holprigen Lebensweg. Nach dem Hauptschulabschluss holte sie zwar ihre Mittlere Reife auf der Abendschule nach, brach aber eine Ausbildung zur Altenpflegerin ab, jobbte dann im Einzelhandel. Zur Mutter hat sie keinen Kontakt.

Zwei Jahre war sie clean, dann aber geriet sie durch ihren damaligen, schwer suchtkranken Freund an Opiate. Sie hat keinen Wohnsitz, nächtigte ab und zu bei ihrem Vater, bei ihrem Onkel bei einer Freundin. Und war auch schon mal in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht, in Wuppertal. Dort habe es ihr gefallen: „Es gibt Einzelzimmer, eine Gemeinschaftsküche, Sozialarbeiter, die einem helfen.“ 

Da kein Schaden entstanden ist, handelt es sich um einen minderschweren Fall

Dort möchte sie wieder auf die Beine kommen. Zwei Monate lang saß die 26-Jährige in U-Haft, wurde anfangs mit Methadon substitutiert. Ihr Körper habe immer noch mit dem Entzug zu kämpfen, schilderte ihre Pflichtverteidigerin. Eine Therapie ist das Ziel.

Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verhängte eine Bewährungsstrafe von siebeneinhalb Monaten. Da kein Schaden entstanden sei, handele es sich um einen minderschweren Fall; Raub ist ein Verbrechen, die Mindestfreiheitsstrafe beträgt normalerweise ein Jahr. Der Elektroroller wird als Tatmittel eingezogen. Er wird von der Staatsanwaltschaft zugunsten der Landeskasse versteigert.

Das umfassende Geständnis schon bei der polizeilichen Vernehmung und die ehrliche Reue milderten die Strafe zusätzlich. Die Angeklagte bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Neben der Auflage, in die Wuppertaler Unterkunft zu ziehen, muss sie innerhalb von sechs Monaten eine ambulante oder stationäre Therapie antreten.

„Das wird ein schwerer Weg“, sagte Richter Dr. Alexander Bluhm. Und er versuchte, der jungen Frau Mut zuzusprechen: „Andere haben es auch geschafft.“ Noch im Gerichtssaal schlossen die Wachtmeisterinnen die Fußfesseln auf. „Jetzt rufen wir erstmal Ihren Vater an“, kündigte die Verteidigerin an. Denn die Papiere und ein wenig Hab und Gut müssten ja aus der JVA, dem Frauengefängnis in Köln-Ossendorf, abgeholt werden.

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